Autor Thema: Briefe und Tagebucheinträge von Soldaten aus Stalingrad  (Gelesen 18914 mal)

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Briefe und Tagebucheinträge von Soldaten aus Stalingrad
« am: Mo, 09. Februar 2009, 23:42 »
Die in Stalingrad kämpfenden Truppen ahnen noch nichts von ihrem Schicksal.Richard Wilts aus Ostfriesland schreibt am 1.November nach Hause:



Von den nächsten Hügeln können wir Stalingrad sehen. Das Industriegelände liegt tagsüber ununterbrochen im Bombenhagel unserer Stukas ... Ohne Pause kreisen unsere doppelrümpfigen Aufklärer FW 189 über Stalingrad, empfangen von wütendem russischem Flakfeuer, das aber, wie gut zu beobachten ist, unsere Luftwaffe nicht im geringsten behindert. .. Was lediglich die Eroberung ganz Stalingrads so hinauszögert, ist die hartnäckige Verteidigung jedes zum Bunker ausgebauten Gebäudekomplexes. Die russische Infanterie wird durch die Luftwaffe bekämpft. Nachts vergeht nicht eine Minute, wo nicht MGs und Artillerie feuern, während tags die Bomben und die Flak krachen. Ein Kamerad vom neu eingetroffenen Ersatz ist am Geschütz gefallen ...

Richard Wilts ist gläubiger Protestant. Zusammen mit einigen gleichgesinnten Kameraden findet er in regelmäßigen Bibelstunden im Bun-

ker den Halt, der ihm Kraft für die bevorstehenden letzten Tage gibt. Am 6. November schreibt er:

Ich werde als MG-Schütze der Batterie ausgebildet ... Die letzte Nacht hatte ich Wache mit einem Gefreiten. Von ihm erfuhr ich etwas sehr Erfreuliches. In einem Bunker der Stabsbatterie finden sich jeden Tag 6 Uhr etwa 10 Soldaten unter Leitung eines protestantischen Pfarrers (Gefreiter) zur Bibelstunde zusammen. Ist das nicht fein - hier - vor Stalingrad?

Am 11. November berichtet Wilts nach Hause:

Stalingrad ist längst entvölkert ... Manche alte gebrechliche Russsen sind nicht weit gekommen und sind am Wege liegengeblieben. Das Elend ist entsetzlich - furchtbar - man kommt nicht umhin, hier nach dem Warum zu fragen ...

Nach dem Durchbruch der Russen am 19. November nördlich und südlich an Stalingrad vorbei nach Westen, durch die dortige deutsche und rumänische Front, schließt sich die riesige Zange am 23. Novemmber um die deutsche 6. Armee und um Teile der 4. Panzerarmee in Stalingrad. Bei Kalatsch am Don, weit im Rücken der deutschen Truppen, treffen sich die beiden russischen Zangenspitzen. Der ehemalige Adjutant der 6. Armee erinnert sich später:

Es war ein Bild des Schreckens. Von Angst vor den sowjetischen -Panzern gepeitscht, jagten Lkw, Befehlswagen, Pkw, Kräder, Reiter und pferdebespannte Fahrzeuge nach Westen, prallten aufeinander, fuhren sich fest, stürzten um, verperrten den Weg. Zwischendurch stießen, drückten, schoben, wälzten sich Fußgänger. Wer stolperte und zu Boden fiel, kam nicht wieder auf die Beine. Auf der Jagd zur Rettung des nackten Lebens wurde alles zurückkgelassen, was das Rennen behinderte.


« Letzte Änderung: So, 04. Juli 2010, 18:02 von Adjutant »

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Re: Feldpostbriefe und Tagebucheinträge von Soldaten
« Antwort #1 am: Mo, 09. Februar 2009, 23:56 »
Aus Stalingrad schreibt der zwanzigjährige Richard Wilts am 8. Dezember nach Hause:

Nun, nachdem der Wehrmachtsbericht sich schon etwas klarer über unsere Lage »zwischen Wolga und Don« ausgesprochen hat, nehme ich an, daß Ihr Euch vorstellen könnt, was hier gespielt wird. Mehr kann und darf ich Euch nicht berichten, zum mindeesten jetzt nicht. .. Vor allem aber sollt Ihr auch diesem Brief wieder eins entnehmen können: Mich erfüllt Freude in der Gewißheit: Ich bin sicher geborgen für alle Zeit - nicht das wirksamste Explosionsgeschoß der Welt kann meine Seele zerrsprengen - soweit wird Menschenverstand nie reichen. Ja, mich erfüllt tiefer Friede ...

Am 19. Dezember schreibt der zwanzigjährige Horst Ulrich aus Berlin an seine Eltern aus Stalingrad, das er »Mausefalle« nennt:

Liebe Mama, lieber Papa, nun ist in ein paar Tagen das Weihnachtsfest heran. Um ehrlich zu sein - mir ist nicht ganz danach zumute. Es ist entsetzlich kalt. Bunker habe ich zur Zeit keinen. Ich mache jetzt Funkdienst in einem Panzerwagen. Heute sitze ich schon den ganzen Tag in diesem Eisschrank mit dem Hörer auf dem Kopf, ohne Decken und ohne mich zu rühren. Zu essen habe ich längst nichts mehr. Selbstverständlich sind die Rationen längst gekürzt worden. Seit Wochen bekommen wir 200 g Brot, 15 g Fett und 40 g Kunsthonig für den Tag. Pferdefleisch ist selten geworden; außerdem kann man es auch nicht roh essen; denn mitten in der baumlosen Steppe gibt es kein Brennholz. Hoffenttlich wird das bald anders. Von Süden stößt eine starke Armee zu uns, ebenso eine vom Westen. Auch unsere Armee ist für die Fronten, die sie hält, noch lange stark genug. Und hungern können wir so gut wie die Russen, und die haben uns, als sie einmal in unserer Lage waren - nur Salz, Brot und Mehl  zweihundert Tage zu schaffen gemacht. Trotzdem wäre man ja froh - na, ist egal. An die Panzerwand über meinem Funkgerät habe ich ein Bild Hermanns geklebt, unter dem seine klassischen Worte stehen: »Die Ernährungslage wird immer besser!« Humor muß bleiben, auch wenn man das Lachen verlernt hat ...

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Re: Feldpostbriefe und Tagebucheinträge von Soldaten
« Antwort #2 am: Di, 10. Februar 2009, 00:00 »
Einen Tag später schreibt Horst Ulrich den letzten Brief aus Stalingrad nach Berlin an seine Eltern. Seither ist er vermißt:

Gestern war am Nachmittag wieder der Teufel los. Alle unsere Panzer wurden abgeschossen. Wir waren gerade zufällig nicht vorn, sondern wollten uns hinten, tausend Meter hinter der Linie, in einer kleinen flachen Schlucht ein Schlafloch für die Nacht buddeln. Auch uns hinter der Front deckte der Russe mit Artillerie zu, daß uns Hören und Sehen verging, und trotzdem kam der Russe nicht durch. Nur unsere armen Infanteristen waren zu bedauern. Als die abends aus der Stellung kamen, konnte jeder beim Verpflegungfassen doppelte oder dreifache Ration empfanngen, weil die Küche für den Soll-Bestand der Kompanie mitgebracht hatte. Na, hoffentlich wird's bald mal anders ...

Der deutsche Entsatzversuch für die in Stalingrad eingeschlossenen Truppen scheitert, bald können auch deutsche Flugzeuge mit Lebenssmitteln nicht mehr landen. Die Pakete werden aus der Luft abgeworfen. Zum Schutz der Transportmaschinen und zur Bodenbekämpfung sind Jagdflugzeuge eingesetzt. Major Johannes Steinhoff, damals ein bekannter deutscher Jagdflieger, erinnert sich später:

Es war kurz vor Weihnachten, da bewegte sich ein kampfstarker Stoßkeil von Panzern und Grenadieren beiderseits der Eisen-

bahnlinie durch die Kalmückensteppe über Kotelnikowa, Simowniki auf die Eingeschlossenen zu. Wir waren voller Optimismus, daß es gelingen würde, und flogen von früh bis spät. Selten habe ich einen Einsatz durchgeführt, der mit so viel innerer Beteiligung verbunden war. Ständig sprachen wir mit der 6. Armee über Funk und hörten ihre Meldungen, mit denen sie uns das Eingreifen zu ihrer Entlastung erleichtern wollten. Sie hatten auch oftmals Erfolg damit, denn die Russen hatten einen ungewöhnlich starken Luftwaffeneinsatz an diesem Schwerpunkt in Gang gebracht und fügten den Eingeschlossenen schweren Schaden zu, wo sie zum Wurf oder zum Tiefangriff kamen.

»Hier Funkstelle Getreidesilo - viele Bomber und Jäger über Pitomnik.« Abends hieß es: »Auf Wiedersehen morgen früh, kommt bitte wieder!«

Am 16. Dezember brachen die Sowjets durch die Stellungen der Italiener und Rumänen am Don. Die 6. Panzerdivision, die Speerspitze unserer Befreiungsaktion, wurde abgezogen. Der Angriff kam zum Stillstand, das Unternehmen »Wintergewitter«, auf das wir so große Hoffnungen gesetzt hatten, war vergeblich gewesen. Gegen Abend dieses Tages flog ich die Eisenbahnstrecke nach Norden entlang und traf auf viele weißbemalte Panzer, die mit Trauben von Soldaten in Schneehemden behängt waren. Ich ging tief herunter, um mich ihnen zu zeigen, aber plötzlich erhielt ich wütendes MG-Feuer und stellte mit Entsetzen fest, daß es sowjetische Panzer waren. Sie marschierten im Eiltempo nach Süden auf unseren Steppenflugplatz zu.

Ich machte zwei Anflüge, verfeuerte meine Kanonenmunition und rief über Funk Hilfe herbei. Wir taten, was wir konnten, aber ich vermute, viel Schaden haben wir den T-34-Panzern nicht zugefügt. Während wir laufend angriffen, hörten wir in kurzen Abständen - beinahe flüsternd - im Kopfhörer die Stimme des Funkers auf dem Getreidesilo: »Hier Getreidesilo Stalingrad, hören Sie mich? Bitte kommen!«

Aber niemand antwortete ihnen mehr. In der gleichen Nacht verlegten wir fluchtartig auf einen Feldflugplatz im Süden.


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Re: Feldpostbriefe und Tagebucheinträge von Soldaten
« Antwort #3 am: Di, 10. Februar 2009, 00:03 »
Im Kessel von Stalingrad schreibt der junge Richard Wilts am Heiligen Abend 1942 in seinem Brief an die Eltern nach Hause:

Ein wenig Heimweh, die Sehnsucht, diesen Abend mit und bei Euch zu verleben, verspüre ich, ehrlich gesagt, doch - gerade deswegen, weil wir trotz allem heute eine kleine Bescherung machten mit einem kleinen Weihnachtsbaumbild, einigen Weihhnachtskerzen ... Vor einer Stunde hat Willi uns die alte, ewig
neue Weihnachtsbotschaft verkündet - hier im Kerzenschein in unserem Bunker. Danach haben wir zur Handharmonika gesun-
gen: 0 du fröhliche Stille Nacht ... Am Weihnachtsbaume ...

Süßer die Glocken Willi und ich haben uns im Spielen abge-

wechselt ... Ja, ich denke viel an Euch heute abend, wie Ihr bestimmt an mich. Es ist ja meine erste Weihnacht fern von Euch ... Ob in Leer auch wohl so eine weihnachtliche Landschaft ist wie hier? Es ist die letzten zwei Tage ruhig, unheimlich ruhig, es schneit nur und stürmt ...

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Re: Briefe und Tagebucheinträge von Soldaten aus Stalingrad
« Antwort #4 am: Fr, 20. Februar 2009, 10:19 »
In den ersten Januartagen ereilt den jungen Richard Wilts in Stalingrad sein Schicksal. Am 5. Januar muß er in die MG-Stellung ausrücken. Dort wird er am Hals verwundet. Ein Kamerad trägt ihn zum Verrbandsplatz und erzählt einem anderen Kameraden, der mit schweren Erfrierungen ausgeflogen wird, von der Verwundung von Richard Wilts. Durch diesen aus dem Kessel noch Entronnenen erfährt später die Familie diese Details. In seinem Neujahrsbrief an seine Großmutter stehen diese Sätze:

Ich danke Gott ... Heute hat mich Gott so weit, daß der Tod für mich seinen Stachel, sein Grausames verloren hat. Der Tod ist für

mich nur ein Hinübergetragenwerden in ein herrliches, in Sein Reich ... und ich darf jede Stunde damit rechnen ...

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Re: Briefe und Tagebucheinträge von Soldaten aus Stalingrad
« Antwort #5 am: Fr, 20. Februar 2009, 10:20 »
Zwei Tage später schreibt Kurt Reuber, der ein Jahr später in russischer Kriegsgefangenschaft gestorben ist, aus Stalingrad nach Hause:

Kaum eine irdische Hoffnung mehr, den sicheren Tod vor Augen oder ein Schrecken ohne Ende in Gefangenschaft, irgendwo im Raum aller Unbarmherzigkeit. - Wir wissen nun, was sich um uns ereignet hat. Anfängliche Hoffnung auf eine baldige Wende hat sich zerschlagen, wir wissen, daß wir noch lange aushalten müssen. Soweit es menschenmöglich ist, ist es mir bisher gelungen, innerlich aufrecht zu bleiben und nicht drohenden Verzweiflungsgedanken zu verfallen. - Wir haben uns tief in die Erde eingegraben, die wir so unendlich lieben. Alles andere weiß ich im ewigen Schicksals willen eingeschlossen. Du ahnst nicht, was diese dunkelste Zeit für ein Menschenleben bedeutet, diese Prüfungen müssen sich segnend an uns auswirken.

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Re: Briefe und Tagebucheinträge von Soldaten aus Stalingrad
« Antwort #6 am: Fr, 20. Februar 2009, 10:21 »
Im eingeschlossenen Stalingrad schreibt Willi Büssing am 20. Januar, bevor er als vermißt gemeldet wird:

Es wird schwer halten, Euch regelmäßig zu schreiben. Ihr braucht zwar nicht sehr besorgt zu sein deswegen, denn die Post geht nur auf dem Luftwege weg, und ich habe nur hin und wieder einem Verwundeten einen Brief oder eine Karte mitgeben können. Wo ich bin und was ich seit mehreren Wochen erlebe, das kann ich Euch nicht mitteilen. Dies bleibt einer späteren Zeit überlassen, wo ich hoffentlich glücklich wieder bei Euch bin ...

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Re: Briefe und Tagebucheinträge von Soldaten aus Stalingrad
« Antwort #7 am: Fr, 20. Februar 2009, 10:22 »
Ein anonymer deutscher Offizier in Stalingrad, der das Ende des Kampfes ahnt, schreibt seiner Frau in einem letzten Brief:

Ich nehme Abschied von Dir, weil die Entscheidung seit heute morgen gefallen ist. Ich will in meinem Brief die militärische Seite gänzlich unberücksichtigt lassen. Sie ist eine eindeutige Angelegenheit der Russen und die Frage geht nur dahin, wie lange wir noch dabei sind. Es kann noch ein paar Tage dauern oder ein paar Stunden. Unser persönliches Leben liegt vor uns. Wir haben uns geachtet und geliebt und zwei Jahre gewartet. Es ist schon richtig gewesen, daß die Zeit dazwischen liegt, sie hat zwar die Spannung auf das Wiedersehen erhöht, aber auch in starkem Maße die Entfremdung gefördert. Die Zeit ist es, die auch die Wunden meiner Nichtwiederkehr schließen muß.

Du wirst im Januar 28 Jahre alt, das ist noch sehr jung für eine so hübsche Frau, und ich freue mich, daß ich Dir dieses Kompliment immer wieder machen durfte. Du wirst mich sehr vermissen, aber schließe Dich trotzdem nicht ab von den Menschen. Laß ein paar Monate dazwischen liegen, aber nicht länger. Denn Getrud und Claus brauchen einen Vater. Vergiß nicht, daß Du für die Kinder leben mußt und mach um ihren Vater nicht viel Wesens. Kinder

vergessen sehr schnell und in dem Alter noch leichter. Sieh Dir den Mann, auf den Deine Wahl fällt, genau an und achte auf seine Augen und seinen Händedruck, so wie das bei uns der Fall gewesen ist, und Du wirst Dich nicht täuschen. Vor allem eins, erzieh die Kinder zu aufrechten Menschen, die den Kopf hoch tragen und jedem frei ins Angesicht blicken können. Ich schreibe mit schwerem Herzen diese Zeilen, Du würdest es mir auch nicht glauben, wenn ich schrieb, daß es mir leicht fiele, aber mach' Dir keine Sorgen, ich habe keine Angst vor dem, was kommt.

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Re: Briefe und Tagebucheinträge von Soldaten aus Stalingrad
« Antwort #8 am: Fr, 20. Februar 2009, 10:24 »
Am 31. Januar mußten im Süden der Stadt Stalingrad die deutschen Truppen kapitulieren, am 2. Februar die im Norden. Leutnant Kurt Tappert zeichnete später in seinen Erinnerungen auf:

Am 2. Februar 1943 geriet ich beim Traktorenwerk »Rote Brigade« in Gefangenschaft ... Ich befand mich mit 30 bis 35 Mann meiner Kampfgruppe im Erdgeschoß des »Schnellhefterblocks« (in dem einst Büromaschinen hergestellt wurden), als wir plötzlich

ringsum russische Panzer sahen. Wir waren völlig eingekreist. Einige von uns haben noch auf die Panzer geschossen, aber da habe ich gesagt: »Es hat keinen Sinn mehr, Kameraden, jeder ist entlassen, jeder ist ab sofort für sich selbst verantwortlich. Es hat keinen Wert, sich lebendig begraben zu lassen ... «

Im Zentrum von Stalingrad-Nord befand sich ein Rondell, auf das alle Straßen sternförmig zuliefen. Das war unser letzter Divisionssgefechtsstand, wohin alle Meldungen gingen. Und dorthin führten auch die Gänge. Dort sahen wir Kolonnen von Gefangenen vorüberziehen, von den Russen bewacht. Jedesmal, wenn die Wachtposten vorbei waren, sprang einer von uns aus dem Gang und reihte sich in die Kolonnen ein, bevor der nächste Posten ihn sehen konnte. Wir sind dann bis in die Nähe von Beketowka marschiert. Wir übernachteten im Freien. Die Lager, wo sie die Gefangenen sammelten, waren von Stalingrad-Süd und Stalingrad-Mitte schon überfüllt. Dann gingen wir für vier Wochen auf den sogenannten Todesmarsch ...

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Re: Briefe und Tagebucheinträge von Soldaten aus Stalingrad
« Antwort #9 am: Fr, 20. Februar 2009, 10:28 »
Der junge deutsche Hauptmann Hans Schubert ist einer der wenigen, die Stalingrad, die Todesmärsche und die Jahre der Gefangenschaft danach überlebt haben. Er trifft 1947 in einem russischen Gefangenenlager mit Pastor Wilhelm Rose, einem älteren Leidensgenossen und ehemaligen Feldgeistlichen zusammen, der 1953 nach Hause zurückkkehrt. Rose erzählt in seinen Erinnerungen davon, wie der ehemalige Stalingrader Hans Schubert mit ihm zusammen auf dem in der Nähe des Lagers täglich vorbeifahrenden Sibirienexpress fliehen will. Ein Aufspringen wäre möglich, da der Zug in einer langgezogenen Kurve immer abbremsen muß. Wilhelm Rose versucht, Hans Schubert dieses Vorhaben auszureden. Er schreibt dazu:

Wie erkläre ich ihm am besten den Wahnsinn eines solchen Fluchtversuches? "Hast Du schon einmal daran gedacht, wie sehr wir beide auch unter Schwarzfahrern auffallen würden? Wolltest Du nicht immer heil nach Hause zu deiner Hilde kommen?" ... Ich weiß ja, was ihn mit tausend Stricken heimwärts zieht: die Sehnsucht und die Sorge um seine Hilde. Als Stalingrader ist er doch zu Hause tot oder vermißt gemeldet. Nachricht hat er noch keine. Als Nachbarskinder sind er und seine Hilde aufgewachsen. Sie haben zusammen gespielt, bis sie eines Tages entdeckten, daß sie sich lieben. Hans ist Abiturient mit sehr viel Kriegsserfahrung, in kurzer Zeit ist er Hauptmann geworden, die Zukunft schien gesichert: aktiver Offizier! Im letzten Urlaub im Herbst 1942 Kriegstrauung. Nur drei Tage haben die beiden sich gehabt, da kam das Telegramm, das ihn zur Truppe im Raum von Stalingrad zurückrief.

Nie wieder haben die beiden seitdem etwas voneinander gehört.Dieses entzetzliche Schweigen macht den armen Kerl halb verrückt.Er lebt von der Erinnerung dieser drei Tage.....
« Letzte Änderung: Mo, 05. März 2012, 22:00 von Ulla »

 


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