Das hab ich noch dazu gefunden:
Quelle: Leipzigs Neue - 6/06 v. 24.03.2006 geschr. von Kurt Schneider
Teilnehmer am 1.Weltkrieg leben nicht mehr. Desto größer ist unser Intersse an den seltenen Tagebuchaufzeichnungen, geführt im dreckigen Schützengraben, zum Teil 30 Meter und noch weniger vom Feind entfernt, in mit Angst angefüllten Feuerpausen, im verlausten Quartier, im Zug während nicht enden wollenden Bahnfahrten oder sonst irgendwo.
Arno Rudloff hat es hinterlassen, sein Enkel Michael Rudloff hat es in ehrendem Gedenken an seinen Großvater herausgegeben. Ihm zur Seite stand die Journalistin Cornelia Heller.
Der junge Buchhändler Arno Rudloff aus Gera-Reuss war gerade 18 Jahre alt, als er am 11.März 1916 zum 1.Ersatz-Bataillon Infanterie-Regiment 96/ 2.Rekrutendepot eingezogen, zur 6.Kompanie versetzt und als Coburg-Gothaischer Staatsangehöriger erstens auf Wilhelm II. als obersten Kriegsherrn, zweitens auf Heinrich XXVII als Inhaber des 2. Bataillons und drittens auf Carl Eduard von Sachsen-Coburg-Gotha, seinen Landesfürsten vereidigt wird.
Rudloff, der nicht unter Humorlosigkeit litt, schreibt darüber: "Als ich im Dezember 1918 nach Hause kam, waren die drei fahnenflüchtig und ich saß da mit meinen Eichen."
Der kriegerische Soldaten-Alltag mit dem Tod vor Augen wir detailliert geschildert, oft, wie gesagt mit einem Schuss trockenem Humor. Rudloff war kein Pazifist, sein Tagebuch kein Antikriegsbuch. "Uns überwältigt", heißt es dazu im Vorwort, "seine Menschlichkeit, sein unverstellter Blick auf seine Kameraden, seine Vorgesetzten und seine Achtung gegenüber jenen, die ihm im Schützengraben gegenüber liegen."
Unter dem 14.November 1918, einem Ruhetag, lesen wir: "Wählen auf Befehl einen Soldatenrat, dessen Vorsitzender ich werde. Auf Befehl wird übermäßige Munition vernichtet und es werden die Stahlhelme weggeworfen." Am 20.November, so ist vermerkt, tagt der Soldatenrat mit dem Regimentskommandeur. "Schließen uns nach endloser Aussprache", notiert der Chronist, "durch Mehrheitsbeschluss der Regierung Ebert-Scheidemann an."
Während seines Urlaubs im Dezember 1918 stellt er erschüttert fest, dass fast die Hälfte seiner Kindheitskameraden gefallen sind.
Am 9.Januar 1919 wird Rudloff entlassen. Mit diesem Tag ist das Königlich-Preußische Reserve-Infanterie-Regiment 254 aufgelöst. Die noch nicht zur Entlassung kommenden Jahrgänge 1898/99 werden an das Infanterie-Regiment 167 überwiesen.
Das Tagebuch endet am 9.Januar 1919 mit an einen Gedenktafeltext angelehnten Worten. Sie besagen, dass vom Reserve-Infanterie-Regiment 234 in Flandern, in der Picardie, in der Champagne, vor Verdun und Soissons
88 Offiziere und 1.925 Unteroffiziere und Mannschaften fielen und über 14.500 verwundet wurden. Noch glaubt er, dass sie für das Vaterland gefallen sind - doch wie lange wird er das noch glauben?
Ulla