Autor Thema: Die Vertriebenen  (Gelesen 1541 mal)

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Offline zirkulon

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Die Vertriebenen
« am: Mo, 01. Oktober 2007, 10:12 »
Titel: Die Vertriebenen
Herausgeber: Hans Lemberg, K. Erik Franzen
Verlag: Propylaen
Erscheinungsdatum: 2001
Seitenzahl: 288
ISBN: 3 549 07135 3
Sonstiges:
Begleitbuch zur dreiteiligen Fernsehserie "Die Vertriebenen. Hitlers letzte Opfer", produziert von den ARD-Fernsehanstalten Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) und Norddeutscher Rundfunk (NDR).

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Michael
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Re: Die Vertriebenen
« Antwort #1 am: Mo, 01. Oktober 2007, 11:39 »
Auszug aus dem Buch:

Exkurs: Freie Stadt Danzig

Danzig befand sich seit Mitte des 15. Jahrhunderts unter polnischer Oberhoheit, erst im Zuge der Zweiten Polnischen Teilung von 1793 fiel es an Westpreußen. Dazu gehörte es - unterbrochen durch das Intermezzo der Jahre 1807 (Tilsiter Frieden) bis 1815 (Wiener Kongress) - 1918.
Am 15. November 1920 wurde Danzig zur "Freien Stadt" erklärt und unter den Schutz des Völkerbundes gestellt. Infolge von Artikel 13 des Versailler Vertrages war damit die Hafenstadt an der Ostsee mitsamt ihrem Umland aus dem Deutschen Reich ausgeschieden. Danzig gehörte zum polnischen Zollgebiet, der Hafen wurde jedoch von einem paritätisch zusammengesetzten Ausschuss verwaltet. Mit dieser und weiteren Kompromisslösungen wollten die Siegermächte sowohl polnische Ansprüche (Zugang zum Meer) als auch die Interessen der vorwiegend deutschsprachigen Einwohner berücksichtigen.

Das angespannte Verhältnis zu Polen und die Frage  der Wiedereingliederung Danzigs ins Deutsche Reich spielte eine zentrale Rolle in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, wenngleich erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Bedeutung des latenten Konflikts zunahm. Die NS-Propaganda in der als exemplarisches Objekt der "Heim-ins-Reich" Ideologie instrumentalisierten Stadt zeigt Erfolg: Bei den Wahlen vom Mai 1933 und vom April 1939 erreichte die NSDAP jeweils die absolute Mehrheit. Am 1. September 1939 hieß der neue oberste Machthaber auch in Danzig Adolf Hitler. Knapp sechs Jahre später von der Roten Armee erobert, wurde Danzig am 30. März 1945 polnischer Hoheit unterstellt.

Quelle: Die Vertriebenen

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Re: Die Vertriebenen
« Antwort #2 am: Mi, 03. Oktober 2007, 09:38 »
Ein weiterer Auszug:

Vertriebene heute
Die Frau, die mir gegenüber sitzt, zögert nicht lange. Rasch hat sie das hellgrüne amtlich Papier aus ihrem Portemonnaie hervorgeholt: ihren Vertriebenenausweis. Sie hat diesen Ausweis all die Jahre sehr sorgsam behandelt. Das 1961 vom Osnabrücker Amt für Flüchtlinge ausgestellte  Dokument sieht noch wie neu aus. Die Frau ist Mitte 1946 mit ihrer Mutter und Großmutter im Zuge der "organisierten" Aussiedlungen aus Waldenburg in Niederschlesien nach Niedersachsen gekommen. Von ihren Erlebnissen auf dem wochenlangen Transport hat sie bisher niemandem etwas erzählt. Sie hat im Westen geheiratet, zwei Töchter bekommen. Sind das auch Vertriebene, wie einige Landsmannschaften behaupten, die von einer Vererbbarkeit der Vertriebeneneigenschaft ausgehen?
Von Nemmersdorf erfuhr sie erst in den fünfziger Jahren. Der Ort in Ostpreußen markiert den Beginn der Flucht der Deutschen und wurde von den Nationalsozialisten zu einem Propagandafeldzug gegen die vorrückende Rote Armee benutzt. Mitte Oktober 1944 war die Rote Armee tief nach Ostpreußen eingedrungen, hatte auch Nemmersdorf erreicht. Nach der Rückeroberung des Ortes durch die Wehrmacht, zwei Tage später, verbreitete sich der inszenierte Aufschrei: "Rache für Nemmersdorf!". Für das, was hier am 21. Oktober geschah, gibt es keine Augenzeugen.  Aber diejenigen Soldaten, die mit ihrer Volkssturmkompanie, Hitlers letztem Aufgebot, in Nemmersdorf einrückten, stießen auf einen Ort des Grauens. Alle Frauen und Mädchen, ganz gleich welchen Alters, waren vergewaltigt und ermordet worden.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die deutsche Öffentlichkeit keine offiziellen Informationen über die Situation der Zivilbevölkerung an der Ostfront bekommen. Jetzt wendete sich das Blatt: Die nationalsozialistische Propaganda benutzt die Darstellung des Massakers als Waffe im Kampf um die Durchhaltekraft ihrer Bevölkerung. - Aber alle,die damals von Nemmersdorf hörten, wollten nicht kämpfen: Sie flohen.
Mai 1945. Rückkehrer finden sich nach der Kapitulation des Deutschen Reiches in ihren zuvor verlassenen Dörfern Ostpreußens wieder ein. Von der Konferenz in Jalta und der in Aussicht genommenen Westverschiebung Polens haben sie nichts gehört. Sie wollten einfach nach Hause. Noch drei Jahre leben Deutsche in Nemmersdorf, bis sie im April 1948 endgültig aus der Heimat ausgewiesen - vertrieben - wurden. Ihr Ort heißt jetzt Majakowskoje und gehört zur Sowjetunion.
Von den Untaten der Nationalsozialisten, den zahlreichen Umsiedlungen in Europa vor 1945 und den Zusammenhängen der Vertreibungen hat die Frau ebenfalls nichts gehört. Auch diese Ereignisse holen sie nur langsam ein. Stück für Stück musste die die heranwachsende Frau sich ihr Bild von der Vergangenheit nun neu zusammensetzen. In einer zunächst fremden, neuen Heimat. In dem Versuch, zu verstehen, während Vertriebenenverbände Rückkehr forderten.
Wo hatte alles begonnen? Die Suche nach dem Ursprung führt nur zu oft ins Leere. Es gibt keinen Erfinder der Vertreibung. Aber es gibt direkte Zusammenhänge zwischen der Vertreibungen von Polen und Deutschen in den Jahren von 1939 bis 1945.
Quelle: Die Vertriebenen

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Re: Die Vertriebenen
« Antwort #3 am: Mi, 03. Oktober 2007, 10:09 »
ein weiterer Auszug:

Exkurs: Schlesien

Schlesien wird wegen seiner geographischen Lage und der fehlenden naturräumlichen Einheit immer wieder als " Begegnung-bzw. Durchgangslandschaft " zwischen Nord und Süd, Ost und West charakterisiert. Bedeutung für die Geschichte des Landes hat aber in besonderem Maß die in staatlicher und nationaler Hinsicht das Land prägende Randlage.

Schlesien war seit dem 13. Jahrhundert kein politisch eigenständiges Gebiet, zudem hatte es zahlreiche Veränderungen seines Territoriums erfahren müssen. Zuvor immer wieder von Böhmen und Polen umkämpft, wurde Schlesien 1335 im Vertrag von Trentschin schließlich bis 1740 zu einem Bestandteil der böhmischen Länder und geriet zusammen mit diesen 1526 unter die Herrschaft der Habsburger. Nach dem Ersten Schlesischen Krieg 1742 wurde Schlesien bis auf einen kleinen Teil in den preußischen Staat integriert. Diese territoriale Vergrößerung bedeutete zugleich den Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht; der dadurch sich verstärkende preußisch-österreichische Dualismus wirkte bis ins 20. Jahrhundert.

1919 erfolgte die Trennung in zwei selbstständige Provinzen: Niederschlesien mit der Hauptstadt Breslau und Oberschlesien mit Oppeln. Oberschlesien sollte dem Versailler Vertrag entsprechend Polen zufallen. Nach erheblichen Protesten der deutschen Bevölkerung kam es 1921 zu einer Volksabstimmung. Obwohl sich 60% der Bevölkerung für den Verbleib bei Deutschland und 40% für die Eingliederung nach Polen entschieden, wurde Oberschlesien nach Anrufung des Völkerbundes 1922 geteilt. Westoberschlesien blieb bei Deutschland, Ostoberschlesien mit den wichtigsten Industriegebieten kam zu Polen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Bevölkerung in den niederschlesischen Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz fast rein deutschsprachig, in Oberschlesien (Regierungsbezirk Oppeln) sprach hingegen nur ein Drittel der Einwohner deutsch. Nach dem deutschen Angriff auf Polen im September 1939 wurden Schlesien die 1922 polnisch gewordenen Gebiete und weitere eroberte Regionen mit tschechischer und polnischer Bevölkerung eingegliedert. Etwa ein Jahr später teilte man Schlesien im Zuge einer Verwaltungsreform jedoch wieder in Nieder- (Regierungsbezirke Breslau und Liegnitz) und Oberschlesien (Regierungsbezirke Oppeln und Kattowitz). Von den knapp fünf Millionen Bewohnern Schlesiens lebten vor dem Gebietsveränderungen 1939 zwei Drittel in Niederschlesien und ein Drittel in Oberschlesien.

Durch das oberschlesische Industrierevier (Steinkohlenbergbau, Metallerzeugung und -verarbeitung, Textilindustrie), das im 19. Jahrhundert zur zweitgrößten deutschen Industrieregion nach dem Ruhrgebiet geworden war, betrug vor dem Zweiten Weltkrieg der Anteil Schlesiens an der gesamten industriellen Produktion in den Ostprovinzen zwei Drittel.
Quelle: Die Vertriebenen

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