Autor Thema: Wahrheitsgehalt über Kriegsgräber  (Gelesen 2023 mal)

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Offline Ulla

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Wahrheitsgehalt über Kriegsgräber
« am: Mi, 09. Mai 2012, 16:38 »
Hallo manetho,

Du bist eigentlich als Glücksfall für unsere Seite anzusehen. Und ich bedanke mich für Deine
Bereitschaft uns zu helfen.
Durch die Telefongespräche ist mir einiges klar geworden und langsam krieg ich das Gefühl
das das was wir an Informationen von "dieser einzig wahren Stelle" mit größter Vorsicht als Wahrheit
betrachten müssen. Warum werden die Suchenden nur mit Halbwahrheiten oder falsche Aussagen abgespeist?
Versucht man so die Leute ruhig zu stellen um ihnen ein gutes und humanes Bild zu vermitteln um auch eine
gewisse Spendenfreudigkeit zu entlocken?
Ich kann es eigentlich nicht so recht glauben was ich da hören und lesen mußte. Mein Glaube ist jedefalls stark erschüttert.

Die Ergebnisse der Suchen hier im Forum beruhen fast alle aus dieser Quelle. Ich bin deshalb auch gern bereit unsere Dokumentationen
dahin gehend  gern zu berichtigen und zu ergänzen. Aber es wird etwas dauern, aus Zeitgründen.

Danke fürs Erste.

Gruß Ulla


Gruß Ulla

"Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird ihm nur ein einziges mal gegeben......" (N.Ostrowski)

Offline manetho

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Re: Wahrheitsgehalt über Kriegsgräber
« Antwort #1 am: Mi, 09. Mai 2012, 19:38 »
Früher oder später hatte ich so eine Frage "befürchtet", egal ob hier oder in einem anderen Forum, wie auch immer. Aber ich kneife nicht, obwohl man mit seinen Äußerungen dazu (leider) etwas vorsichtig sein muss.
Deshalb eines vorab: Das folgende ist lediglich mein persönlicher Eindruck und meine persönliche Meinung und ich möcjhte auch nichts behaupten. Ich schildere lediglich, was ich selbst erlebt habe.
Ich befasse mih etwa mehr als zehn Jahre mit der Problematik der Lokalisierung oberirdisch nicht mehr erkennbarer Kriegsgrablagen. Dies mache ich in völlig privater Initiative und zugleich als Mitglied des Vereins "arbeitskreis humanitäre projekte" e.V. Dieser Verein wurde vor über 10 Jahren gegründet, um ursprünglich Hilfe zu leisten bezfl. Tschernobyl und hattesein Hauptzielgebiet im Obl. Gomel (Belarus). Dadurch ergab sich auch eine Zusammenarbeit mit dem ehem. polizeipräsidenten von Dessau, Franz Masser. Auch schon von der Gründungssatzung her hatten sich Berührungspunkte ergeben. Hinzu kam, dass ich nicht einfach nur Hilfstransporte gemacht habe, besonders viele Projekte haben wir mi belarussischen Kindern gemacht. U.a. auch Ferienlager in Belarus, mit Kindern archäologische Ausgrabungen u.v.m. Ein Projekt war die Rekontruktion und Pflege von Ehrenmalen des WW II, vorrangig sowjetischer. Das als Ferienlager mit belarussischen kindern. In einer solchen Aktion haben wir beispielsweise auch den deutschen Soldatenfriedhof in Chodossowitschi mit gemacht. Parallel dazu habe ich - weil ich zu diesem Zeitpunkt für einige Jahre im Obl. Gomel gewohnt und gelebt habe, Franz Masser bei seiner Lokalisierungstätigkeit unterstützt und auch serhr viel gelernt. Da er sich auf Belarus spezialisiert hat, dort sehr erfolgreich arbeitet, haben wir uns etwa 2008 entschlossen, dass er Belarus ohne mich weiter macht und ich beginne, mich auch die Ukraine zu spezialisieren.
Ich habe zwar fürchterlich weit ausgeholt, glaube aber schon, es ist nicht unwichtig zu wissen, wie ich überhaupt dazu gekommen bin.

Offline Ulla

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Re: Wahrheitsgehalt über Kriegsgräber
« Antwort #2 am: Mi, 09. Mai 2012, 19:47 »
Hallo,

mach Dir keine Sorgen, Namen wurden keine genannt und Praxis die belegbar ist, ist
mit lieber als Antworten vom Schreibtisch aus.

Gruß Ulla
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Offline manetho

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Re: Wahrheitsgehalt über Kriegsgräber
« Antwort #3 am: Mi, 09. Mai 2012, 20:27 »
Die Rechtslage in der Ukraine hinsichtlich der Kriegsgräber ist eine völlig andere als beispielsweise in Belarus. Mit der Ukraine gibt es ein entsprechendes Kriegsgräbeabkommen, das die Arbeit einerseits vereinfacht, andererseits mitunter aber auch kompliziert macht. Tätig wird dort der Volksbund Deutesch Kriegsgräberfürsorge e.V. (werde ich kurz als VB abkürzen) als Beauftragter und Interessenvertreter der deutschen Regierung.
Dazu muss aber bedacht werden, dass die Arbeit, die der VB macht bzw. machen sollte, Aufgabe des deutschen Staates ist. Der Staat ist dazu verpflichtet durch das Zusatzprotokoll zum Genfer Abkommen und eigene Rechtsvorschriften (u.a. Grundges. GräbGes.) und Veträge (speziell Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Ukraine über Kriegsgräberfürsorge in der Bundesrepublik Deutschland und in der Ukraine ). Da der Staat Bundesrepublik diese seine Aufgabe nicht selbst erfüllen kann, hat er diese Arbeit sozusagen deligiert an den bereits existenten Verein der Kriegsgräberfürsorge. Dies ist u,a, sogar im o.g. Abkommen mit der Ukraine im Art. 8 so fixiert.
Dafür, dass er als Beauftragter des Staates tätig wird, erhält der VB Mittel zur Finanzierung der Arbeit aus dem Bundeshaushalt und hat als e.V. zudem das Recht, Spenden zu sammeln, Vermächtnisse entgegenzunehmen, Mitgliedbeiträge zu erheben und anderweitig wirtschaftlich tätig zu werden.
Durch die Beauftragung des VB durch den Staat und der daraus resultierenden geschaffenen rechtlichen Regelungen ist der VB zumindest nach meinen Massstäben quasi der Monopolist auf diesem Gebiet. Und es geht hier nicht um irgendwelche gemeinnützige unentgeltlich Tätigkeit wie in vielen anderen kleinen e.V., hier geht es richtig um Kohle. Nach eigenen Angaben bestreitet der VB seine Tätigkeit zu etwa 90 % aus Geldern, die er durch Spenden, Mitgliedsbeiträgen, Sammlungen, Vermächtnissen u.dgl. selbst einnimmt, der Rest sind Länder- und Bundesmittel. Und ein Jahreshaushalt liegt etwa bei 40 Millionen EURO. Damit finanziert er u.a. seine über 550 hauptamtlichen Mitarbeiter und betreut mit fast 13.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern etwa 2 Millionen Kriegsgräber in etwa 100 Ländern und über 700 Friedhöfen.
Es geht hier also zunächst einmal um sehr viel Geld - das sollte man zumindest bedenken.


Offline manetho

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Re: Wahrheitsgehalt über Kriegsgräber
« Antwort #4 am: Mi, 09. Mai 2012, 21:49 »
Bei der Lokalisierung der Kriegsgräber gibt es ein riesiges Problem: das Zeitproblem. Zwar ist es nach dem Zerfall der Sowjetunion jetzt erheblich einfacher bzw. überhaupt erst möglich, an russische Archivunterlagen heranzukommen, aber das hilft auch nur zu einem Teil. Nicht helfen tut es bei vielen Grablagen des Rückzuges deutscher Truppen. dazu muss man sich bewusst sein, dass die Bergung der Leichen der gefallenen deutschen Soldaten i.d.R. nicht durch die sowj. Armee oder staatliche Stellen erfolgte sondern vielfach durch die Zivilbevölkerung. Durch sie erfolgte dann die Bestattung als Einzelbestattung, Sammelgrab oder Sanitärgräbern. Aufzeichnungen wurden damals nicht gefertigt. Das bedeutet, dass nur diese Zeitzeugen genau wissen, wo bestattet wurde. Und die damals Erwachsenen sind zumeist bereits verstorben, Jugendliche heute - soweit sie noch leben - mindestens 80 Jahre. Und es werden jedes Jahr weniger, oder besser gesagt, mir sterben die Zeitzeugen weg. Eigentlich sollte man meinen, man hätte die Zeit nutzen sollen, aber ich habe den Eindruck, man versucht an einigen Stellen, die Zeit auszusitzen. Wenn es erst keine Zeitzeugen und deren Informationen gibt, läuft alles viel ruhiger. Und so ist es beispielsweise für mich unbegreiflich, warum es für die Ukraine, ein Land doppelt so groß wie die Bundesrepublik, nur einen Umbetter des VB gibt. Nach meiner Schätzung gibt es in der Ukraine noch etwa 180.000 bis 190.000 Grablagen von Gefallenen und fast die gleiche Anzahl Grablagen verstorbener Kriegsgefangener.
Nach meinem Kenntnisstand gibt es zudem beim VB die Festlegung, dass man kleinere Grablagen mit unter 50 Bestatteten nicht exhumiert und wohl auch nicht pflegt.
Ein Problembei der Lokalisierung ist, dass die ursprüngliche WGO-Kartei, die also zumindest die Phase I des Krieges dokumentierte, nicht verfügbar ist. Sie ist Ende des Krieges verschwunden, einiges deutet darauf hin, dass sie sich in den USA unter Verschluss befindet. In den letzten Jahren (ab Ende 1943) funktionierte das WGO-System ohnehin nicht mehr richtig, d.h. Grablagemeldungen liegen nur sporadisch vor.
Nächstes Problem sind die Standorte der ehemaligen Soldatenfriedhöfe bzw. sog. "Heldenfriedhöfe". Diese wurden i.d.R. durch die deutschen Truppen selbst "platt" gemacht. Sehr oft wurden diese Gelände dann später überbaut und sind auch dadurch heute kaum noch zu finden. Zusätzlich wird die Suche auch noch dadurch erschwert, dass viele Ortschaften umbenannt wurden. Besonders erschwerend ist das beispielsweise auf der Krim, ih schätze, dass etwa 85% der Orte heute einen anderen Namen hat und selbst vor Ort kaum noch jemand weiss, wie der Ort während des Krieges genannt wurde.
So, nun zum Eigentlichen, auf das Deine Frage hinzielte.
Auch ich nutze gelegentlich die Datenbank des VB. Und mir fallen zum einen auch immer wieder Fehler auf. Bei der Menge an Daten ist es nur natürlich, wenn sich auch immer mal wieder Eingabefehler finden. Du musst aber zum einen die Datenfülle bedenken und auch, dass vermutlich viele, die eingeben, sich auch in den örtlichen Gegebenheiten gar nicht auskennen, da ist eben schnell mal ein Name verkehrt geschrieben.
Viel gravierender ist für mich, dass ich hin und wieder auf Datensätze treffe, bei denen vermerkt ist, dass der Gefallene  vermutlich als Unbekannter auf einen sammelfriedhof überführt wurde. Das ist durchaus möglich, dass bei einer Exhumierung nicht identifiziert werden kann. Ich bin i.d.R. mehrmals im Jahr zur Lokalisierung vor Ort in der Ukraine. Und vielfach fällt mir auf, dass Gefallene aus Grablagen vermutlich als Unbekannte überführt wurden, an denen meines Wissens nicht exhumiert wurde. Andererseits gibt es etliche Fälle, wo sterbliche Überreste durch ukr. Stellen oder Personen geborgen wurden, und der Volksbund sih der Gebeine einfach nicht annimmt. So wurden beispielsweise in einer Kreisstadt bei Bauarbeiten die sterblichen Überreste dt. Soldaten geborgen, da der Landkreis diese aber einfach nicht "loswurde", hat man sie nun eigentlich auf einem Friedhof ungekennzeichnet "zwischenbestattet". Oder der Fall eines Museums, das seit Jahren mehrere deutsche Gefallene im Museumskeller lagert und mehrfach vergeblich versucht hat, sie dem Umbetter zu übergeben.
Zur Art und Weise, wie der VB in der Ukraine arbeitet, gäbe es noch sehr viel zu sagen. Nach meiner Meinung sehr mangelhaft. Angefangen von schlampiger Arbeit (z.B. Exhumierungen werden nicht vollständig durchgeführt obwohl problemlos möglich, Exhumierungsstellen werden nicht wieder aufgefüllt, nach Exhumierungen liegen oberirdisch noch Gebeine frei) bis dahin, dass ich in vielen Fällen fehlende Motivation unterstelle. Ich vermisse Engagement und Qualität.

Und wie das nunmal so ist, wenn man an ein mehr an Spenden kommen will oder Vermächtnisse (und vermutlich sind es nicht wenig Erbschaften, bei denen der VB Nutzniesser ist), muss man eben nachweisen, wie gut man ist. Und mit einer Formulierung "...wurde vermutlich als Unbekannter..." kann man ja letztendlich nicht festgenagelt werden. Und ausserdem: Die Kohle gibt es ja, ob man mit Engagement was macht, oder nicht oder ob man abwartet, bis sich die Sache von allein erledigt hat, weril keiner mehr was weiss. Und die Existenzberechtigung hat man ja gesichert, schließlih gibt es ja die pflegeleichten Massengrabanlagen und organisierten Friedhofstourismus.

Reicht Dir das so?

Offline Ulla

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Re: Wahrheitsgehalt über Kriegsgräber
« Antwort #5 am: Sa, 12. Mai 2012, 14:47 »
Hallo,

mir reicht das völlig aus.
Gibt es doch schon seit Jahren Diskussionen und auch Vermutungen was da eigentlich überhaupt läuft.
Vereinsarbeit stelle ich mir immer etwas anders vor. Als Mitglied möchte man dabei sein und auch über
die gelaufene Arbeit informiert werden.
Nun stell Dir mal vor, Du stehst vor einem Grabstein wo der Name Deines Vorfahren steht, glücklich das es
eine Trauerstelle gibt und tatsächlich liegt er gar nicht drin?  Für die Angehörigen ein unerhörter Vorgang.
Aber nun glaub ich auch das es diese Fälle gibt. Unvorstellbar.

Grablagen über 50, sind es nur diese wert geborgen zu werden? Was ist mit den anderen? Dabei fällt mir der Divisionsfriedhof
der 126.ID ganz in der Nähe von Pskov ein, noch immer nicht geborgen und eine Antwort ist man mir bis jetzt noch schuldig.
Ich denke, es ist auch ein Spiel auf und mit Zeit.
Mir fällt noch ein, das Gezedere und Getue um die Beisetzung der über "4000 Pappkartons" bei Usti inder CSR.  Wieviele Angebote
hat es aus Deutschland gegeben um diese sterblichen Überreste hier beizusetzen. Nein, es wurde mit allen Mitteln dort drüben ein
Friedhof gefunden und hergerichtet. Unvorstellbar, das man sich der Toten bedient ums sich zu profilieren und sich über die Wünsche
der Angehörigen hinwegsetzt.
Inge Döring berichtete mir mal das eine in Amerika lebende Frau eine zweckgebundene Spende für einen Grabstein für ihren in Rußland
bestatteten Vater übergab. Es ist nie ein Stein errichtet worden.

Es sind soviele Fragen offen, Ungereimheiten die einer Klärung bedürfen aber eine zufriedenstellende Antwort wird es wohl nie geben.
Die Politik rettet lieber Pleitegeier.

Gruß Ulla
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