Autor Thema: Ein Foto rüttelte die Welt wach  (Gelesen 2184 mal)

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Ein Foto rüttelte die Welt wach
« am: So, 17. Februar 2008, 18:53 »
1968
Der Gefangene hat keine Chance. Seine Hände sind hinter seinem Rücken gefesselt, sein Gesicht ist geschwollen von den Schlägen der Soldaten.
Mit emotionslosem Gesichtsausdruck schießt ihm General Nguyen Ngoc Loan, der Polizeichef von Saigon, aus nächster Nähe mit einem Revolver in den Kopf.

Die Schwarz-Weiß-Aufnahme der grausamen Straßenszene erschütterte vor 40 Jahren die Welt. Sie wurde nicht nur zu einem Symbol für die Brutalität des Vietnamkrieges, sondern für alle blutigen Konflikte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Aufgenommen hatte das Bild der Fotograf Eddie Adams Anfang Februar 1968, am zweiten Tag der Tet-Offensive, mit der nordvietnamesische Truppen und der
Vietcong die Städte im Süden des Landes übernehmen wollten. 85 000 Menschen sollten im Verlauf der achtmonatigen Kämpfe sterben, die an „Tet", dem vietnamesischen Neujahr, begonnen hatten. Einer der Toten war Nguyen Van Lem, dessen Exekution Adams mit seiner Kamera festhielt.

Um das Opfer Lerg ranken sich bis hetzte Gerüchte: War er nur ein einfacher Vietcong-Fußsoldat oder gar ein Doppelagent, der für den Norden und den Süden gleichermaßen arbeitete?

Sehr gespenstisch

Adams selbst beschrieb die Momente nach der Exekution als gespenstisch: Der Henker Loan trat vor den schockierten Amerikaner und erklärte knapp: „Er hat viele von meinen Leuten getötet, und von deinen auch." Dann verschwand er mit den anderen Polizisten und ließ den Fotografen neben der Leiche stehen.

Das Bild ging um die Welt und löste Entsetzen aus. Auch die Nürnberger Nachrichten druckten das Bild innerhalb von 48 Stunden, nachdem es aufgenommen worden war. Zwei Wochen nach der Veröffentlichung der brutalen Bilder der Tet-Offensive demonstrierten, angeführt von Rudi Dutschke, fast 15 000 Menschen in Berlin gegen den Krieg.

Die heftigsten Reaktionen löste das Foto jedoch in den USA aus. Der eiskalte Polizeichef Loan repräsentierte den Verbündeten der USA, das südvietnamesische Regime des Ngo Ninh Diem. Einen Gefangenen ohne Prozess auf offener Straße zu exekutieren, war das die „freie Welt", für die Amerika damals kämpfte?

In den kommenden Wochen kam es zu einem Umschwung der öffentlichen Meinung in den USA. Laut Umfragen war im November 1967 noch die Hälfte der Amerikaner optimistisch, dass der Krieg zu einem positiven Ende kommen würde. Im Februar 1968 waren es nur noch etwa 30 Prozent.

Die Antikriegsbewegung erhielt in diesen Wochen massiven Zulauf, und der Krieg in Vietnam wurde bis zum Abzug der letzten US-Truppen 1975 zur Zerreißprobe für die amerikanische Gesellschaft.

Für das Bild von der „Saigon-Exekution" erhielt Eddie Adams 1969 den Pulitzer-Preis. Die Aufnahme wurde außerdem als „World Press Photo" ausgezeichnet.
General Nguyen Ngoc Loan kämpfte weiter gegen den Vietcong, bis er Saigon 1975 im Gefolge der fliehenden Amerikaner verließ.

Er eröffnete eine Pizzeria in Virginia, die er wieder
schließen musste, nachdem 1991 ans Licht gekommen war, dass er der Mörder auf dem berühmten Foto war.

Immer wieder wurde er bedroht, in die Toiletten des Restaurants schmierten Unbekannte eine Warnung: ;,Wir wissen, wer du bist!" 1998 starb Loan an Krebs.

Eddie Adams soll sich später für die Aufnahme persönlich bei Loan entschuldigt haben. Den Amerikaner habe der Schnappschuss weltberühmt gemacht, den Vietnamesen berüchtigt, sagte Adams 1999 in einem Interview: „Er hat den Vietcong getötet; ich habe den General mit meiner Kamera getötet."

Quelle:Sonntagsblitz 17.02.2008

mfg
Josef
« Letzte Änderung: Do, 20. Oktober 2016, 21:54 von Ulla »

 


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