Autor Thema: Khe Sanh:Halten um jeden Preis  (Gelesen 2359 mal)

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Khe Sanh:Halten um jeden Preis
« am: Sa, 30. Dezember 2006, 01:41 »
Der Stützpunkt Khe Sanh ist ein unregelmäßiges Viereck von zwei Quadratkilometern Flächeninhalt. Er liegt im äußersten Nordwesten von Südvietnam, 24 Kilometer südlich der Grenze zu Nordvietnam und 16 Kilometer östlich der laotischen Grenze. Hinter den Stacheldrahtverhauen und den Sandsackbarrikaden ihrer Stellungen liegen vier Bataillone der amerikanischen Marine-Infanterie. Seit dem 21. Januar sind sie von zwei Divi,sionen nordvietnamesischer Truppen eingeschlossen. Seit Wochen erwarten die Amerikaner den Großangriff des Gegners, aber seit Wochen erleben sie nichts anderes als das zermürbende Dauerfeuer der nordvietnamesischen Mörser und Artillerieraketen auf den umliegenden Höhenstellungen. Zu Anfang der Belagerung zählte die amerikanische Besatzung rund 5000 Mann. Wieviel es heute noch sind, weiß nur der Stützpunktkommandant Oberst David Lownds. Die täglichen Verluste an Toten und Verwundeten betragen durchschnittlich 40 Mann. Oberst Lownds genießt als Kommandeur des 26. Marineinfanterie-Regiments ein beneidenswertes Privileg: Sein Gefechtsstand liegt in einem Betonbunker, dem einzigen von Khe Sanh.Der Bunker stammt noch von den Franzosen, die den gleichen Krieg schon einmal geführt - und vor 14 Jahren mit der Kapitulation der Dschungelfestung Dien Bien Phu verloren haben.


Oberst Lownds ist entschlossen, es nicht zu einem amerikanischen Dien Bien Phu kommen zu lassen. „Zu schlafen scheint er nie", berichtet Don Sider, Korrespondent des amerikanischen Nachrichtenmagazins Time. „Man sieht den Kommandeur Tag und Nacht in seinem hellen Gartenstuhl. Von dort aus kontrolliert er das Nervenzentrum des Stützpunkts, ein Labyrinth von blitzblanken Räumen, beleuchtet von nackten Glühbirnen, gedrängt voll von Stabsoffizieren und Hilfskräften."


Er macht sich - wenigstens nach außen hin - keine Sorgen. „Ich habe schließlich die Marines hier", sagt er. Und er ist stolz darauf, ein Regiment dieser Elitetruppe zu führen. „Meine Aufgabe ist es, den Stützpunkt zu halten. Ich rechne nicht mit Verstärkungen." Der Oberst und seine Offiziere kalkulieren für den erwarteten Sturmangriff mit einer Verlustrate von zwanzig zu eins zugunsten der Amerikaner.


Noch hat der Angriff nicht begonnen, aber langsam werden die Nerven der Eingeschlossenen mürbe. Die Besatzung hockt in dürftigen Erdbunkern und Holzunterständen, die gerade gegen Granatsplitter Schutz bieten. Ein Volltreffer durchschlägt die dünne Decke wie Papier. Langsam verrotten die Sandsadcbarrieren, obwohl sie jeden Tag ausgebessert werden, und langsam rostet der Stacheldraht am äußeren Verteidigungsring.


Fett werden nur die Ratten in Khe Sanh. Allerdings können sie sich nicht an die Granaten gewöhnen. „Die Ratten drehen durch, wenn die Knallerei beginnt", berichtet Time-Reporter Sider. Dann stürzen sie sich in die Bunker und rennen wie wahnsinnig die Wände hoch. Ein Sergeant erledigte 34 Ratten und hält damit den Rekord.


Die einzige Verbindung des belagerten Stützpunkts mit der Außenwelt ist die mit Metallplatten ausgelegte Rollbahn des Feldflugplatzes. Auch er liegt in Reichweite der nordvietnamesischen Artillerie. Seitdem sich der Gegner so dicht an den Stützpunkt herangeschoben hat, daß er Maschinengewehre gegen landende Flugzeuge einsetzen kann, ist die Versorgung von Khe Sanh zu einem Himmelfahrtskommando für Piloten und Bodenpersonal geworden. Die Flieger stellen die Motoren nicht mehr ab, die Maschinen müssen im Rollen entladen werden.


„]edesmal, wenn ich auf die Piste raus muB", erzählt ein Marineinfanterist dem englischen Reporter David Leitdi, „kann ich keinen Gedanken mehr fassen. Manchmal verklemmen sich beim Ausladen die Munitionskisten. Dann schreie ich. Niemand hört es, weil der Motorenlärm und die Granateinsdiläge jedes andere Geräusch ersticken, aber ich fühle mich erleichtert, wenn ich brülle."


Zur Entlastung der Belagerten fliegt die US-Luftwaffe pausenlos Angriffe gegen die Stellungen der Nordvietnamesen. „Im letzten Monat", berichtet Robert Stokes, Korrespondent des amerikanischen Nachrichtenmagazins Newsweek, „sind die Berge von Khe Sanh von amerikanischen Flugzeugen und Kanonen umgepflügt worden. Frische Narben von roter Erde haben die grünen Hügel zerrissen, und der Dschungel ist gezeichnet von den verbrannten Flecken, die chemische Entlaubungssubstanzen zurückgelassen haben. Aber die vielfach verästelten flachen Kronen der Banyanbäume geben dem Gegner noch immer genügend Deckung. Die Piloten der Beobachtungsmaschinen müssen sich fast mehr auf ihr Gefühl als auf den Augenschein verlassen, um die Ziele zu entdecken, Die Nordvietnamesen sind Meister der Tarnung."


Der beste Verbündete von Ho Tschi-minhs Soldaten ist jedoch in dieser Jahreszeit das Wetter.Die tiefhängenden Monsunwolken machen den Einsatz amerikanischen Luftwaffe tagelang unmöglich. Und während die Eingeschlossenen von Khe Sanh frierend in ihren Unterständen hocken, schieben sich die Vietnamesen Meter um Meter an den äußeren Befestigungsring heran. Nach letzten Berichten waren ihre vorgeschobenen Stellungen nur noch 250 Meter von den amerikanischen Stacheldrahtverhauen entfernt.


Präsident Johnson hat sich vom vereinigten Generalstab der US-Streitkräfte die schriftliche Zusicherung
 geben lassen, daß Khe Sanh gehalten werden kann. Nach Ansicht der Generalstäbler erfüllen die 5000 Marine-Infanteristen in der Dschungelfestung eine wichtige strategische Aufgabe: Sie sperren das Einfallstor nach Südvietnam. Die dreckverkrusteten Soldaten, die sich seit Wodien aus kalten Konserven ernähren, sehen ihre Situation freilich mit anderen Augen: „Wir werden hier nur als Köder verheizt", war die typische Ansicht, die der Engländer David Leitch in Khe Sanh zu hören bekam.


Bericht vom 10.03.1968 (Stern)


Gruß
Josef


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Re: Khe Sanh:Halten um jeden Preis
« Antwort #1 am: Mi, 13. Januar 2010, 21:20 »
Am 31. März begann die 1. US-Kavalleriedivision zusammen mit Einheiten des ersten und des 26. Marineinfanterieregiments sowie der South Vietnamese 3rd Airborne Task Force einen Entsatzangriff entlang des Highway 9 nach Westen. Ausgangspunkt für den Operation Pegasus genannten Angriff war die Landezone Stud, die zu einer Feuerunterstützungsbasis ausgebaut worden war.

Die Einheiten der US Marines und der Südvietnamesen rückten entlang der Straße vor, während die 1. Cavalry Division in mehreren Luftlandeoperationen in Landezonen nördlich und südlich des Highways die Flanken sicherte und die Vietnamesen aus Stellungen in den Hügeln vertrieb. Am frühen Nachmittag des 6. April erreichten die ersten Einheiten die eingeschlossene Khe Sanh Combat Base, die gleichzeitig mit weiteren Einheiten der ARVN-Rangers verstärkt wurde. Zwei Tage später war dann auch die Straße zur Basis wieder frei und befahrbar, nachdem Pioniere den zum Teil zerstörten Highway 9 wiederhergestellt hatten. Die 1. Cavalry Division löste die Marines in der Basis ab, damit war die 77-tägige Belagerung von Khe Sanh beendet. Die Operation Pegasus wurde offiziell am 14. April abgeschlossen, nachdem Einheiten der Südvietnamesischen Armee und der 1. Cavalry Division weitere Teile des Hochplateaus wieder unter amerikanische Kontrolle gebracht hatten und dabei zum Teil die Auswirkungen der Bombenangriffe während der Operation Niagara entdeckten - hunderte getötete Nordvietnamesen, teilweise nur spärlich verscharrt, zum größten Teil noch dort, wo sie gestorben waren.
Quelle:Aus einer Vietnam Zeitschrift 1968

und hier dazu viele Fotos zum Thema:

Fotos
« Letzte Änderung: Mi, 13. Januar 2010, 21:23 von md11 »

 


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