Autor Thema: Schlacht um Ap Bac 2.Januar 1963  (Gelesen 2099 mal)

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Schlacht um Ap Bac 2.Januar 1963
« am: So, 29. Juli 2007, 08:28 »
Ende Dezember 1963 ist dem vietnamesischen Oberkommando gemeldet worden, daß sich eine Kompanie regulärer Vier Cong-Truppen in dein Dorf Ap Bac eingenistet hat. Ap Bac liegt westlich von Saigon am Rande der Schilfrohr-Ebene, rund 25 Kilometer nordwestlich von My Tho, einem größeren Ort, der schon seit langem uneinnehmbarer Stützpunkt regulärer kommunistischer Truppen ist. Offensichtlich will der Viet Cong seine »befreite Zone« jetzt nach Westen bis zur kambodschanischen Grenze ausweiten.

Vietnamesen und amerikanische »Berater« beschließen, die Viet Cong-Kompanie mit weit überlegenen Kräften anzugreifen. Die eigenen Kräfte müssen um ein Vielfaches stärker sein, um - ganz nach den Lehren Maos und Giaps - einen Sieg mit Sicherheit zu verbürgen. Der Angriff wird erst recht beschlossen, als man erfährt, daß es sich bei diesem kommunistischen Truppenverband nicht um eine Kompanie, sondern um ein ganzes Bataillon handelt. Und nicht um irgendein Bataillon, sondern um das in ganz Vietnam, auch im Norden, berühmte Elite-Bataillon 514. Die 514er haben schon ganze gleichstarke südvietnamesische Verbände zerschlagen oder in die Flucht gejagt. Diesem Bataillon kommt der Hauptanteil daran zu, daß immer mehr Wehrdörfer in die Hand des Viet Cong gefallen sind.

Das ist erst recht ein Grund, diesen Gegner zum Kampf zu stellen. Ein Sieg über das berühmte Bataillon 514 hätte eine ungeheure moralische Wirkung. Und nicht nur die propagandistische Wirkung wäre kaum abzuschätzen - das Bataillon 514 ist schließlich die Kerntruppe des »befreiten Gebietes« zwischen Saigon und der Schilfrohr-Ebene. Wenn man diese Truppe zerschlagen kann, bietet sich die Möglichkeit, in das Viet Conggebiet vorzudringen, zumindest einige »strategische Dörfer« wiederzuerobern.

Die Aktion wird für den 2. Januar angesetzt. An der Leitung sind beteiligt von vietnamesischer Seite General Cao, der eben zum Oberbefehlshaber aller Truppen um Saigon und im gesamten Mekong-Delta, des 4. Armee-Korps, ernannt worden ist. Seine bisherige 7. Division, die berühmteste südvietnamesische Division, die seinerzeit die Armeen der Sekten vernichtend geschlagen hat, wird jetzt von Oberst Dam geführt. Die amerikanischen »Berater«, die in Wahrheit schon längst auf Befehl Präsident Kennedys Mitkämpfer sind, werden von Colonel Vann geführt. Vann ist ein Mann mit viel Kampferfahrung, der seinen Soldaten - zu dieser Zeit sind das noch fast ausschließlich Offiziere und höhere Unteroffiziersdienstgrade - stets als Vorbild vorangeht, auch im Gefecht.

Der Angriff am Morgen des 2. Januar wird von drei Seiten gegen Ap Bac vorgetragen.

Von Westen her greift eine ganze Kompanie mit der amerikanischen »Wunderwaffe« an, dem schwimmfähigen Schützenpanzer M 113, speziell konstruiert für Vietnam. Die Besatzung besteht aus dem Kommandanten, der zugleich Fahrer ist, und dem Schützen hinter dem 12,7-mm-MG. Hinter den Panzerplatten haben 14 Infanteristen Platz. Der wie ein Schuhkarton aussehende eckige M 113 kann schwimmen, in Sumpf und Morast waten und dank seiner Raupenketten steile Hänge erklettern - alles Bedingungen, die ein Kampffahrzeug im vietnamesischen Bergdschungel und vor allem in den Reisfeldern und den von unzähligen Kanälen durchzogenen Flußgebieten erfüllen muß.

Die M 113 von Ap Bac sind noch besonders ausgerüstet. Sie haben Maschinenkanonen, Granatwerfer, rückstoßfreie Geschütze an Bord. Sie allein sind dem Viet Cong-Bataillon an Feuerkraft um ein Vielfaches überlegen. Die Bewaffnung der 514er ist bekannt: drei rückstoßfreie Geschütze, rund ein halbes Dutzend MGs und Handfeuerwaffen, darunter einige amerikanische Automatics, zumeist aber einfache Gewehre.

Ein vietnamesisches Bataillon wird im Norden von Hubschraubern abgesetzt; im Süden sollen zwei Sondereinheiten der Miliz in Stärke von je einem Bataillon zu Fuß gegen Ap Bac vorrücken. Außerdem stehen Reservekräfte bereit, die im Bedarfsfall mit Hubschraubern herangeflogen werden. Die Bedingungen für einen Sieg sind also gegeben.

Die Angriffsfront der Regierungstruppen hat die Form einer Zange, die noch nicht ganz geschlossen ist. Denn im Osten hat man absichtlich ein »Loch« gelassen. Dort befindet sich offenes, flaches Land, durchzogen von niederen Reisfeldern. Wenn die Viet Congs sich verleiten ließen, in dieser Richtung zu fliehen, dann sind sie mit Leichtigkeit durch Artillerie und Flugzeuge zu vernichten, ohne daß man mit eigenen Verlusten rechnen muß. Das wäre dann nichts als eine Art Hasenjagd. Die Vier Congs in dem schon von Tunnels und Unterständen durchzogenen Ap Bac merken an der Landung des ersten Hubschrauberschwarms ganz in der Nähe, daß der erwartete Angriff gleich beginnen wird. Sie feuern jedoch nicht. Auch der zweite Hubschrauberschwarm kann die Soldaten noch unbehelligt landen. Erst der dritte Schwarm wird unter konzentriertes Feuer genommen. Unmittelbar darauf setzen sich die Viet Congs nach Süden ab, um in alter Manier einem überlegenen Gegner auszuweichen.

Doch hier treffen sie zunächst auf das eine, dann bei einem Ausweichversuch auf das andere der beiden Miliz-Bataillone. Der Viet Cong-Kommandeur Duyen beschließt, sich wieder auf das Dorf zurückzuziehen und sich zu verteidigen, ein Ausbruch scheint nicht möglich.

Der amerikanische Colonel Vann ist zufrieden. Bisher läuft alles nach Plan. Die Ratte sitzt in der Falle, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Um ganz sicherzugehen, fordert Colonel Vann im Einvernehmen mit dem vietnamesischen Befehlshaber Oberst Dam bereits jetzt die Reserven mit Hubschraubern an. Die Truppen sollen dicht westwärts Ap Bac, zwischen den M 113Panzern und dem Dorf landen. Durch die Massierung der Kampfkraft im Westen sollen die Viet Congs, die im Süden nach den ersten Gefechtsberührungen umgekehrt sind, zum Ausweichen nach Osten in die offenen Reisfelder veranlaßt werden.

Doch jetzt kommt alles anders als es der Plan vorsah. Jetzt geht alles schief. Die herankommenden Hubschrauber, die viel näher am Dorf landen als die ersten Schwärme im Norden, werden sofort unter Feuer genommen. Einige müssen abdrehen, einer geht noch in der Luft in Flammen auf, insgesamt bleiben fünf Hubschrauber zerstört liegen.

Die heilgebliebenen Soldaten werden von genau schie-' ßenden Vier Cong-MGs beim Aussteigen unter Feuer, genommen. Die auch dann noch überlebenden müssen, sich in den Wasserrinnen der Reisfelder hinwerfen. So bald einer sich auch nur bewegt, setzt sofort gezieltes MG-Feuer ein.

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Re: Schlacht um Ap Bac 2.Januar 1963
« Antwort #1 am: So, 29. Juli 2007, 08:32 »
Colonel Vann kreist in einem leichten Aufklärungsflugzeug, das ständig beschossen wird, über Ap Bac. Er fordert die M 113-Gruppe auf, sofort anzugreifen. Zu gleicher Zeit befiehlt jedoch Oberst Dam, der sich in sein weit entferntes Divisionshauptquartier zurückgezogen hat, die M 113 sollten zu den abgeschossenen Hubschraubern fahren. Schließlich korrigiert Dam diesen Befehl und überläßt dem amerikanischen Oberst die Entscheidung.

Kommandeur der M 113 ist Hauptmann Ly Tot)- Ba, ein intelligenter, arroganter Aristokrat, dazu Katholik, den Diem selbst auf diesen Posten gestellt hat. Ba weigert sich kategorisch, dem Befehl eines Amerikaners zu folgen, auch wenn sein Oberst Dam dem amerikanischen Oberst die Befehlsgewalt abgetreten hat. Ba bleibt mit seinen Panzern wo er ist - weit vom Schuß. Als Oberst Dam sich schließlich aus seinem Hauptquartier über Funk direkt an Ba wendet, erklärt Ba, die Panzer könnten gar nicht vorrücken, weil ein Kanal im Wege sei -zu dessen CJberwindung die M 113 eigens gebaut wurden. Captain Scanlon, einer der amerikanischen »Berater«, findet schließlich eine Furt im Kanal, die auch ein normales Fahrzeug durchqueren könnte. Bas Ausrede ist hinfällig. Als er schließlich doch den Befehl zum Vorrücken gibt, dauert es vier Stunden, ehe die Panzer vor der Vier Cong-Stelltuig ankommen. Später fährt Colonel Vann mit einem NI 113 die gleiche Strecke und braucht dazu fünfzehn Minuten.

Was Ba mit seinen Panzern dann anstellt, ist völlig ' sinnlos. Sie kreuzen planlos hin und her, die MGSchützen verbergen sich hinter den Panzerplatten und hämmern ziellos in die Luft. Die Geschütze feuern ebenso blindlings, ihre Geschosse klatschen wirkungslos irgendwo in die Reisfelder im Osten und erreichen damit nur, daß die Vier Cong vor einem Ausweichen nach Osten gewarnt werden. In dieser Zeit bergen Amerikaner unter Lebensgefahr die Verwundeten aus den Hubschraubern und schleppen sie unter ständigem Feindfeuer zu den Panzern.

Captain Scanlan versucht, die vietnamesischen Soldaten, die neben den Hubschraubern in Deckung liegen, zu einem Sturm auf die feindlichen Stellungen zu bewegen, die so nahe sind, daß man sie mit wenigen Sprüngen erreichen kann. Der vietnamesische Leutnant tut, als verstünde er kein Englisch. Als der Captain ihn vietnamesisch anspricht, zuckt er nur mit den Schultern.

Im Süden sieht es noch böser aus. Die Milizeinheiten werden von Major Lam Quang Tho kommandiert. Er hat den Befehl über diese Territorialtruppen, weil er zugleich Zivilchef dieses Distrikts ist. Und das ist er, weil Diem ihn für politisch zuverlässig hält. Er hat seinen »Gefechtsstand« viele Kilometer vom Kampfgebiet entfernt aufgeschlagen.

Auf Ersuchen Colonel Vanns befiehlt der ebenfalls weit entfernte Oberst Dam dem Major Tho, er solle mit seinen beiden Milizbataillonen angreifen. Doch Tho denkt nicht daran. Dies ist seine Provinz, hier ist er der Befehlshaber. Seine Truppen warten bis die Vier Congs auf sie zuflüchten, dann werden die Kommunisten alle abgeschossen. Dam wiederholt dreimal den Angriffsbefehl, ein Leutnant will mit seiner Einheit auf eigene Faust angreifen und die anderen dadurch mitreißen - vergebens. Tho bleibt bei seinem Entschluß, nichts zu tun.

So vergeht der Tag. Die Viet Cong feuern aus guter Deckung auf die Panzer, die einzeln und sporadisch, ohne zentralen Befehl hin und wieder einen Angriff versuchen, aber jedesmal wieder abdrehen, wenn die Besatzung merkt, daß sie allein ist. Die Verluste unter der Westgruppe, die außer den niedrigen Wasserrinnen keine Deckung hat, steigen.

Die Amerikaner fordern nun ein weiteres Luftlandebataillon an, als sich zeigt, daß sich bis zum Abend an der Lage nichts ändern wird. Das Bataillon soll die Ostseite abschließen, damit der Gegner nicht nachts dorthin entkommen kann. Doch jetzt mischt sich General Cao ein. Er befiehlt, die Reserve solle hinter der alten Reserve im Westen landen.

Das geschieht auch, aber erst bei Einbruch der Dunkelheit. So kommt es, daß sich nun sogar ein Gefecht zwischen den vietnamesischen überlebenden der ersten Reserve und dem neugelandeten Bataillon entwickelt. Die »Neuen« halten die vor Ap Bac festliegenden Kameraden für Viet Cong - und ausgerechnet sie schießen gezielt.

Colonel Vann und auch Oberst Dam hatten vorgehabt, während der Nacht das östliche Reisgebiet mit Leuchtraketen aufzuhellen und zugleich ununterbrochen Streufeuer aus Geschützen und Granatwerfern in die Reisfelder zu legen, um die Vier Cong wenigstens dadurch von einem Durchbruch nach Osten abzuhalten. Aber die notwendige Leuchtmunition wird nicht herangebracht, obwohl das Nachschubdepot nicht weit ist und die Hubschrauber der zweiten Reserve für den Transport zur Verfügung stehen.

So kommt es, wie es kommen muß: Am Morgen des 3. Januar ist das Dorf Ap Bac menschenleer. Das 514. Vier Cong-Bataillon hat nur drei Tote zurückgelassen. Die Regierungstruppen können in Ap Bac einrücken, ihre Kommandeure einen Sieg melden.

Doch schon sechs Tage später weht die Plagge des Viet Cong wieder über Ap Bac. Abermals weigern sich die südvietnamesischen Armeeführer, effektvoll anzugreifen. Abermals wird auf die Ratschläge der amerikanischen Berater nicht gehört, und abermals gelingt es dem Viet Cong, durch einen rechtzeitigen Rückzug der Vernichtung zu entgehen. Die Ohnmacht der amerikanischen Berater, denen schon an oberster Stelle, nämlich von Diem selbst, mißtraut wird, ist offenkundig.

Eine weitere, für das Kampfgeschehen in Südvietnam typische Eigenheit, die auch in der Schlacht um Ap Bac sichtbar geworden ist, beschreibt der österreichische Journalist Kuno Knöbl in seinem Buch » Victor Charlie« : »Es erwies sich in Ap Bac, daß weder Geld noch eine hervorragende Ausrüstung, weder moderne Waffen noch gute Worte Ausbildung, Kampfgeist, Initiative und Mut ersetzen konnten. Die südvietnamesischen Regierungstruppen hatten in Ap Bac die Chance gehabt, mit überlegenen Kräften einen schwachen Feind zu stellen. 3 500 Regierungssoldaten standen kaum 250 Partisanen gegenüber, die weder über Artillerie noch über Helikopter, Bombenflugzeuge oder Panzerfahrzeuge verfügten.

Alle Möglichkeiten, eine Eliteeinheit des Gegners, die seit Monaten das halbe Delta in Unruhe versetzt hatte, vollkommen zu vernichten, waren gegeben. Daß sie nicht genutzt werden konnten, lag weniger an der Kampfkraft der kommunistischen Truppen als an der Unfähigkeit der südvietnamesischen Armeeführung, selbst einen unterlegenen Feind zu besiegen.

Jede Truppe ist so gut wie der sie kommandierende Offizier. Während der Viet Cong über hervorragende Führer verfügt, waren unter Diem Offiziere nicht wegen ihrer Leistungen befördert worden, sondern nach ihrer politischen Reputation. Nicht Siege im Kampf gegen die Kommunisten gaben bei der Karriere eines Offiziers den Ausschlag, sondern Erfolge im undurchsichtigen Intrigenspiel, mit dem die Familie des Präsidenten ihre Untergebenen in Atem zu halten verstand. Zu alldem kam ein weiterer entscheidender Faktor. Für die meisten Offiziere der südvietnamesischen Armee, die noch im feudalistischen Denken der Mandarinatszeit verhaftet waren, bedeutete ihre Stellung nichts anderes als eine Möglichkeit, sich über ihre Untergebenen zu erheben.

... Wie bei Ap Bac, so versagte das vietnamesische Offizierskorps, versagte die vietnamesische Armeeführung bei Hunderten von anderen Gelegenheiten ... « Dennoch wird die Schlacht um Ap Bac vom Oberkommandierenden der amerikanischen Streitkräfte, General Harkins, als ein Sieg »unserer Verbündeten« bezeichnet. Der gleichen Ansicht ist US-Admiral Felt: »Es war ein Sieg - wir haben das Ziel erreicht.«

Quelle- Die Kriege der Nachkriegszeit (Ch.Zentner) 1969

Gruß
Josef

 


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