Autor Thema: Hammerstein oder der Eigensinn  (Gelesen 1375 mal)

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Offline md11

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Hammerstein oder der Eigensinn
« am: So, 27. Januar 2008, 08:28 »
Titel:Hammerstein oder der Eigensinn
Herausgeber:Hans Magnus Enzenberger
Verlag:Suhrkamp,Frankfurt
Erscheinungsdatum:09.01.2008
Seitenzahl:375
ISBN:
Sonstiges:Preis:22,90 Euro

Hans Magnus Enzensberger (78) beschäftigt sich in seinem neuen Buch, das nächste Woche erscheint, mit einer historischen Figur: General Kurt von Hammerstein (1878-1943) war Chef der Reichswehr und erklärter Hitler-Gegner.

Eine Biographie? Ein Roman? Vielleicht ein Dokumentarroman? Auch nicht! Es fällt schwer, das jüngste Werk von Hans Magnus Enzensberger in eine literarische Kategorie einzuordnen. Womöglich können wir es als eine Art „Totenbuch" bezeichnen, dessen Entstehen eine jahrelange Recherche vorausging, ohne dass der Autor den Anspruch auf eine hundertprozentige Absicherung seiner Erkenntnisse erhebt. Enzensberger ist kein Historiker, kein Wissenschaftler. Aber er „wildert" mit Erfolg in einem Themenbereich, dem die Geschichtsforschung nach 1945 nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hat.

Es gibt nämlich bis heute keine Biographie über den General Kurt von Hammerstein-Equord, der in den Jahren 1930 bis 1934 an der Spitze der Reichswehr stand und als einer der ganz wenigen hohen Militärs ein entschiedener Gegner der Nazis war. Es ist dieser Charakter einer Ausnahmeerscheinung, der Enzensberger zur Beschäftigung mit der Persönlichkeit Hammersteins geführt hat. Entstanden ist ein Buch, das sich nicht an der Faktenhuberei orientiert, sondern das Kapitel einer der tragischsten und düstersten Epoche der jüngeren deutschen Geschichte aufblättert.

Ungelöste Fragen
Wie kam Hitler zur Macht? Warum hat sich die Reichswehr nicht gegen den Diktator gestellt? Warum haben fast alle Generäle vor ihm gekuscht und seinen mörderischen Krieg mitgemacht - bis auf die' wenigen Ausnahmen, die für das gescheiterte Attentat vom 20.Juli stehen? Das sind Fragen, die auch heute noch nicht eindeutig beantwortet werden können. Auch Enzensberger verlässt sich da nicht aufs Spekulieren, sondern sagt deutlich, wenn er nicht mehr weiter weiß: So oder so könnte es gewesen sein, genau kann man es aber nicht sagen.

„Angst ist keine Weltanschauung": Dieses überlieferte Wort Hammersteins hat Enzensberger seinem Buch vorangestellt. Er schildert den Chef der Heeresleitung aus den Zeugnissen seiner Kinder und ,-Freunde, belässt es aber dabei nicht, sondern fügt in posthumen „Totengesprächen" mit den damals agierenden Persönlichkeiten ein biographisches Mosaik zusammen, das uns den General plastisch vor Augen führt. Wir sehen einen hochkompetenten, aber ebenso höchst eigensinnigen Generalstäbler vor uns, dem im Privaten das Zivile näher ist als der militärische Konnex. Ein Mann, der seine sieben Kinder im republikanischen Freigeist aufwachsen lässt, es toleriert, dass zwei seiner Töchter unter größter persönlicher Gefährdung sich der Sache des Kommunismus verschreiben und zeitweise als Agenten arbeiten.

Die Verbindungen, die Hammerstein in seiner Position knüpft und die ihn bis nach Moskau und Tokio führen, gehen noch auf die frühen zwanziger Jahre zurück. Eindeutig gehörte Hammerstein zu jenen Militärs, die aus den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs auf eine enge Zusammenarbeit mit der Sowjetunion setzten. Enzensberger verfolgt all diese Linien, auch das erstaunliche Faible, das man in der Familie Hammerstein für das jüdische Element, also für die deutsch-jüdische Symbiose; empfand. Der brutale Antisemitismus, den Hitler schon in den zwanziger Jahre gepredigt hatte, musste Leute seiner Couleur anwidern. Leider war Hammerstein aber auch hierin eine Ausnahmeerscheinung. Den meisten hohen Offizieren war die „Judenfrage" kein Thema. Hammersteins Stunde schlägt Anfang 1933, als Hitler nach dem Amt des Reichskanzlers greift. Hammerstein wird beim Reichspräsidenten vorstellig, wird aber von Hindenburg gerüffelt, die Generalität solle sich aus der Politik heraushalten. Noch am 26. Januar 1933, vier Tage vor der „Machtergreifung", erklärt der alte Herr, „er dächte gar nicht daran, den österreichischen Gefreiten zum Wehrminister oder Reichskanzler zu machen". Der Historiker Gerhard Ritter hat in dem Zusammenhang aber auch darauf hingewiesen, dass Hammerstein trotz seines Protestes ., zu einem offenen Kampf, „einem Bürgerkrieg gegen die Hitler-Bewegung", nicht bereit war.

Hammerstein hat sich später mit Hitler getroffen, der sich bereit erklärte, Hammersteins Freund Kurt von Schleicher als Wehrminister in sein Kabinett aufzunehmen. Als er von Hindenburg zum Reichskanzler berufen wurde, ließ Hitler Hammerstein, „dessen Misstrauen und Abneigung er genau kannte" (Ritter), zunächst noch an der Spitze der Reichswehr. In dessen Dienstwohnung gab er kurz nach der Regierungsbildung einen Empfang für die Generalität, bei dem er mit Erfolg um die Sympathie der Militärs warb.

Hammerstein, dem Freunde wie Kritiker ein hohes Maß an Lässigkeit im Umgang mit dienstlichen Angelegenheiten attestieren, hat dann bald den Dienst quittiert und sich ins Privatleben zurückgezogen, dabei aber umsichtig seine Kontakte zum Widerstand gepflegt. Enzensberger leitet aus all dem das Fazit ab, „dass innerhalb der,Volksgemeinschaft' des Dritten Reiches eine verschwindend kleine, aber wachsame und ausdauernde Zivilgesellschaft mit eigenen Spielregeln existiert hat".

Seine Sicht auf die Person Hammerstein und seine Zeit eröffnet neue Perspektiven, gerade auch dann, wenn er sich dem noch wenig erforschten Bereich des kommunistischen Widerstands widmet. Für jeden, der sich für die Hintergründe von Hitlers Machtaufstieg interessiert, wird die Lektüre dieses Buchs einen Gewinn darstellen
Quelle:Erlanger Nachrichten 03.01.2008

mfg
Josef
« Letzte Änderung: Sa, 08. Januar 2011, 21:56 von md11 »

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Re:Hammerstein oder der Eigensinn
« Antwort #1 am: Sa, 08. Januar 2011, 21:57 »
Der rote General sollte Hitler aufhalten

Ein Artikel vom 27.11.2007:

Artikel Welt-Online

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Josef

 


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