Autor Thema: Gedenkstätte Lidice  (Gelesen 10047 mal)

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Re: Gedenkstätte Lidice
« Antwort #10 am: Mo, 02. Juli 2007, 21:46 »
Bild 1.Die Gedenkstätte,rechts der Eingang zum Museum

Bild 2.Der Rosengarten.Der Rosengarten wurde am 19.6.1955 eröffnet in dem 29.000 Rosensträucher aus aller Welt wachsen.

Gruß
Josef
« Letzte Änderung: Di, 22. Juni 2010, 10:54 von Ulla »

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Re: Gedenkstätte Lidice
« Antwort #11 am: Do, 12. Juli 2007, 18:53 »
SS-Sturmbannführer verhaftet

Der ehemalige Sturmbannführer Hermann Krumey wurde am 1. April in Haft genommen. Er befindet sich im Frankfurter Untersuchungsgefängnis.
SS-Sturmbannführer Krumey war im September 1948 von einer Spruchkammer als minderbelastet auf freien Fuß gesetzt worden.
(die tat, 6. 4. 57)

Oberlandesgericht Ffm. läßt SS-Krumey frei

Wie,, Die Tat" bereits berichtete, wurde der ehe; malige SS-Obersturmbannführer vom leitenden Stab des ehemaligen Judenvernichtungskommando der SS in Ungarn, Hermann Krumey, auf Anordnung des Frankfurter Oberlandesgerichtes aus der Untersuchungshaft entlassen.

Diese Gerichtsentscheidung ist einfach haarsträubend und kann nur dazu beitragen, die Rechtsunsicherheit in der Bundesrepublik, die sowieso schon durch die zuvorkommende Behandlung ehemaliger NS-Größen stark angeknackst ist, auf das schwerste zu gefährden. SS-Krumey ist ein Massenmörder! Während des Krieges war er Stellvertreter des berüchtigten SS-Führers Eichmann. Er hat aktiv und mit dem Fanatismus eines„ Herrenmenschen" an der Deportation und Vergasung von Hunderttausenden ungarischen Juden mitgewirkt. Es bestehen Dokumente, die die riesengroße Blutschuld Krumeys beweisen. Es waren österreichische Behörden, die vor einigen Monaten die deutsche Öffentlichkeit und die Bundesjustiz darauf aufmerksam machten, um was für eine SS-Figur es sich bei Krumey handelt. Die Veröffentlichung eines Buches, die die furchtbaren Judenvernichtungsaktionen schildert, sowie die Hinweise der österreichischen Behörden waren der Anlaß, Krumey am 1. April d. J. in Untersuchungshaft zu nehmen.

Krumey wurde in dem hessischen Städtchen Korbach verhaftet. Wie so viele NS-Größen hatte er es nach dem Kriege verstanden, sich zu tarnen und den soliden Bürger zu spielen. Krumey, der aus dem Sudetenland stammt, ließ sich in Korbach nieder, mimte hier den Unschuldigen und machte eine Drogerie auf. Als Starthilfe wurde ihm sogar ein staatlicher Kredit in Höhe von 12000 DM gegeben. Außer der Drogerie eröffnete er noch ein Zeltverleihgeschäft. Das war aber noch nicht alles. Krumey betätigte sich auch „demokratisch". Er ließ sich als Abgeordneter des Gesamtdeutschen Blocks BHE in den Waldecker Kreistag wählen. Die „Frankfurter Rundschau" schrieb über diesen „Volksvertreter": „Es mutet geradezu grotesk an, daß der SS-Obersturmbannführer Krumey unter der Maske des Biedermanns völlig unbehelligt im Bundesgebiet lebte". Die Schwere der Schuld Krumeys ist mit Worten kaum zu schildern. Krumeys SS-Karriere begann, als er einmal von Konrad Henlein dem Reichsführer SS Himmler vorgestellt wurde. Himmler erkannte sofort, daß Krumey der „richtige Mann" für ihn war. Im KZ Dachau wird er „ausgebildet", auf Menschenvernichtung gedrillt und dann überall dort eingesetzt, wo es gilt, Menschen kaltblütig auf SS-Art massenweise umzubringen. Wohl am grausamsten wütete Krumey in Ungarn, wo er zum Stellvertreter des Führers eines „Sondereinsatzkommandos", des SS-Obersturmbannführers Eichmann, avancierte. Die Aufgabe des Sondereinsatzkommandos war, die Ermordung der ungarischen Juden planmäßig zu organisieren. Allein von Mitte Mai bis zum 7. Juli 1944 wurden bei einer „Blitzaktion" in den KZ-Lagern Auschwitz und Maidanek etwa460000 ungarische Juden vergast. Der ehemalige Führer der jüdischen Widerstandsbewegung in Ungarn, Joel Brand, schilderte Anfang April d. J. auf einer Pressekonferenz in Frankfurt a. M., daß alle Aufrufe und Verordnungen, die nach dem 19. März 1944 in Ungarn zur Durchführung der Deportationen von Juden erlassen worden seien, die Unterschrift Krumeys trugen. Krumey habe auch damals im Auftrage Himmlers Verhandlungen über ein „Geschäft" geführt, das die Freilassung von 1 Million Juden gegen 10. 000 Lastkraftwagen vorsah.

Joel Brand führte damals mit Eichmann und Krumey Verhandlungen. Die SS-Führer waren bereit, den Menschenhandel auch ratenweise abzuwickeln - 100 Lastkraftwagen für 100.000 freigelassene Juden. Sie waren sogar zu einer Vorschußleistung bereit, indem sie 1700 Juden fürje 1000 Dollarfreiließen. Es gab auch Fälle, in denen einzelne Juden bis zu 200.000 Mark zahlten. Brand erhielt von Eichmann ein Kurierflugzeug und von Krumey einen deutschen Paß, damit er sich über Wien in die Türkei begeben und Kontakte mit englischen Stellen aufnehmen konnte. Über den Menschenhandel, den die SSFührer vorschlugen, wurde damals im englischen Kriegskabinett beraten. SS-Führer verhandelten an der Schweizer Grenze. Auch Roosevelt, der schwedische König und der Papst sollen sich damals eingeschaltet haben.

Aus anderen Dokumenten geht hervor, daß Krumey Deportationen von Polen in Zwangsarbeitsund Konzentrationslager angeordnet hat. Von höchster Stelle wurde ihm bescheinigt, daß er seine verbrecherische Tätigkeit zur vollsten Zufriedenheit der SS-Führung ausgeführt habe. In einem am 21. April 1942 ausgestellten Dienstleistungszeugnis, unterzeichnet von dem Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Oberführer Damzog, heißt es über Krumeys „Heldentaten" in Polen:

„In unermüdlichem Tag- und Nachteinsatz hat SS-Obersturmbannführer Krumey mit seinen Männern geradezu die Voraussetzungen für die reibungslose Durchführung der Umsiedlung geschaffen."
(die tat, 6. 7. 57)


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Re: Gedenkstätte Lidice
« Antwort #12 am: Do, 12. Juli 2007, 19:11 »
Krumey endlich in Haft

Auf Antrag von Oberstaatsanwalt Wolf hat der Untersuchungsrichter beim Landgericht Frankfurt am 14. August Haftbefehl gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Hermann Krumey erlassen. Der Haftbefehl wurde sofort vollstreckt. Krumey sitzt in der Haftanstalt Hammelsgasse in Frankfurt.

Die Verhaftung des einstigen SS-Führers erfolgte auf Grund von Dokumenten, die „Die Tat" als erste Zeitung der Bundesrepublik am 28. Juni dieses Jahres veröffentlichte.

In den von uns veröffentlichten Dokumenten wird Krumey überführt, an der Ermordung von 88 tschechischen Kindern beteiligt gewesen zu sein. Die Kinder stammten aus Lidice. Am 20. Juli teilte Krumey in einem Fernschreiben an das Reichssicherheitshauptamt mit, daß von den 88 Kindern lediglich sieben „rückdeutschungsfähig" seien. „Ich bitte dringend", heißt es in dem Fernschreiben, „über die Weiterverwendung der Kinder zu verfügen". Mit der „Weiterverwendung" war deren Ermordung gemeint.
(die tat, 23.8.1958)

Krumey auf freiem Fuß
- Unter Vorsitz von Landgerichtsrat Dr. Lessing hat
die Zweite Strafkammer des Landgerichts Frankfurt a. M. eine Entscheidung getroffen, die man schlechthin als Skandal ersten Ranges bezeichnen muß: Der erst kürzlich auf Antrag des Oberstaatsanwaltes wieder in Haft genommene ehemalige Leiter der sogenannten Umwanderungszentrale in Lodz, der SS-Obersturmbannführer Hermann Krumey, wurde nach einem turnusmäßigen Haftprüfungstermin wieder auf freien Fuß gesetzt.

Obwohl das der Staatsanwaltschaft übermittelte Belastungsmaterial ausdrücklich als authentisch bezeichnet wurde, erklärte Landgerichtsrat Dr. Lessing:

„Wir befinden uns in einem Rechtsstaat, und die Untersuchungshaft gegen einen Beschuldigten wird nur aufrechterhalten bei dringendem Tatverdacht." Die Beschuldigungen gegen Krumey seien zwar im wesentlichen in Urkunden enthalten, für eine weitere Inhaftierung sei jedoch der direkte Beweis durch eidliche Zeugen nötig.

Zehn Jahre lang konnte der frühere SS-Obersturmbannführer Hermann Krumey völlig ungeschoren mitten unter uns leben. Schon 1947 wurden vor dem Nürnberger Gericht seine Schandtaten bloßgestellt. Aber niemand kümmerte sich darum.

Es ist unfaßlich, daß niemand es für notwendig hielt, die Protokolle der Nürnberger Prozesse nachzulesen.
Aus diesen Protokollen geht beispielsweise hervor, daß die Krankenschwester Julja Makowski am 16. November 1947 als Zeugin bekundete, daß Krumey unter dem Verdacht der Mitbeteiligung am Mord der Kinder von Lidice steht. Am 13. Juni 1942, neun Tage bevor Krumey in einem Fernschreiben von der Umwandererzentrale Litzmannstadt aus vom Reichssicherheitshauptamt einen Befehl über die „Weiterverwendung" der Kinder anforderte, traf er mit ihnen im Durchgangslager Lezna bei Lodz zusammen. Er unterhielt sich in tschechischer Sprache mit ihnen und veranlaßte in einer Anwandlung von Menschlichkeit, daß die Todgeweihten mit Brot und Margarine beköstigt wurden.

Die von den Eltern weggerissenen Kinder waren, eingeschüchtert und schlecht bekleidet. Mitten in der Nacht wurden zwei Kinder eingeliefert, die vollkommen nackt waren. Unter größter Geheimhaltung wurden die Kinder von Lezna aus auf Lastautos weitertransportiert - in den Tod. Sie wurden nirgendwo registiert - so als ob sie gar nicht mehr existierten.

Den Abtransport leitete ein Gestapoangestellter aus Lodz namens Bromberg. Wo ist er heute? Ferner waren beteiligt: Marta Weick, ein Mann namens Schütz und dervermutliche Gestapochef von Lodz, Bradfisch.

Krumey wurde verhaftet. Krumey wurde freigelassen. Krumey wurde erneut verhaftet und zum zweiten Male freigelassen. Wird Krumey jemals für seine furchtbaren Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden?
(die tat, 20.9.1958)   

Proteste gegen Freilassung Krumeys
Der Verband der tschechoslowakischen Widerstandskämpfer hat bei Bundesjustizminister Schäffer gegen die abermalige Freilassung des SS-Obersturmbannführers Hermann Krumey protestiert.

In seinem Schreiben erklärt der Verband:

„Im Namen der ermordeten Kinder aus Lidice und Lezaky, im Namen ihrer trauernden Mütter, im Namen aller Teilnehmer des antifaschistischen Kampfes protestieren wir gegen die evidente Bevorzugung des nazistischen Verbrechers seitens der gerichtlichen Organe und fordern die Verhaftung und Verurteilung von Hermann Krumey."

Nach den in den NS-Archiven von Litzmannstadt gefundenen Dokumenten, so heißt es in dem Protestschreiben weiter, sei eindeutig festgestellt  worden, daß Krumey aktiv an der Deportierung von fast hundert Kindern aus den Gemeinden Lidice und Lezaky teilgenommen hat. In einem Brief vom 22. Juni 1942 an das Reichssicherheitsamt habe Krumey die Übernahme des Transportes der unglücklichen Kinder bestätigt. Krumey habe gewußt, welches Schicksal den Kindern bevorstand. In seinem eigenhändig unterschriebenen Brief heiße es: „Ich habe IV B 4 des Reichssicherheitsamtes von der Überstellung dieser Kinder in Kenntnis gesetzt, in der Annahme, daß dieselben für eine Sonderbehandlung vorgesehen sind." Der letzte bekannte Aufenthaltsort der Kinder sei das Auffanglager bei Lodz gewesen, das unter Krumeys Leitung gestanden habe. Von hier aus verschwänden alle Spuren der Kinder mit Ausnahme der sieben, die zur „Eindeutschung" vorgesehen gewesen seien.

Krumey habe am 30. September 1947 in Nürnberg seine Teilnahme an der Deportierung der Kinder bekannt und erklärt: „Meines Erachtens habe ich bei diesem Vorgang selbst mitgearbeitet."

„Wir können nicht begreifen", heißt es in dem Brief an Justizminister Schäffer, „wie man einen Menschen, der seine aktive Teilnahme an Verbrechen, die seinerzeit das Gewissen der ganzen Welt erschütterten, nicht einmal leugnet, freilassen kann."
(die tat, 4.10.1958)


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Re: Gedenkstätte Lidice
« Antwort #13 am: Do, 12. Juli 2007, 19:43 »
KZ-Krumey noch immer in Freiheit

Weil das Wort „Sonderbehandlung" ein wohlbekannter Begriff der Naziära für die Ermordung ohne Gerichtsurteil ist, wurde Hermann Krumey mit Recht der Mitschuld an der Ermordung der Kinder aus Lidice beschuldigt.

Durch die Entscheidung des Ersten Strafsenats des Oberlandesgerichtes in Frankfurt am Main wurde Krumey mit der Begründung freigelassen, daß nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne, daß Krumey wußte, daß die Kinder ermordet werden sollten.

Es lägen keine sicheren Anhaltspunkte dafür vor, erklärte der Senat, daß der Begriff Sonderbehandlung zur damaligen Zeit bei seiner Anwendung in SS- und SA-Kreisen ganz allgemein die Bedeutung einer Liquidierung, Tötung oder dergleichen hatte-wie die Staatsanwaltschaft meinteund daß auch Krumey diese Bedeutung kannte. Auch das Institut für Zeitgeschichte in München habe einen allgemeinen Gebrauch des Wortes Sonderbehandlung in dem fraglichen Sinn nicht feststellen können. Krumeys Behauptung, ihm sei eine bestimmte Bedeutung des Wortes Sonderbehandlung nicht bekannt gewesen, sei unter : diesen Umständen zwar nicht restlos überzeugend, aber auch nicht völlig unglaubwürdig und vor allem sprachprozessual nicht widerlegbar.

Mit dieser Erklärung wies der Gerichtsrat in Frankfurt am Main die Beschuldigung Krumeys wegen „Beihilfe zum Mord, Beihilfe zur Freiheitsberaubung mit Todesfolge oder wegen Beihilfe zum Menschenraub" ab. Mit bewunderswerter Bereitwilligkeit glaubte das Frankfurter Gericht Krumey,daß er die wahre Bedeutung des Wortes „Sonderbehandlung", das er in seinem Schreiben mit völliger Selbstverständlichkeit benützte, nicht gekannt hatte. Auf das Wort „Sonderbehandlung" stieß die Öffentlichkeit laufend bei Prozessen mit Angehörigen der SS, der SA und der Gestapo,und immer zeigte es sich, daß es die völlig eindeutige Bedeutung „Mord" hatte.

So erklärte zum Beispiel K. H. Frank, der ehemalige Staatsminister für Böhmen und Mähren, der für seine Verbrechen in Prag hingerichtet wurde, bei seiner Einvernahme:

„Sonderbehandlung, das heißt die betreffenden   Personen ohne Gerichtsurteil zu exekutieren auf rund von staatspolizeilichen Feststellungen über en Tatbestand."

Der  ehemalige  Befehlshaber der Kleinen Festung Terezin, Heinrich Jöckel, sagte beim Verhör aus:   
 „Die Befehle zur Durchführung dieser Sonderbehandlung kamen immer von der Leitstelle in Prag und hatten folgenden Wortlaut: ... Der Oberste - SS- und Polizeiführer, SS-Obergruppenführer f K. H. Frank, hat gegen die nachstehende Person
...die Sonderbehandlung angeordnet. Ich bitte,die Exekution durch Erschießen vorzunehmen.Es ist eine beträchtliche Zahl weiterer ähnlicher -Zeugenaussagen und schriftlicher Dokumente bekannt. Sie zeigen eindeutig, daß das Wort „Sonderbehandlung" im Wörterbuch der SS und der Gestapo die Bezeichnung für eine Hinrichtung ohne Gerichtsurteil war; es handelte sich also um den üblichen Decknamen für die physische Liquidierung eines Häftlings. Diese Bedeutung des Wortes war allen Angehörigen der SS ohne Unterschied ihres Ranges genau bekannt. So läßt sich ohne weiteres voraussetzen, daß sie auch einem SS-Obersturmbannführer bekannt war, der unmittelbar auf dem Gebiet der Massenausrottung tätig war.

Auf Grund dieser Feststellungen kann man die Entscheidung des Frankfurter Gerichtes nicht anders bewerten als einen Versuch, den Kindermörder zu schützen. Diese zumindest versöhnliche Einstellung des westdeutschen Gerichtswesens gegenüber Naziverbrechern überrascht nicht; es ist bekannt, daß mehr als 1000 ehemalige Hitlerkapazitäten, die sich während des Nazitums zahlreicher Verbrechen schuldig gemacht haben, wieder zu Gericht sitzen. Eine Krähe hackt der anderen die Augen nicht aus, sagt ein altes Sprichwort. Es ist geradezu unglaublich: an den Morden in den Konzentrationslagern Lodz und Chelmno zweifelt niemand; aber ein westdeutsches Gericht hegt Zweifel darüber, ob der Lagerkommandant von ihnen wußte!!
(die tat, 23.4.1960)

SS-Mörder Eichmann gefaßt
Der Organisator des Massenmordes an den Juden während des Dritten Reiches, Adolf Eichmann, ist von den israelischen Sicherheitsbehörden nach jahrelanger Verfolgung verhaftet worden.

In der Bundesrepublik - und zwar in aller Öffentlichkeit - lebten auch seine engsten Mitarbeiter: SS-Obersturmbannführer Krumey und der Gesandte der Nazis in Sofia, Beckerle.

Erst jetzt, nach der Verhaftung Eichmanns, sind auch Krumey und Beckerle wieder inhaftiert worden. Wie es heißt, sei Krumey bereits drauf und dran gewesen, zu entfliehen.

Aber Krumey und Beckerle werden nicht die einzigen in der Bundesrepublik sein, die in dem Eichmann-Prozeß eine Rolle spielen werden. Eichmann hat bei seiner ersten Vernehmung bereits angedeutet, daß er höchste Persönlichkeiten aus der Bundesrepublik - in und außerhalb der Regierung-mit in seinen Prozeß hineinziehen werde.

Fortsetzung folgt noch

Gruß
Josef
« Letzte Änderung: Do, 12. Juli 2007, 21:37 von md11 »

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Re: Gedenkstätte Lidice
« Antwort #14 am: Sa, 14. Juli 2007, 16:44 »
Hermann Krumey als Zeuge im Eichmann-Prozeß

Meine Aufgabe war die Organisation des Eisenbahntransportweges zur Durchführung der Aussiedlung solcher Polen aus dem Warthegau, die durch die Landräte zum Zwecke der Unterbringung von Volksdeutschen von ihren Höfen herausgesetzt worden waren, und nun nach Polen transportiert werden sollten. Mit Polen meine ich das Generalgouvernement.

Als die Aussiedlungen zu Schwierigkeiten und Unerträglichkeiten führten, weil infolge mangelnder Ordnung die von ihren Höfen verdrängten Polen ohne ausreichenden Raum, ohne Arbeit waren im Gebiet des Warthegaues und infolgedessen die Kriminalität zunahm, erfolgte die Bildung einer gesonderten Organisation zur Ordnung der vorgenannten Aktion. Es wurde bei dem Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD in Posen die Umwandererzentralstelle für diesen Zweck gebildet. Unter dieser Zentralstelle wurde eine Dienststelle in Litzmannstadtgebildet. Es war dort vorher eine Außenstelle der Zentralstelle unter der Leitung des Hauptsturmführers Barth. Als diese Außenstelle zur Dienststelle wurde, kam ich als der Leiter dorthin. Das war im Frühjahr 1940.

Zweck der Dienststelle war, die Durchschleusung der durch die Tätigkeit nachgeordneter Dienststellen des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums ausgesiedelten Polen in das Generalgouvernement durchzuführen, wobei in dem Durchgangslager solche Polenfamilien ausgesondert wurden, die sich als eindeutschungsfähig nach der Feststellung des Rasse und Siedlungshauptamtes erwiesen, und die Polen, die das Arbeitsamt als Arbeitskräfte für den Einsatz im Reich herauszog. Die Außenstellen hatten zuvor bereits diejenigen herausgesucht, die von ihren Höfen vertrieben waren, jedoch Volksdeutsche waren oder Polen, die sich zum Deutschtum bekannten. Hierfür bestanden Richtlinien. Der herausgesuchte Personenkreis sowohl seitens der Außenstellen als auch bei der Durchschleusung im Lager blieb dann von dem Abtransport ins Generalgouvernement ausgenommen. Indem Lager wurden auch Vermögensaufstellungen jeder auszusiedelnden Polenfamilie aufgenommen, die dann bei der Haupttreuhandstelle Ost gesammelt wurden und, wie es hieß, Grundlage einer Entschädigung der Ausgesiedelten bilden sollte.

Als Leiter der Dienststelle in Litzmannstadt habe ich meine Anforderung von Zügen immer an die Abteilung IV B 4 im Reichssicherheitshauptamt gerichtet und nicht mehr mit der Reichsbahn direkt verhandelt. Transportmäßig war vor allem dafür zu sorgen, daß die einwandernden Ansiedler durch rechtzeitigen Abtransport der Aussiedler Platz vorfanden. Dies alles war der Zweck meiner Dienststelle in Litzmannstadt.

Eines morgens erfuhr ich, daß im Lager Gneisenaustraße eine Anzahl von nicht ganz 100 Kindern -wie ich jetzt aus vorgehaltenen Dokumenten ersehen habe, sollen es 88 gewesen sein - aus dem Protektorat angekommen seien. Ich weiß noch, daß ich mir die Kinder angesehen habe. Von wem ich von dem Eintreffen der Kinder informiert wurde, weiß ich heute nicht mehr. Als ich die Kinder sah, waren die Schwestern, die als Begleitpersonal mitgekommen sein sollten, schon wieder verschwunden. Die Anwesenheit der Kinder war für uns etwas außergewöhnliches und bereitete Schwierigkeiten, weil unser Lager nur als Durchgangsstation für Familien eingerichtet war und nicht für die Aufnahme unversorgter elternloser Kinder.

An das mir vorgehaltene Fernschreiben des Rasse- und Siedlungshauptamts vom 12. 6.1942 kann ich mich nicht erinnern. Aus dem handschriftlichen Vermerk unten auf dem Fernschreiben ersehe ich, daß mein Vertreter Püschel dieses Fernschreiben bearbeitet hat.

Der handschriftlich am Ende der Liste vom 11. Juni 1942 aufgeführte Untersturmführer Kanzler ist mir nicht bekannt. Zu meiner Dienststelle gehörte er nicht. Ich weiß noch, daß die Kinder behelfsmäßig versorgt und untergebracht wurden und daß wir wissen wollten, was weiter aus ihnen werden sollte. Es ist möglich, daß ich wegen der Kinder mit dem Referat IV B 4 im Reichssicherheitshauptamt telefoniert habe, ob mit Eichmann oder mit einem anderen dort Tätigen, weiß ich heute nicht mehr.

Die mir vorgehaltenen Fernschreiben vom 17.Juni 1942 an Fischer in Prag, vom 20. Juni 1942 an Eichmann und vom 22. Juni 1942 an Ehlich sind mir aus meinem eigenen Verfahren bekannt. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich zu ihrer Abfassung und Absendung kam, weil inzwischen zuviel Zeit verflossen ist. Nach den Diktatzeichen habe ich sie diktiert. Ob ich die Anschriften der Stenotypistin wörtlich diktiert habe, weiß ich nicht. Üblich war es bei mir, die jeweilige Dienststelle der Stenotypistin beim Diktieren mit dem Namen des jeweiligen Leiters zu bezeichnen. Fischer kannte ich persönlich nicht, Eichmann und Ehlich kannte ich.

Ich möchte noch bemerken, daß ich für wahrscheinlich halte, zum Zeitpunkt des Eintreffens der Kinder den Vorfall der Niedermachung von Lidice noch nicht gewußt zu haben. Ich habe die Sache nachher aber auf alle Fälle erfahren, und ich habe mich mit Sicherheit darum gekümmert, auf welche Weise die Kinder zu uns kamen, was die Ursache dafür war.

Mir ist vorgehalten worden, daß das Fernschreiben an Eichmann vom 20. 6. 1942 das Wort Sonderbehandlung nicht erwähnt, daß ich aber in meinem Fernschreiben an Ehlich vom 22.6.1942 folgenden Satz diktiert habe: „Ich habe IV B 4 von der Überstellung dieser Kinder in Kenntnis gesetzt in der Annahme, daß dieselben für eine Sonderbehandlung vorgesehen sind." Hierzu möchte ich erklären: Eine genaue Erinnerung an meine Gedanken bei der Abfassung des Fernschreibens habe ich nicht mehr. Ich bin der Ansicht, daß ich das Wort Sonderbehandlung damals nicht im
Sinne von Vernichtung aufgefaßt habe. Ich bin mir sicher, daß mir damals der Begriff Sonderbehandlung in der Bedeutung Vernichtung nicht bekannt und geläufig war. Die Kinder waren eine Sonderangelegenheit innerhalb unseres Lagerbetriebes und erforderten für unsere Verhältnisse eine besondere Behandlung. Mit der Formulierung: ... in der Annahme, daß dieselben für eine Sonderbehandlung vorgesehen sind, habe ich nach meiner Auffassung zum Ausdruck gebracht, daß die Kinder einer besonderen Behandlung bedurften und nicht etwa im gewöhnlichen Gang unserer Aussiedlungsverfahren mitlaufen könnten, sondern zum Beispiel in Heimen untergebracht werden müßten. Daß ich mich in dieser Annahme an Eichmann wandte, erkläre ich damit, daß dessen Referat IV B 4 die Stelle war, die für mich wegen der Transportraumanforderungen zuständig gewesen ist. IV B 4 hat immer bestimmt, wo unsere Transporte hingeleitet wurden. Deshalb fragte ich auch in diesem Falle dort an, weil die Kinder aus unserem Lager ja abtransportiert werden mußten, und ich wollte wissen wohin.

Auf welche Weise die Kinder dann aus dem Lager herauskamen, kann ich aus meiner Erinnerung heraus nicht mehr sagen. Aus mir in meinem Verfahren vorgehaltenen Unterlagen weiß ich, daß sie abgeholt worden sind. Es bestehen Quittungen über die Abgabe der Kinder an die Stapoleitstelle Litzmannstadt, auf der jeweils die Autonummer der abholenden Kraftfahrzeuge vermerkt sind. Einzelheiten sind mir deshalb nicht im Gedächtnis, weil für die gesamte Lagerangelegenheit der Lagerinspekteur Schwarzhuber existierte und außerdem das Lager Gneisenaustraße einen Kommandanten besaß. Wer letzterer damals war, weiß ich nicht mehr. Ich wurde meist nur befaßt mit einer Angelegenheit, wenn sie Schwierigkeiten bereitete. Ich kann auch heute nicht mehr sagen, wer meiner Dienststelle eine Weisung erteilte und ob eine solche als Antwort auf meine Telegramme erteilt worden ist. Ich halte es für möglich, daß die Kinder abgeholt worden sein können, ohne daß meine Dienststelle unmittelbar eine Weisung erhielt. In diesem Fall könnte eine Weisung statt an meine Dienststelle an die Stapoleitstelle direkt ergangen sein, ohne daß ich davon Kenntnis erlangt hätte.

Mir sind nunmehr zu dem Komplex der Kinder aus Lidice ein Fernschreiben RUS Berlin Nummer 313 vom 12.6. 1942 vorgehalten worden, das die Umwandererzentralstelle Litzmannstadt ersucht, 86 nicht eindeutschungsfähige Tschechenkinder zu übernehmen, die Unterkommensfrage zu regeln und entsprechendes Quartier für die 86 Kinder zu schaffen, sowie ein dringendes Geheimfernschreiben des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD- in Prag, 346/42, gezeichnet Fischer, an die Umwandererzentrale Litzmannstadt vom 12. 6. 1942, das die Vorgänge in Lidice einschließlich des Schicksals der Eltern der Kinder, die Herkunft der Kinder mit Angabe der Altersklassen und als Ankunftszeit 13. 6. 1942, 21.30 Uhr, mitteilt und ersucht, daß die Kinder am Bahnhof abgeholt und gleich in entsprechende Lager eingewiesen werden. In diesem Schreiben ist vermerkt, daß die nicht Eindeutschungsfähigen auf dem Wege über dortige Polenlager entsprechend weiter verschickt werden sollen, und weiterhin heißt es: Die Kinder bringen nichts mit, als das was sie auf dem Leibe haben. Eine besondere Fürsorge ist nicht erforderlich. Speziell an die mir vorgelegten Fernschreiben kann ich mich heute nicht mehr erinnern, möchte jedoch bemerken, daß ich entgegen dem Vermerk in dem einen Fernschreiben sehr wohl besondere Fürsorgemaßnahmen im Lager Gneisenaustraße vornehmen lassen mußte und habe vornehmen lassen.

Zeugenaussage vor dem Amtsgericht Frankfurtl Main, 6. Juni 1961 in der Strafsache gegen Adolf Eichmann. Quelle:
Institut für Zeitgeschichte München, Akz. 2904162.


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Re: Gedenkstätte Lidice
« Antwort #15 am: Sa, 14. Juli 2007, 17:20 »
In Frankfurt begann der Prozeß gegen Krumey und Hunsche

Im Gallushaus in Frankfurt am Main, in dem auch der Auschwitz-Prozeß stattfindet, begann am 27. April ein neues Verfahren gegen SS-Schergen. Angeklagt sind der ehemalige Stellvertreter Eichmanns in Ungarn, Hermann Krumey, und der damalige Regierungsrat im Amt IV des SS-Reichssicherheitshauptamtes, Otto Hunsche. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen „gemeinschaftlichen Mord in einer Vielzahl von Fällen" und „räuberische Erpressung" vor.

Hunsche und Krumey sind für die Deportation der ungarischen Juden nach Auschwitz verantwortlich.

Breiten Raum in den Gerichtsverhandlungen wird das makabre Tauschgeschäft „Blut gegen Ware" einnehmen. Eichmann hatte bekanntlich zunächst 100000 Juden die Auswanderung aus Ungarn gegen Zahlung von zwei Millionen Dollar in Aussicht gestellt. In die Verhandlungen waren Krumey und Hunsche eingeschaltet, die sich auf diese Weise gleichzeitig ein Alibi gegenüber den heranrückenden Alliierten zu verschaffen hofften. Später verlangte die SS für eine Million Juden 200 Tonnen Tee, 800 Tonnen Kaffee, 2 Millionen Stück Seife und 10 000 Lastkraftwagen. Während kleinere Gruppen von Juden durch derartige Leistungen gerettet werden konnten, wurde die Deportation der überwiegenden Mehrheit forciert.
(die tat, 2.5.1964)


Eichmann-Helfer leugnen vor Gericht jede Schuld
Wie die SS-Schergen von Auschwitz wollen auch Hunsche und Krumey nichts mit den Mordaktionen zu tun gehabt haben. Feige lehnen sie jede Verantwortung für das, was damals unter ihrer aktivsten Mitwirkung geschah, ab.Der ehemalige Regierungsrat im Reichssicherheitshauptamt der SS, Hunsche, beschwerte sich, darüber, daß ihm nicht genügend Zeit zum Studium der Beschuldigungen gelassen worden sei, worauf der Gerichtsvorsitzende fragte, ob denn die vergangenen zehn Monate nicht für dieses Studium ausgereicht hätten. „Mein Leben ist zugrunde gerichtet", jammerte der Angeklagte, der seinerzeit keine Skrupel hatte, Hunderttausende Menschen der Vernichtung preiszugeben.

Krumey benimmt sich nicht weniger widerlich. Mitieidheischend brach der ehemalige SS-Obersturmbannführer am zweiten Verhandlungstag immer wieder in Tränen aus, wobei er weiszumachen versuchte, er sei schon im Juni 1944 als Stellvertreter Eichmanns in Ungarn entlassen und „über Nacht" nach Wien versetzt worden. Auf die Frage, wieso er einen verantwortlichen Posten bei der Wiener Außenstelle des „Sonderkommandos Eichmann" bekommen habe, wenn er doch, wie er behaupte, angeblich nicht tragbar gewesen sei, blieb Krumey allerdings die Antwort schuldig. Als Abgeordneter des BHE im Korbacher Kreistag, dem er trotz seiner Vergangenheit mehrere Jahre angehörte, trat Krumey wesentlich forscher auf. Die Korbacher erinnern sich an zündende Ansprachen des ehemaligen SS-Führers, in denen allerdings nie von der Schuld der Nazis die Rede war, dafür um so mehr von dem „Unrecht, das den Deutschen zugefügt wurde".
(die tat, 9.5.1964)


Kritische Bemerkungen zu einem Prozeß
Krumey und Hunsche schufen durch ihre Tätigkeit einen großen Teil der Voraussetzungen für all das, was sich mit dem Namen Auschwitz verbindet Sie saßen an den Druckknöpfen des gewaltigen Vernichtungsapparates und stellten vom Schreibtisch aus die Weichen für die Todestransporte. Mit ihnen sitzt die Mordmaschinerie des Nazistaates auf der Anklagebank. Der Prozeß gegen sie bietet somit Gelegenheit, in die verborgenen Kammern dieser Maschinerie zu leuchten und den politischen und „ideologischen" Hintergrund der geschichtlich einmaligen Menschenschlächterei deutlich zu machen - der Nachwelt zur ewigen Mahnung.

Der bisherige Verhandlungsverlauf hat leider gezeigt, daß das Gericht diese Gelegenheit nicht wahrzunehmen gedenkt. Der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Schmidt, wurde deshalb schon heftig kritisiert. Der kürzlich verstorbene Joel Brand warf ihm vor, den Prozeß bewußt so zu führen, „daß vieles für die Dokumentation und die Zeitgeschichte verloren geht". Auch der ehemalige Ankläger im Nürnberger Prozeß, Kempner, bezeichnete den Prozeß als höchst unbefriedigend. Verschiedene Zeitungen schlossen sich der Kritik an, so daß der Vorsitzende sich schließlich genötigt sah, in einer Erklärung, die im Gerichtssaal verlesen wurde, zu den Angriffen Stellung zu nehmen. Das ist ein einmaliger Vorgang. Aber Schmidt ließ die Kritik an sich abgleiten. Das Gericht sei nicht berufen, Geschichtsforschung zu betreiben, erwiderte er, sondern könne nur die strafrechtliche Schuld der Angeklagten feststellen.

Die strafrechtliche Schuld läßt sich im vorliegenden Fall aber nur dann restlos aufhellen, wenn die geschichtlichen Hintergründe in Betracht gezogen werden. Hier gilt dasselbe wie im AuschwitzProzeß.

Leider hat die Staatsanwaltschaft im Krumey-Hunsche-Verfahren von sich aus bisher wenig dazu beigetragen, die Unlust bei der Behandlung der Hintergründe zu überwinden. Ihre Aufgabe wäre es, durch Benennung entsprechender Sachverständiger die Lücke zu schließen. Offenbar mangelt es auf seiten des Gerichts und auf seiten der Staatsanwaltschaft an der Bereitschaft, ein umfassendes Bild über den Ungarn-Komplex zu vermitteln.

Dabei spielt möglicherweise auch mangelnde Sachkenntnis eine Rolle. Nur so läßt sich erklären, daß beispielsweise der ehemalige Reichsbevollmächtigte Hitlers in Budapest, Veesenmayer, als Zeuge frech behaupten konnte, er wisse nicht mehr, weshalb er in Nürnberg verurteilt wurde. Weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft sahen sich in der Lage, der „Vergeßlichkeit" des Zeugen nachzuhelfen.
Im Gegensatz zur nachsichtigen Behandlung der Zeugen, die damals in die Verbrechen verstrickt waren, werden die überlebenden Opfer oft hart und rüde angefaßt. Die Frau Joel Brands fragte als Zeugin empört, ob sie etwa die Angeklagte sei.Von seiten der Staatsanwaltschaft werden diese Zeugen nicht genügend in Schutz genommen. (die tat, 72.9.7964)


Lebensfang Zuchthaus im Krumey-Prozeß gefordert
Im Schwurgerichtsprozeß gegen die Mitarbeiter Adolf Eichmanns in Budapest, Hermann Krumey und Otto Hunsche, hat Oberstaatsanwalt Großmann die Strafanträge gestellt. Er beantragte für beide lebenslange Zuchthausstrafen. Der Anklagevertreter erklärte, der frühere SS-Obersturmführer Krumey aus Korbach in Hessen und der ehemalige Regierungsrat im Reichssicherheitshauptamt Hunsche aus Datteln in Westfalen seien   i der Mittäterschaft beim Massenmord an mindestens 300000 ungarischen Juden überführt. Ein   i Befehlsnotstand habe nicht vorgelegen. Bei beiden Angeklagten seien „selbständige Entscheidungen möglich, ja die Regel" gewesen.
(die tat, 2.7.7965)


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Re: Gedenkstätte Lidice
« Antwort #16 am: Sa, 14. Juli 2007, 17:32 »
Der Richterspruch - ein Hohn
„Dem Wort Stellvertreter wird eine zu große Bedeutung beigemessen. Es muß nicht alles durch Krumeys Hände gegangen sein. Er muß nicht in   i der Zentrale den Schalthebel bedient haben, im Gegenteil..." So trägt Landgerichtsdirektor Arnold Schmidt mit monotoner Stimme die Begründung des Urteils gegen die Eichmann-Mitarbeiter Krumey und Hunsche vor.

Die Pressetribüne im Frankfurter Haus Gallus hat sich wieder weitgehend gelichtet. Bei der Urteilsverkündung war sie noch vollbesetzt. Fassungslos hatten die Kollegen das Urteil mitgeschrieben: „Fünf Jahre Zuchthaus für Krumey wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300 000 Fällen, Anrechnung der fünfjährigen Untersuchungshaft auf das Strafmaß, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für vier Jahre, Freispruch vom Vorwurf der räuberischen Erpressung, Aufhebung des Haftbefehls. Freispruch vom Vorwurf des Mordes und der räuberischen Erpressung für Hunsche,    Aufhebung des Haftbefehls, die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse."

„Ein Skandal" und „Das ist ja nicht zu fassen", stießen einige Journalisten, während sie noch mitschrieben, hervor. Entrüstung auch bei den Zuhörern der Verhandlung. Ein alter Frankfurter Sozialdemokrat sagte mir, noch ganz unter dem Eindruck der Urteilsverkündung: „Ich bin als SPDMann und Naziverfolgter über das milde Urteil erschüttert. Ich verstehe das ebenso wenig wie die beabsichtigte Verjährung der Naziverbrechen. Was soll nur das Ausland von uns denken?" Ein Schweizer Rechtsanwalt nannte das Urteil einen Hohn. „Bei uns in der Schweiz wird man das nicht verstehen."

Weitergeht es in der Urteilsbegründung. Schwurgerichtsvorsitzender Schmidt zählt gerade die „mildernden Umstände", die für Krumey sprächen, auf. Krumey sei „kein eifriger Helfer der Judenvernichtung" gewesen und habe„in seinem Gesamtverhalten noch menschliche Züge gezeigt." Gewiß, Krumey habe sich zwar „zu verwerflichen Handlungen hinreißen lassen", aber seine „innere Einstellung zur Judenvernichtung" habe sich „schon damals gewandelt".

Hunsches Freispruch begründete der Vorsitzende mit „soviel Unklarheiten, Ungereimtheiten, Widersprüchen", mit denen dem Angeklagten ein Tatbeitrag zum Mord nicht nachgewiesen werden könne. Überdies bestünden „erhebliche Bedenken an seinem Wissen und seiner Kenntnis von der Judenvernichtung".

Die Kollegen links und rechts neben mir trauen ihren Ohren nicht. Da haben sie nun neun Monate lang den Prozeß verfolgt, und es gibt für sie wie für die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger nicht den geringsten Zweifel an der Mittäterschaft der beiden Angeklagten an der Deportation von über 400000 ungarischen Juden nach Auschwitz, von denen nur knapp zehn Prozent überlebten. Und nun dieses Urteil!
(die tat, 13.2.1965)


Krumey auf freiem Fuß
Der ehemalige SS-Obersturmbannführer und Eichmann-Gehilfe Hermann Krumey, der wegen Beihilfe zum Mord in 300000 Fällen durch seine Beteiligung an der Deportation der ungarischen  Juden zu nur 5 Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, ist nunmehr auf freien Fuß gesetzt worden. (die tat, 13.2.1965)

Urteil gegen Krumey aufgehoben
Der Zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofs  hat am Mittwoch die Urteile des Schwurgerichts Frankfurt gegen die früheren SS-Offiziere Krumey und Hunsche auf Antrag der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger aufgehoben. Das Frankfurter Gericht wird erneut die Hauptverhandlung eröffnen müssen.
(Frankfurter Rundschau, 23.3.1967)

Krumey zum zweiten Male vor Gericht
Über ein NS-Verbrechen wird seit Dienstag vor dem Frankfurter Schwurgericht zum dritten Male verhandelt. Angeklagt sind zwei Mitarbeiter Adolf Eichmanns, Hermann Krumey (63) und Otto Hunsche (56). Wieder geht es um die Deportation und Ermordung von mehr als 400000 ungarischen Juden.

Hermann Krumey, der Stellvertreter Eichmanns in Budapest, befindet sich nicht in Haft. Die Drogerie im Nordhessischen, die er sich nach dem Krieg aufbaute, wird von Frau und Tochter geführt. Er selbst ist Handelsvertreter für Arzneimittel.

Bis 1938 (da war er 33 Jahre alt) war dieser Mann nicht aus seinem kleinen Heimatort MährischSchönberg in der Tschechoslowakei herausgekommen. Heute ist sein Name zusammen mit dem Hunsches fast zum Inbegriff einer weltweiten Diskussion über die Frage geworden, wie ein auf Einzeltaten ausgerichtetes Strafrecht mit dem „Massenmord aus der Distanz des Schreibtisches" fertig werden soll.
(Die Welt, 12.6.1968)


Den Namen Auschwitz auf eine Karte gekratzt
Im Frankfurter Judenmordprozeß gegen die ehemaligen Eichmann-Mitarbeiter Otto Hunsche und Hermann Krumey hat ein Zeuge gestern die beiden Angeklagten belastet. Die Beschuldigten gehörten zu dem Sonderkommando Eichmanns, das im Frühjahr 1944 mit Hilfe der ungarischen Behörden innerhalb weniger Wochen über vierhunderttausend ungarische Juden in die Gaskammern von Auschwitz verschleppte. Sie bestreiten beide eine Beteiligung an diesem Massenmord.

Krumey vergleicht seine Arbeit in Ungarn mit der eines fünften Rades am Wagen. Nach Ausführungen des heute in Israel lebenden 68 Jahre alten Hofrats Philipp Freudinger, der damals in Budapest dem Judenrat angehörte, war der SS-Obersturmbannführer Krumey jedoch für die Juden„die höchste Instanz". Die ungarischen Juden erkannten damals noch nicht in Eichmann, der sich in der Öffentlichkeit kaum zeigte, den Hauptverantwortlichen für die Verschleppung. Es sei Krumey gewesen, der zusammen mit dem SS-Sturmbannführer Wisliceny die Juden belogen habe, sie kämen nur zum Arbeitseinsatz. Dabei soll Krumey dem Zeugen eines Tages selbst indirekt eingestanden haben, daß die Juden nach Auschwitz verschleppt würden.

Der Zeuge bezeichnete Krumey als den Mann,der vom Judenrat viereinhalb Millionen Pengö in Empfang genommen habe. Sie galten als erste   Rate zum Freikauf der ungarischen Juden. Insgesamt hätten nach dem Vorschlag Wislicenys, den Himmler jedoch nie akzeptiert habe, die ungarischen Juden für einen Betrag von zwei bis drei Millionen Dollar losgekauft werden können. Nachdem Krumey die erste Rate in Empfang genommen habe, habe sich das Sonderkommando Eichmanns nie mehr zu diesem Freikauf dem Judenrat gegenüber geäußert. Das Geld habe jedoch keinem Juden das Leben gerettet, denn „auf Grund dieser Zahlung erfolgte nichts". Er habe, sagte der Zeuge, auch Krumey vergeblich gebeten, für diese Summe wenigstens 600 Kinder, die wegen der Besetzung Ungarns durch die Deutschen im März 1944 nicht mehr wie geplant nach Palästina ausreisen konnten, jetzt doch noch ziehen zu lassen.

„Die ungarischen Behörden hielten auf Befehl der Deutschen die Fiktion aufrecht, die Juden würden nur ausgesiedelt und es passiere ihnen nichts." Als am 15. Mai jedoch mit der Deportierung der ersten dreihunderttausend Juden begonnen worden sei, habe Krumey immer noch behauptet, sie müßten in Deutschland nur arbeiten. Des Zeugen Frage, warum denn auch Greise und Kinder deportiert würden, habe Krumey mit der Lüge beantwortet, die Deutschen hätten gelernt, daß man Familien nicht zerreißen dürfe, wenn man „anständige Arbeit haben will". Sie würderi nach Waldsee in Thüringen gebracht. Als Krumey nach einigen Wochen unter den Juden einige hundert Karten von bereits verschleppten Familienmitgliedern verteilen ließ, entdeckte Freudinger auf einer Karte das eingekratzte Wort Auschwitz. Die Karten sollten angeblich aus Waldsee stammen.

„Ich sagte daraufhin zu Krumey: Sie sind doch in Auschwitz und er antwortete: Freudinger, ich kenne Sie doch als gescheiten Menschen, Sie müssen nicht alles bemerken.
(Frankfurter (Frankfurler Allgemeine Zeitung, 21.7.1969)


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Re: Gedenkstätte Lidice
« Antwort #17 am: Sa, 14. Juli 2007, 17:36 »
Hunsche und Krumey durch EichmannProtokolle belastet
Als rührige Helfer des mit der „Endlösung der Judenfrage" beauftragten Adolf Eichmann erschienen die beiden Angeklagten in den am Dienstag vor dem Schwurgericht verlesenen Protokollen von der Vernehmung Eichmanns in Israel. Die Angeklagten sagten zu den sie belastenden Aussagen ihres ehemaligen Chefs, sie seien nur Befehlsempfänger gewesen und hätten nichts von dem Ausmaß der Judenvernichtung gewußt.

Als der Vorsitzende Krumey vorhielt, nach den verlesenen Dokumenten könne man ihn schon eher als einen „guten Manager der Macht" bezeichnen, sagte der Angeklagte: „Ich war eben ein Deutscher, ich habe vieles als Notwendigkeit angesehen, und ich war natürlich immergehorsam. Das hat man uns ja eingebleut - Befehlen immer zu gehorchen."
(Frankfurter Rundschau, 9. April 1969)


Lebenslanges Zuchthaus für Krumey
Nach über fünfzehnmonatiger Verhandlungsdauer hat das Frankfurter Schwurgericht am Freitag das Urteil gegen die ehemaligen Eichmann-Mitarbeiter Otto Hunsche aus Datteln in Westfalen und Hermann Krumey aus Korbach in Hessen gefällt. Der ehemalige SS-Hauptsturmführer und Regierungsrat aus dem Judenreferat Eichmanns, der 58 Jahre alte Rechtsanwalt Hunsche, wurde der Beihilfe zum Massenmord und der Freiheitsberaubung im Amt mit Todesfolge für schuldig befunden und zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt. Bei dem 64 Jahre alten ehemaligen SS-Obersturmbannführer und heutigen Drogisten Krumey lautete der Schuldspruch auf Mittäterschaft bei Mord und der Freiheitsberaubung im Amt mit Todesfolge. Krumey wurde zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Das Gericht stellte fest, daß Krumey in Budapest der Stellvertreter Eichmanns war und aus Rassenhaß mithalf, mindestens dreihunderttausend ungarische Juden nach Auschwitz in den Tod zu schicken.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.8.1969)


Revision verworfen
Den Revisionsantrag des Eichmann-Stellvertreters Krumey gegen das Urteil des Frankfurter Schwurgerichts hat der Bundesgerichtshof verworfen. Damit wird das Urteil, bei dem der ehemalige SSObersturmbannführer Krumey wegen Mittäterschaft zum Massenmord und Freiheitsberaubung im Amt mitTodesfolge zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wurde, rechtskräftig. (AP) (Süddeutsche Zeitung, 22.2.1973)

Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gegen Hermann Krumey wurde im April wegen lebensbedrohlichen Krankheitszustandes unterbrochen. Am 27. 11. 1981 ist Krumey verstorben. (Auskünfte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt/Main)

Quelle-Lidice (U.Naumann,1983)

Gruß
Josef

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Re: Gedenkstätte Lidice
« Antwort #18 am: Mo, 16. Juli 2007, 17:18 »
Krumey Hermann
Veranlasste “Sonderbehandlung”für die Kinder von Lidice.

Heute:
Nach skandalösem Urteil in Frankfurt  a.Main wieder Inhaber einer mit staatlichen Krediten eingerichteten Drogerie in Korbach/Hessen.
Hermann Krumey brachte es bis zum SS-Obersturmbannführer im Reichssicherheitshauptamt. Unmittelbar nach dem Überfall der Hitlerfaschisten auf Polen, im November 1939, wurde ihm die Leitung der „Umwanderungszentrale, Zweigstelle Lodz", übertragen. Krumey organisierte die zwangsweise Aussiedlung und Vernichtung von 12000 jüdischen Menschen allein aus diesem Gebiet. Im Sommer 1942 veranlaßte er die Einweisung von 88 nach Lodz verschleppten Kindern aus Lidice in ein Konzentrationslager; hier wurden sie ermordet.

Im März 1944 beauftragte ihn Eichmann mit der Deportation aller in Ungarn lebenden Juden. In enger Zusammenarbeit mit dem juristischen Berater Eichmanns im Amt IV des RSHA, Otto Hunsche, organisierte Krumey den Transport von 400000 Männern, Frauen und Kindern in die Vernichtungslager. In Auschwitz wurden innerhalb weniger Monate 300 000 dieser unglücklichen Menschen ermordet.

Krumey war der Initiator des Tauschgeschäftes „Blut gegen Ware"; er bot dem Mittelsmann Joel Brand das Leben von einer Million Juden gegen die Lieferung von 10 000 Lastwagen aus dem Ausland an. Krumey drängte auf die Beschleunigung der Verhandlungen mit dem Argument: „Jeder Tag kostet 12000 Menschenleben!"
Diese und andere Tatsachen waren dem Frankfurter Schwurgericht bekannt, als es im Februar 1965 nach neunmonatiger Verhandlung das Urteil verkündete. Krumey wurde zu einer fünfjährigen Zuchthausstrafe verurteilt, die sich mit der bis dahin abgesessenen Untersuchungshaft von vier Jahren, neun Monaten fast deckte und demzufolge einem Freispruch gleichkam.

Als Krumey festgenommen wurde, lebte er nicht nur als biederer Geschäftsmann, sondern gehörte auch als Abgeordneter der BHE dem Kreistag in Korbach an.

Quelle-Kriegs-und Naziverbrecher in der Bundesrepublik u.in Westberlin (Berlin 1968)

Gruß
Josef

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Re: Harald Wiesmann im Verhör 1947
« Antwort #19 am: Mo, 16. Juli 2007, 17:23 »
Aus den Prozeßakten zur Verfügung gestellt von der Regierungskommission zur Erforschung von Nazi-Verbrechen in der CSSR; übersetzt vom Tschechoslowakischen Verband der Antifaschistischen Kämpfer.
Harald Wiesmann-geboren am 22. 4. 1909. Vor 1945 SS-Haupsturmführer und Kriminalrat Gestapo-Chef von Karlsbad und Kladno. Nach einem Prozeß in Prag 1947 zum Tode verurteilt und im Staatsgefängnis 1947 gehenkt.

Wiesmann:
Ich habe erst am 9. Juni 1942 zum ersten Mal etwas über Lidice zu Ohren bekommen, und zwar aus einem Telephongespräch mit dem Kommandanten der Sicherheitspolizei für Böhmen und Mähren in Prag, Böhme. Er telephonierte mir, daß er mit Dr. Geschke, dem Kommandanten der staatlichen Polizeiamtsstelle in Prag, nach Kladno kommen werde, daß man in unserem Kreis eine Aktion durchführen werde, aber daß er telephonisch keine näheren Angaben durchgeben könne. Das war gegen Mittag. Gegen 15 Uhr kam er dann tatsächlich nach Kladno, und zwar in Begleitung von Dr. Geschke und irgendeines Adjutanten oder Beamten.

Der Vorsitzende:

Als er telephonierte, sagte er Ihnen nicht, von wo er telephoniere? Wiesmann:
Er sagte, er käme von Frank, aber ich kann nicht sagen, ob er von Frank oder von seinem eigenen Büro telephonierte. In Kladno sagte er mir, daß Lidice auf Befehl Franks vernichtet werden müsse, weil Fallschirmspringer in diesem Dorf übernachtet hätten und ihnen die Bewohner Unterstützung haben zuteil kommen lassen. Ob dies dieselben Worte sind, die Böhme tatsächlich benützt hatte, kann ich nicht genau sagen, aber sinngemäß lauteten sie so. Dann erhielt ich den Befehl, Vorbereitungen für diese Aktion zu treffen. Ich selbst war über einen solchen Befehl und diese Maßnahmen sehr erstaunt, da ich niemals erwartet hätte, daß nur diese zufälligen Spuren, die bei uns in Kladno gemeldet wurden, unbedingt richtig seien. Mir war bekannt, daß sich hier ständig Agenten der Amtsstellen der Sicherheitspolizei herumtrieben, die man als Agenten-Provokateure bezeichnen kann, so daß sicher ist, daß diese Agenten die Aussagen der Verhafteten oder anderer Agenten überprüften. Laut Befehl benachrichtigte ich die Schutzpolizei, damit sie die Aktion unterstütze, und Böhme trat noch mit dem Bevollmächtigten des Befehlshabers der Wehrmacht in Verbindung, um von ihm auch Militäreinheiten zur Umzingelung zu bekommen, was ohne Empfehlung des Bevollmächtigten der Wehrmacht nicht möglich war. Diese Militäreinheiten kamen dann aus Slany, es waren etwa zwei Rotten, die die Einkreisung durchführten. Bei uns war ein Lastkraftwagen vorbereitet, mit Treibstoff beladen, und zwar mit 400 I Benzin und 120 I Petroleum.

Dann wurden Belege von irgendeiner landwirtschaftlichen Amtsstelle beschafft, aus denen hervorging, wieviel Vieh und Getreide es in Lidice überhaupt gab. Der Leiter der landwirtschaftlichen Amtsstelle wurde verständigt, an dieser Aktion teilzunehmen, um nämlich das Vieh und die übrigen Bodenerzeugnisse aus der Gemeinde Lidice zu übernehmen. Dann wurde die Protektoratsgendarmerie benachrichtigt, und zwar Oberstleutnant Vit von der Abteilung Kladno, der informiert wurde, daß in Lidice eine gewisse Aktion durchgeführt werden wird. Was in Lidice geschehen sollte, wurde Vit vorerst nicht gesagt, sondern erst später. Böhme telephonierte an diesem Nachmittag nochmals mit Prag, unter anderem auch mit der Amtsstelle Franks. Mit wem er dort sprach, weiß ich nicht. Er telephonierte auch mit der Schutzpolizei und mit der Wehrmacht. An diesem Nachmittag wurde eine große Anzahl von Telephongesprächen geführt, aber an ein Gespräch erinnere ich mich noch ganz gut, weil Böhme ungeduldig wurde, da die Verbindung zu lange dauerte. Das war das Telephongespräch mit dem damaligen Gruppenführer Frank persönlich. Dieses Gespräch wurde etwa zwischen 17 und 18 Uhr geführt, aber es kann sein, daß es etwas später war. Jetzt kann ich mich an die genaue Zeit nicht erinnern. Das Zustandekommen dieses Gespräches dauerte etwa 10 bis 15 Minuten, und Böhme war nach 10 bis 15 Minuten sehr ungeduldig und befahl, die Verbindungsdienststelle anzurufen. Es handelte sich um die Verbindungszentrale beim Oberlandrat. Böhme schrie, daß er die Fernsprechbeamtin einsperren lasse, falls die Verbindung nicht sofort zustande käme. Es sei ihm egal, ob jemand anderer telephoniere, wenn er ein Blitzgespräch mit Frank angemeldet hatte. Dann kam diese Verbindung tatsächlich zustande, ohne Rücksicht auf andere Gespräche. Etwa nach 20 Minuten sprach also Böhme tatsächlich mit Frank. Ich weiß bestimmt, daß er mit Frank sprach, weil meine Vermittlungsstelle mir sagte, daß das
Gespräch mit Frank endlich da sei. Ich selbst war während dieses ganzen Gesprächs abwesend, ich kam gegen Ende des Gesprächs ins Büro,um Böhme irgendetwas zu melden.Als ich eintrat,gab mir Böhme zu verstehen,still zu sein,da er abhöre.Dann hörte ich seine Worte:“Jawohl,Gruppenführer,es wird alles so ausgeführt, wie besprochen". Nach diesem Gespräch machte ich Böhme meine Meldung, und dann führte ich weitere Weisungen durch, an die ich mich nicht mehr erinnere. Etwa gegen 19 oder 20 Uhr kamen Offiziere der Schutzpolizei und der Wehrmacht, um von Böhme Befehle entgegenzunehmen, was sie eigentlich ausführen sollten. Gleichzeitig wurde der SD-Kommandant benachrichtigt, daß Böhme auf Befehl des Gruppenführers Frank, der auf Befehl des Führers handle, das Dorf Lidice vernichten solle. Die Schutzpolizei und die Wehrmacht hätten laut Befehl zu helfen und alle Befehle Böhmes auszuführen.

Der Vorsitzende:
Wurde gesagt, was mit der Bevölkerung geschehen solle?

Wiesmann:
Die Bevölkerung sollte erschossen und das Dorf dem Erdboden gleichgemacht werden. Ich habe noch vergessen zu sagen, daß vor dem Gespräch, das Böhme mit Frank führte, es noch zu einem kleinen Konflikt zwischen mir und Böhme kam, weil ich selbst von der absoluten Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht überzeugt war. Böhme sagte nämlich, daß die Einwohner erschossen würden. Darauf fragte ich: „Auch Frauen und Kinder?" Da fuhr Böhme auf und sagte mir: „Sie stellen Fragen wie irgendein Anfänger." Dann kam es zu jenem Telephongespräch. Bei der Beratung mit der Sicherheitspolizei und der Wehrmacht sagte Böhme, daß männliche Personen zwischen 16 und 60 Jahren erschossen und die Frauen in ein Konzentrationslager transportiert werden sollen. Was mit den Kindern geschehen soll, wurde bei dieser Gelegenheit nicht gesagt.

Der Vorsitzende:
Ihr habt auch ältere Leute erschossen, wie zum Beispiel den Pfarrer, der älter als 60 Jahre war, und einen Rentner, der im Jahre 1852 geboren wurde?

Wiesmann:
Das ist möglich, weil Böhme auf Grund des Bewohnerverzeichnisses von Lidice diejenigen Personen suchte, die nicht erschossen werden sollten, und zwar wurden sie, sofern ich mich erinnere, von einem Beamten meiner Kanzlei verlesen.

Der Vorsitzende:
Aber es wurden doch alle erschossen! Wieso? Wiesmann:
Das gebe ich zu, aber Böhme ging wohl über diesen Befehl hinaus. Ob ihm diese Sechzigjährigen vorgeschrieben wurden, weiß ich nicht, er selbst suchte diejenigen Personen aus, die nicht erschossen werden sollten.


 


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