Autor Thema: Das Chieu Hoi-Programm  (Gelesen 2359 mal)

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Das Chieu Hoi-Programm
« am: Mo, 03. Juli 2006, 22:53 »
Der VC bestand nicht nur aus fest überzeugten Revolutionären,entschlossen,Südvietnam vom Einfluß der "Amerikanischen Imperialisten"zu befreien und ein kommunistisches Regime einzusetzen.Ein Teil des VC hat sicherlich so empfunden,aber eine beachtliche Zahl der VC-Rekruten waren einfache Bauern.Sie waren von der kommunistische Propaganda überredet oder durch Drohungen gegen sie und ihre Familien eingeschüchtert worden.Sie hatten sich einer Revolution angeschlossen,die sie weder voll unterstützten noch gänzlich verstanden hatten.Unter solchen Umständen war ihre Moral gefährdet.
Die Moral wurde von verschiedenen Faktoren angegriffen.Das Leben eines Guerillas war offensichtlich kein Vergnügen.Man mußte schon ein überzeugter Anhänger der Sache sein,um die physischen Belastungen zu ertragen-den Nahrungsmangel,das spartanische Leben,die ständige Bewegung in schwierigem Gelände und der eingeschränkte Kontakt zur Familie und den Freunden.Litt jemand dann noch unter endlosen Schulungen,dem Mangel an Unterhaltung und den strengen Sicherheitsbestimmungen,dann war der Schwankende bald bereit,sich nach einem Ausweg umzusehen.
Das war der Ansatzpunkt der Regierung.Bot sie besseres Essen,mehr Urlaub und Kontakt zu der Familie,dann konnte der Schwankende umfallen und die Guerillas schwächen.War er dann noch zum Eintritt in die Regierungsstreitkräfte zu überreden,dann brachte er unvergleichliche
Fachkentnisse in die Guerillatechnik ein.
Im Chieu Hoi-Programm faßte die Saigoner Regierung im Jahre 1963 ein solches Paket von Anreizen zusammen.Das Programm wurde auf Flugblättern und mit Lautsprecherdurchsagen vom Boden und aus der Luft propagiert.
Der Erfolg blieb nicht aus:Ende 1967 hatten über 75.000 Kommunisten diese Chance genutzt und waren desertiert nachdem ihre Guerillamoral
durch die harten Lebensbedingungen und die Anreize der Regierung nachhaltig zersetzt worden war.

Gruß
Josef

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Das Chieu Hoi-Programm
« Antwort #1 am: Fr, 13. April 2007, 21:42 »
Der durchschnittliche ehemalige VC und Kit Carson Scout, der die amerikanischen Truppen im Jahre 1967 durchs „Indianerland" führte, wird wohl keine Ahnung von seinem Namensvetter gehabt haben, dem Fährtensucher nach wirklichen Indianern, Tausende von Kilometern entfernt. Er wird mehr darüber nachgedacht haben, wie er wohl die Piaster für seinen Verrat an früheren Genossen ausgeben könnte. Oder er machte sich eher Sorgen, ob der Landser hinter ihm eine seiner Bewegungen fehlinterpretieren und ihn in seinem Mißtrauen von hinten angreifen würde. Jeder Kit Carson Scout mit einem bißchen Sinn für Ironie müßte schmunzeln, wenn er sich - zusammen mit amerikanischen „Tunnelratten" - durch die Enge und den Gestank eines Tunnelkomplexes kriechen sähe. Dieser Typ eines VC-Tunnels hatte den Fahnenflüchtigen bewogen, sein früheres Dasein, das Verstecken in Höhlen, aufzugeben, um sich für die Sache der Regierung einzusetzen. Die Kit Carson Scouts dachten ansonsten - so wie alle Kriegsteilnehmer - ans Überleben.

Kit Carson Scouts waren ein Ergebnis des im Jahre 1962 begonnenen Chieu Hoi Amnestieprogramms (der offenen Arme). Danach konnten sich Mitglieder des VC straffrei stellen. Ihnen wurde die Aufnahme in ein Umerziehungslager der Regierung und gute Behandlung zugesagt. Oft zeigten sie beim Überlaufen eines der Flugblätter, das auf der einen Seite die südvietnamesische Flagge zeigte und auf der anderen Seite die gute Behandlung versprach. Das Chieu Hoi-Programm war umstritten. Seine Gegner behaupteten, daß der VC es zur Infiltration mißbrauche oder ganz einfach die Erholungsprogramme nutzte, um sich gut verpflegen zu lassen, gut zu wohnen und dann wieder zu seinen Kameraden in den Dschungel zurückzukehren. Die Befürworter argumentierten mit den brauchbaren Feindnachrichten der Überläufer und der psychologischen Wirkung auf die VC-Führer, die nun die Desertion fürchten mußten. In beiden Ansichten über Chieu Hoi steckte ein Körnchen Wahrheit: Es gab die Infiltration und auch viele Überläufer.

Atmosphäre des Mißtrauens

Im Sommer 1966 bildeten die ersten erfahrenen, aus dem Chieu Hoi-Programm rekrutierten VC die Kit Carson Scouts. Mit den Scouts wollte man der Unerfahrenheit der US-Truppen im Dschungelkampf begegnen, denn die Soldaten waren dafür schlecht und - durch die nur einjährige Dienstzeit - zu wenig ausgebildet. Hatte der Dschungelkämpfer ein wenig Erfahrung gesammelt, dann wurde er durch einen „verdammten Grünschnabel" ersetzt. Kit Carson Scouts arbeiteten ähnlich wie die alten Indianerscouts an der amerikanischen Grenze und die „umgedrehten Terroristen" für die Engländer in Malaya Anfang der 50er Jahre. Sie gaben ihre Dschungelerfahrungen und ihr Spezialwissen über den Feind an die alliierten Truppen weiter. Sie wurden zwar immer mißtrauisch beobacht - gehörten sie doch noch zum VC? - aber sie erwiesen sich als sehr effektiv und in der Regel als sehr loyal.

Die Gründe für ihr Überlaufen waren unterschiedlich. Sie variierten von der Enttäuschung über den Kommunismus bis zu Konflikten mit Vorgesetzten oder lagen ganz einfach in dem Bedürfnis nach guter Bezahlung und besseren Lebensbedingungen. Die gute Bezahlung war dann ,im Verlaufe ihrer Tätigkeit für die Amerikaner si6erlich entscheidend für jene Loyalität. Ein übriges tat die Erwartung eines schnellen Todes für jeden Kit Carson Scout, der der Illoyalität gegen über seinen neuen Herren nur verdächtigt wurde. Die Scouts wurden anfänglich fast ausschließlich bei den Marines des I. Korps eingesetzt, dann halfen sie auch den Heereseinheiten. Zu ihren Aufgaben zählten: Aufspüren des feindlichen Aufenthaltsortes, seiner Waffen- und Versorgungslager, das Ausmachen von Fallen und Hinterhalten. Sie brachten den US-Truppen zudem bei, wie der VC dachte und operierte. Da viele Scouts vor ihrer Desertion in den Tunnelkomplexen gelebt hatten, waren sie den „Tunnelratten" besonders wertvoll. Die meisten Tunnel waren nach einem Grundprinzip gebaut, so daß die Scouts mit einer ziemlichen Genauigkeit sagen konnten, wo Minenfallen waren und wichtige Dokumente gelagert wurden. Anfänglich gingen die „Tunnelratten" mit den Scouts sehr mißtrauisch um. Hatten sie sich jedoch erst einmal bewährt, dann gehörten sie fest zum jeweiligen Team der Amerikaner.

Kit Carson Scouts waren bei den Patrouillen um Khe Sanh besonders hilfreich, einige blieben auch für die lange Zeit der Belagerung dieser Basis von Januar bis April 1968. Andere Scouts arbeiteten mit den Königlich-Thailändischen Streitkräften zusammen beim Aufspüren und Zerstören der VC-Tunnel und -Bunker. Die „Roadrunner"Teams, Männer einheimischer Stämme, gekleidet wie der VC oder die NVA, operierten entlang der kommunistischen Wegenetze und nutzten auch die Erfahrung der Scouts über die Methoden und die Ausrüstung des Feindes. Wo immer die Scouts arbeiteten, sie leisteten unschätzbare Dienste, wenn es darum ging, den VC in Hinterhalte zu lokken. Viele Scouts überzeugten wiederum andere VC, zur Regierungsseite überzulaufen.

Ein Hauptmotiv für ihren Frontwechsel sollte die Scouts ins Verderben führen. Ein VC lief oft aus dem Wunsch über, bei seiner Familie zu sein. Wenn er erst mal bei den Kit Carson Scouts war, erhielt er mehr Geld und konnte seiner Familie einen besseren Lebensstandard bieten. Ein Besuch bei seiner Familie mußte aber so heimlich wie möglich erfolgen, denn Kit Carson Scouts und ihre Familen waren Hauptziele für Angriffe und Meuchelmorde durch den VC. Er wollte damit Exempel statuieren, damit der Nachbar sich erst gar nicht mit dem Gedanken eines Seitenwechsels beschäftigte.

Offline md11

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Das Chieu Hoi-Programm
« Antwort #2 am: Fr, 13. April 2007, 21:44 »
Zum Ende der Bündnisverpflichtung der US-Truppen wurden die Kit Carson Scouts im Lauf des Jahres 1971 aufgelöst, viele wurden allerdings in südvietnamesische Einheiten übernommen. Als sich der Fall Südvietnams deutlich abzeichnete, da war den Scouts klar; daß sie jetzt nicht nur für Südvietnam kämpfen, sondern für ihr persönliches Überleben sorgen mußten. Denn es war sehr fraglich, ob die Kommunisten mit den Verrätern des Nordens und Marionetten des Südens gut umgehen würden. Nach der Niederlage Südvietnams sahen sich die Kit Carson Scouts in der Gesellschaft der früheren Nationalpolizei und anderer Gruppen, die zur Hinrichtung bestimmt waren. Einige ehemalige Kit Carson Scouts mögen überlebt haben, weil sie sich einer der Guerillagruppen angeschlossen haben. Andere überlebten, weil sie als Scouts noch für den VC spioniert hatten. Die meisten aber überließ man einfach ihrem Schicksal, und nur wenigen gelang wahrscheinlich die Flucht aus Südvietnam während der hektischen letzten Tage des Krieges.

Verräter wurden in der Geschichte aller Kriege selten geachtet. Ihnen wurde stets mißtraut, obwohl sie jeweils den Zielen ihrer Auftraggeber nützlich waren. Den Kit Carson Scouts ging es nicht anders. Ihre Fähigkeiten retteten das Leben vieler Amerikaner. Zwischen vielen Kit Carson Scouts und den Amerikanern - insbesondere den „Tunnelratten" - entwickelten sich enge freundschaftliche Bindungen. Aber heute sind die Kit Carson Scouts nur eine Fußnote wert.

Gruß
Josef
« Letzte Änderung: Mo, 01. September 2008, 20:08 von Impuls »

 


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