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Der dritte Teil der Ausbildung in Wustrow befasste sich mit allen zum Entdecken und Anvisieren der Ziele notwendigen Aufgaben und war in der 3. Lehrbatterie zusammengefasst. Dort trainierten die Soldaten zum Beispiel das Richten der Flakscheinwerfer und die Bedienung der Ringtrichterhörer, mit denen die Richtung der anfliegenden Maschinen ausgemacht wurde. Tests an neuen taktischen Waffen für die Luftabwehr wurden auch in enger Zusammenarbeit mit der Versuchstation Peenemünde auf der Insel Usedom durchgeführt. Im Rahmen der Truppenerprobung testete man zum Beispiel Feuerleitsysteme und später ein Radargerät, das damals als Flakmessgerät bezeichnet wurde.Gegenüber der Westseite Wustrows, bei Kollwitz auf der Insel Poel, befand sich dafür ein gesonderter Ausbildungsort. Dort wurden Soldaten mit dem Würzburg - Riesen vertraut gemacht, dem für die besonderen Zwecke der Flakartillerie die von der Firma Telefunken weiterentwickelten deutschen Radar. Briten und Deutsche hatten fast zeitgleich Radiowellen als Methode entdeckt, und die Positionen von einem anfliegenden Flugzeugen zu bestimmen. Die deutsche Entwicklung, das Würzburg - Gerät, vereinigte jedoch als erstes die Möglichkeit, die Seiten - und die Höhenpeilung von Flugzeugen genau zu bestimmen. Das <Würzburg> war über den gesamten Krieg hindurch das Standardgerät der Deutschen, um anfliegende Verbände genauer zu orten und die eigenen Jägerstaffeln und Flakbatterien zu leiten. Es galt als streng geheim. Unter keinen Umständen durfte es in feindliche Hände fallen, und jede Anlage war für den Notfall mit Sprengladungen ausgerüstet. Trotzdem gelang es 1942 einem britischen Sonderkommando, eines dieser Geräte in einem Handstreich an der französischen Kanalküste zu erbeuten. Kurz darauf fand das britische Militär einen Weg, die deutschen Geräte zu stören – mit von Flugzeugen abgeworfenen Stanniol – Streifen. Als die Briten die Luftherrschafft hatten, setzten sie Stanniol zum Verwirren des deutschen Radars ein, das erste Mal bei dem verheerenden Luftangriff auf Hamburg am 24. Juli 1943. Tausende Soldaten kamen zu Lehrgängen auf die Halbinsel und blieben je nach Dienstgrad und Aufgabenstellung zwischen einer und fünf Wochen. Einer der Ausbilder war auch der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt, der unter Anderem eine Schießanleitung für die kleinkalibrige Flak erstellt hatte. Schmidt hatte es während des Krieges schnell zum Offizier gebracht, er galt als korrekt und pflichtbewusst. Im Frühling 1943, damals war er Oberleutnant, diente Schmidt auf Wustrow. Allerdings nur für kurze Zeit, hatte er doch, weil er aus seiner kritischen Einstellung gegenüber den Nationalsozialisten keinen Hehl machte, einige Probleme. Zwei Vorgesetzte schützten ihn vor einer Anklage durch ständige Versetzung von einer Flaktruppe zur anderen. Eine Zeit lang war er als Zuhörer zum Volksgerichtshof abkommandiert worden, bis er seinen Vorgesetzten darum bat, davon entbunden zu werden. Er habe den Vorsitzendenrichter Roland Freisler als <<widerliches Schwein>> empfunden, schrieb Schmidt später in seinen Lebenserinnerungen. Endgültig unbeliebt machte er sich bei einer Flakschießübung 1945 auf, bei der er kritische Bemerkungen über Göring und allgemein über <<die Braunen>> machte. Der NS -Führungsoffizier des ihm übergeordneten Stabes, laut Schmidt der einzige Nazi, den er bewusst als solchen in der Wehrmacht erlebt habe, wollte ihn zur Rechenschaft ziehen. Nur der Schutz der beiden Generalobersten bewahrte ihn vor einer Verfolgung durch die Militärjustiz.
Nach und nach wurden auch die Wohnungen bezogen, die ersten am 1.6.1935 Gerlinde Thomas war ein Kind, als sie in eines dieser neuen Häuser zog, ihr Vater gehörte zu den ersten Flakoffizieren, die nach Wustrow versetzt wurden. Sie erinnert sich: „1935 sind wir von Berlin nach Wustrow gezogen, mitten aus dem Großstadtgewühl in Wilmersdorf auf die Insel. Als Vater uns vor dem Umzug Wustrow auf dem Atlas zeigte, jagte mir der Punkt im Meer einen Riesenschrecken ein. Ich dachte mir, kaum gehst Du aus dem Haus, schon fällst du in das Wasser. Ins Wasser sind wir nicht gefallen, das Jahr Wustrow war das schönste meiner Kindheit. Wir zogen in eines der neu erbauten Häuser in der Richthofenstraße. Es gab einen kleinen Komplex von vier Häusern um ein Rondel, alle hatten einen Balkon zur See. Ich nehme an dass wir die ersten Familien waren, die in diese Neubauten zogen, die dazugehörigen Gärten mussten wir im Frühjahr selbst anlegen. Mit unseren Versuchen, Wege zwischen den Beeten zu ziehen, hatten wir ahnungslosen Großstädter einige Lacheerfolge: ob wir Schützengräben ausheben wollten, wurden wir gefragt. Ein hilfreicher Rekrut, Gärtner von Beruf, hat uns dann geholfen. Unser Vater war als Flaksoffizier nach Wustrow versetzt worden. Im Haus neben uns wohnte der Kommandeur, ein Oberstleutnant. Die Halbinsel war zu jener Zeit nur sehr dünn besiedelt. Zwischen unseren Häusern und der See lag ein schmaler Ackerstreifen, der zu einem südlich gelegenen alten Bauernhof gehörte. Wenn wir über das Feld gingen, kamen wir an die Steilküste. Im Winter sind wir dort immer hinunter gerodelt. Da der Strand nicht sehr breit war, hatten wir immer Mühe, nicht mit dem Schlitten im Wasser zu landen. Das war das Hauptvergnügen dieser Rodelfahrten. Zwischen der Ostsee und dem Haff lag unsere neue Schule. Sie bestand aus zwei Klassen, in denen je vier Jahrgänge unterrichtet wurden. In dieser Schule sind wir von zwei Lehrern so gut unterrichtet worden, dass ich den Kindern meiner Klasse deutlich voraus war, als wir im Oktober 1936 nach Münster / Westfalen versetzt wurden. Als wir die Halbinsel nach fast 60 Jahren zum ersten Mal wieder besuchten, haben wir die Richthofenstraße und die Gärten nicht wiedergefunden. Vieles war fremd geworden, nicht aber der Blick auf das Meer, das Haff und der vertraute Anblick des Kirchturms und des Schmiedebergs. "