Hier einen kurzen Bericht von V.Vialli über das Stalag XI B Fallingbostel:
Die geschmuggelte Kamera
Fotobericht aus einem deutschen Kriegsgefangenenlager 1943-1945
von Vittorio Vialli
Akten und historische Dokumente können die Wirklichkeit verzerren und Erinnerungen können sich verwischen; an der kalten Schärfe einer fotografischen Dokumentation über den Alltag von Lager und Gefangenschaft kann man dagegen nicht vorbeisehen. Hierüber gibt es ein einzigartiges Dokument, das Erinnerungsbuch von Vittorio Vialli: Ho scelto la prigionia - Ich habe mich für die Gefangenschaft entschieden. Vialli, der als Marineoffizier in Korinth stationiert war, ist es gelungen, seine Kamera und eine gewisse Anzahl von Filmen durch sämtliche Leibesvisitationen und Kontrollen zu retten. Er hat alle Stationen der Gefangenschaft vom Waffenstillstand bis zur Befreiung fotografisch festgehalten. In einem Brotsack versteckt, hat er seine Kamera bei allen Gelegenheiten herausgeholt und hinter dem Mantelaufschlag Hunderte von heimlichen Aufnahmen gemacht: Bei der Verhaftung, beim Transport im Güterwagen, auf dem Appellplatz, in den Baracken, am Stacheldraht, in der Lagerküche, auf den Abortgruben, im Krankenrevier, bei Ansprachen von Abgesandten der Mussolini-Regierung, von Wachmännern, beim Strafsport, beim Basteln an heimlichen Radios, beim Fotografieren für die Lagerkartei, beim Haarschneiden und bei der Sonntagsmesse, vom Lagerkommandanten und Lagerstrafen, vom »Scheißkommando« beim Latrinenleeren, von Offizieren, die die Küchenabfälle durchwühlen auf der Suche nach Eßbarem, von Kameraden, die am Zaun erschossen worden sind, und von ihren Mördern, von den »fliegenden Festungen«, die im Bombenanflug auf deutsche Städte das Lager überflogen, von den letzten Evakuierungsmärschen und deutschen Flüchtlingskolonnen, von dem ersten englischen Panzer, der in Fallingbostel durch das Lagertor fuhr, von der Gefangennahme der deutschen Wachmannschaften und der Rückkehr in die Heimat.
Die meisten dieser Aufnahmen sind unter Lebensgefahr zustande gekommen. Eine einzige ist verwackelt in der Aufregung des Augenblicks: Die Ankunft der englischen Panzer in Fallingbostel am 16. April 1945 um 10.30 Uhr. Vialli hat seine Aufnahmen erst Jahre nach der Befreiung veröffentlicht. Die Bilder sind in Italien oft nachgedruckt worden, wobei die dramatischen Umstände ihres Zustandekommens meist unterschlagen worden sind. In der zweiten Auflage seines Werks sind 129 Aufnahmen abgedruckt. Vialli beschränkt sich darauf, die Bilder mit knappen Erläuterungen zu kommentieren. Das Risiko, das er bei diesen Aufnahmen eingegangen war, erwähnt er nur am Rande. Man muß aber bedenken, daß bereits das Führen eines Tagebuchs in der Gefangenschaft streng verboten war und als »Sabotage« und versuchte »Feindbegünstigung« hätte bestraft werden können. Wäre die Kamera entdeckt worden, so hätte Vialli das kaum überlebt.
Quelle:Ausländische Arbeiter u.Deutsche 1939-1945
hier gibts es auch was dazu:
Stalag XI Bmfg
Josef
