Autor Thema: Die Eisenbahntruppe  (Gelesen 2668 mal)

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Die Eisenbahntruppe
« am: Sa, 03. April 2010, 19:51 »
DIE   EISENBAHNTRUPPE

Von   Oberleutnant   GUNTHER   BURSTYN

Mit großen Festlandskriegen ist die Bewegung ungeheurer Massen von Menschen, Tieren und Material verbunden. Während man aber hiezu bis vor etwa einem Menschenalter nur auf die Straße und manchmal auch auf den Wasserweg angewiesen war, verfügen wir heute über ein großartiges Mittel zur raschen Bewältigung von Massentransporten die Eisenbahn.

Schon gelegentlich des Krieges zwischen den amerikanischen Nord- und Südstaaten spielten die Bahnen eine große Rolle; in Europa wurden sie das erstmals in großem Stile im Deutsch-Französischen Kriege ausgenützt. Die Deutschen verdanken auch den glänzenden Erfolg dieses Feldzuges nicht zum geringsten Teile der Geschicklichkeit mit der sie es verstanden, die Eisenbahnen zu verwerten. – Die Lehren dieses Krieges machten sich die Heeresverwaltungen aller Großmächte zunutze und wandten dem Kriegseisenbahnwesen  die größte Aufmerksamkeit zu. In diese Zeit fällt bei allen großen Armeen die Aufstellung eigener Eisenbahntruppen.

Die Eisenbahnen haben in einem Kriege nach Zeit und Raum zwei getrennte Aufgaben zu bewältigen.
Zunächst haben sie während der Mobilmachung die Soldaten des Reservestandes zu ihren Regimentern und an ihre sonstigen Verwendungsstellen zu bringen. Sind die Truppen auf ihren Kriegsstand ergänzt, so führen wieder viele Hunderte von Eisenbahnzügen die kriegsbereiten Truppen an die Grenze: es vollzieht sich der strategische Aufmarsch.
Es liegt auf der Hand, dass die Armee, die den Aufmarsch rascher bewirkt, dem langsameren Gegner überlegen ist. Die früher schlagfertige Armee kann den noch nicht kampfbereiten Feind überraschend angreifen,   in seiner Sammlung stören und auf diese Weise schon zu Beginn eines Krieges grosse Erfolge erringen. Jede neue Bahnlinie, die in den Aufmarschraum führt, erleichtert die Aufmarschbewegung bedeutend und erhöht die Möglichkeit, dem Gegner zuvorzukommen.
Es ist daher notwendig, dass die Heeresverwaltung schon im Frieden auf die Ausgestaltung der Eisenbahnen Einfluss nehme und unbedingt darauf hinarbeite ein überlegenes Eisenbahnnetz zu schaffen und zu erhalten. Da jede Erweiterung des Bahnnetzes den öffentlichen Interessen nützlich ist, sind alle Ausgaben für diesen Zweck auch produktiver Natur.

Ist der Aufmarsch der Armee vollzogen, so beginnen die Operationen gegen die feindlichen Kräfte. Nur durch ein angriffsweises Vorgehen kann der Gegner zum Kampfe gezwungen und eine positive Entscheidung herbeigeführt werden. Hiermit sind natürlich große Marschbewegungen verbunden, die um so grösser werden, je weiter der Gegner, mehr oder minder geschädigt,  zurückweicht. Die Armee muss dem weichenden Gegner rasch folgen, darf ihn nicht zur Ruhe kommen lassen,  muss ihn einholen und zu vernichten suchen.
An die Eisenbahnen tritt nun die Aufgabe heran, dem Heere alles das zuzuführen, was es benötigt, um stets schlagfertig zu bleiben. Eine im Feindesland operierende große Armee kann unmöglich von dem leben, was sie im Lande vorfindet. Der weitaus größte Bedarf an Verpflegung muss aus dem Mutterlande herangezogen werden; die Munition, ohne die eine Armee wehrlos wird, und von der die schnellfeuernden Waffen ungeheure Mengen verbrauchen, muss man zur Gänze aus der Heimat nachschaffen; Kranke und Verwundete sind zurückzuführen, Ergänzungen an Truppen, um die Lücken zu füllen, zur Armee zu befördern.
Wollte man für die Bewältigung dieser riesigen Transportmengen nur Fuhrwerke und Automobile verwenden, so würde die erforderliche Anzahl ins Unermessliche anwachsen. Die Leitung dieser ungeheuren Menge von Fahrzeugen wäre kaum durchführbar; die Strassen und Wege würden infolge der ausserordentlichen Beanspruchung in der kürzesten Zeit unbenützbar werden.

Man denke an das welterschütternde Drama, das sich vor 100 Jahren auf den Schneefeldern Russlands zugetragen hat. Obgleich die weitestgehenden, bis dahin noch nicht dagewesenen Vorsorgen für den Nachschub getroffen waren, gelang es selbst einem Napoleon nicht, mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln die Verpflegung zu sichern. Die Grande Armee wurde wohl weniger durch die Kälte als durch den Hunger vernichtet.

Solche riesige Transportmengen, wie sie bei grossen Armeen in Betracht kommen, können nur mit Hilfe von Eisenbahnen bewältigt werden;  der Schienenweg stellt den ernährenden Nerv dar, der die im Felde stehende Armee mit dem Mutterlande verlässlich verbindet. Die Heeresleitung muss daher alle Mittel aufbieten, um sich das feindliche Bahnnetz so bald als möglich nutzbar zu machen. Der zurückweichende Gegner, wird natürlich bestrebt sein, die von ihm geräumten Bahnlinien für die verfolgende Armee unbrauchbar zu machen, um auf diese Weise die Verfolgung des Angreifers zu verzögern. Hiezu wird er die Eisenbahnen an ihren empfindlichsten Stellen Brücken, Tunnels, Stationen zerstören und durch Festungen, die er an ihnen angelegt hat, sperren. Die verfolgende Armee muss nun solche Hindernisse des Verkehrs in der kürzesten Zeit wirkungslos machen Für die Ausführung aller hiebei notwendig werdenden Arbeiten und für die Aufnahme des Betriebes auf den okkupierten Bahnlinien ist die Eisenbahntruppe bestimmt.

Staaten, die gezwungen werden können, große Festlandskriege offensiv zu führen, brauchen zahlreiche Eisenbahntruppen, weil mehrere Eisenbahnlinien gleichzeitig wiederhergestellt werden müssen, um den Nachschub der im Felde stehenden Armee bewältigen zu können. – Dieses Bedürfnis besteht in bedeutend geringerem Ausmaße für Staaten, die sich fast ausschließlich auf ihre Kriegsflotte stützen, oder zu klein sind, um Kriege offensiv zu führen. Die ausserordentliche Vielseitigkeit und Schwierigkeit der Arbeiten, die den Eisenbahntruppen im Kriege zufallen, bedingt eine besonders sorgfältig durchdachte Organisation, Ausbildung und Ausrüstung.
Die wesentlichsten Aufgaben sind: Wiederherstellung von zerstörten Brücken, Viadukten, Stations- und Telegraphenanlagen; Trassierung und Neuherstellung von Bahnen zur Umgehung von Festungen und zerstörten Tunnels;  Aufnahme des Betriebes auf den besetzten Bahnlinien; Bau und Betrieb von Feldbahnen für Pferdezug und von solchen für Lokomotivbetrieb; endlich Zerstörung der Bahnen.

Alle technischen Arbeiten auf dem Gebiete des Kriegseisenbahnwesens unterscheiden sich von denen des Zivilingenieurs im Frieden darin, dass im Kriege jede Aufgabe mit den verfügbaren Mitteln in kürzester Zeit gelöst werden muss; dem Zivilingenieur steht hingegen die Wahl der Mittel frei und die Zeit spielt lange nicht jene Rolle wie im Kriege. Darin liegt auch für den Eisenbahnoffizier die Schwierigkeit seiner Arbeit und das Kriterium für seine Leistung.Die Vielseitigkeit des Dienstes erschwert die Ausbildung der Mannschaft und zwingt zur Spezialisierung.- So anstrengend und beschwerlich auch der Dienst für den Soldaten der Eisenbahntruppe ist, so interessant und lehrreich wird er aber für ihn.- Fast alle Professionisten finden Gelegenheit, sich in ihrem Gewerbe zu vervollkommnen; sie lernen flink und ausdauernd arbeiten und die Verwendung  der verschiedensten technischen Hilfsmittel. Viele Männer werden im Eisen-bahnbetriebsdienste und als Telegraphisten ausgebildet;  die Unteroffiziere werden geschult, kleine technische Arbeiten selbständig auszuführen. So lernt der Soldat vieles beim Regiment, was er im Zivil mit Vorteil verwenden kann, und mancher Reservist verdankt den guten Posten seines bürgerlichen Berufes seiner Dienstzeit im Eisenbahnregimente. Es ist daher nicht zu verwundern, dass der Andrang von Dreijährig-Freiwilligen ein sehr großer ist Die Tätigkeit der Eisenbahntruppe ist aber nicht nur auf die Verwendung im Kriege beschränkt.

Auch die den Menschen feindlich gesinnten Naturkräfte , verursachen oft Eisenbahnzerstörungen, insbesondere an unseren Alpenbahnen.- Durch die Betriebseinstellung von Hochwässern zerstörten Linien wird ein bedeutender Schaden am Nationalvermögen verursacht, der umso grösser wird, je länger die Unterbrechung des Verkehrs dauert. Sowohl die Eisenbahnverwaltungen, als auch die Bauunternehmungen sind unzureichend ausgerüstet und organisiert, um Zerstörungen rasch zu beheben. Es mangelt ihnen an vorbereitetem Material und es dauert längere Zeit, bis die große Zahl der nötigen Arbeiter zur Stelle ist. – Wiederholt wurden daher Eisenbahntruppen aufgeboten, um Zerstörungen an Bahnen zu beheben. So im Jahre 1896 bei Lambach, im Jahre 1903 an der Linie Tarvis-Pontafel und schließlich im Vorvorjahre gelegentlich einer großen Hoch-wasserkatastrophe in Salzburg und Tirol. Die Verwendung von Eisenbahntruppen, bei Eisenbahnzerstörungen ist wohl vor allem im öffentlichen Interesse gelegen, sie ist aber auch von ausserordentlichem Werte für die Ausbildung,  denn schwieriger können die Verhältnisse selbst im Kriege nicht sein.
« Letzte Änderung: Fr, 18. Juni 2010, 21:57 von Adjutant »
" Tradition ist die Flamme hüten und nicht die Asche bewahren "
Grüße aus Wien

Offline bücherwurm

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Re: Die Eisenbahntruppe
« Antwort #1 am: Do, 08. April 2010, 23:14 »
Danke für den interessanten Artikel.

 


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