Autor Thema: Westwall  (Gelesen 2738 mal)

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Offline md11

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Westwall
« am: Sa, 14. Juli 2007, 22:10 »
Für rund 35 Millionen Euro lässt das Bundesfinanzministerium die meisten Bunker des Westwalls abreißen-Historiker und Veteranen protestieren.

Bis nach Lothringen hinüber sind die Schläge des Hydraulikhammers zu hören. Wie Kanonenschüsse hallen sie durch das Waldstück nahe dem saarländischen Blieskastel. Stück für Stück bohrt sich die Meißelspitze der Marke Krupp in den Beton. „Was hart wie Krupp-Stahl ist, kriegen sie nur mit Krupp klein", sagt Herbert Hufnagel.

Der Baggerführer aus dem Sauerland ist spezialisiert auf die Beseitigung besonders resistenter Relikte der deutschen Vergangenheit: Hufnagel, 46, zerkleinert etwa alle anderthalb Wochen einen Bunker des so genannten Westwalls, jenes 630 Kilometer langen Bollwerks aus Bunkern und Panzersperren, mit dem Adolf Hitler vor dem Überfall auf Polen sein Reich gegen Angriffe aus dem Westen schützen wollte.

Rund 15 000 Bunker ließ er zwischen 1936 und 194o entlang der deutschen Westgrenze bauen. Ein Großteil wurde nach dem Krieg von den Alliierten gesprengt, doch etwa die Hälfte dieser Ruinen existiert noch. Bis auf wenige Ausnahmen sollen die Bunker aber nun in den nächsten Jahren verschwinden. 35 Millionen Euro soll die Sicherung der Ruinen kosten, und das heißt fast immer: Abriss. Die Bundesvermögensämter, die dem Finanzministerium unterstehen, sehen sich zum Handeln gezwungen, denn das Allgemeine Kriegsfolgengesetz verlangt die Beseitigung von Gefahren für Leben oder Gesundheit von Menschen - und in den Bunker-Resten könnte sich schließlich jemand verletzen.

Doch nun regt sich Widerstand gegen das Projekt. Historiker und Archäologen  beklagen den Abriss, ehemalige Soldaten sind empört über den respektlosen Umgang mit jenen Mauern, zwischen denen  Kameraden starben.

Der Verein Interfest etwa kämpft vehement für den Erhalt der „Burgen der Neuzeit", wie Jörg Fuhrmeister, Vize-Chef der Truppe von Bunker-Freaks aus mehreren europäischen Ländern, die Westwall-Befestigungen nennt.

Fast jedes Wochenende inspiziert er irgendwo zwischen Kleve und der Schweizer  Grenze ein paar der Betonklötze. Einer duckt sich in Hörweite von Hufnagels Bagger in eine Anhöhe. „Der darf auf keinen Fall , weg", sagt Fuhrmeister, 43, und drückt seine Handfläche auf die Oberfläche, die noch„eine Rarität" - die Original-Tarnfarben  der Wehrmacht trägt. Eine Gefahr für Wanderer oder spielende Kinder sei der Bau mitten im Wald doch auf keinen Fall: „Diesen Bunker müssen sie erst einmal finden." Aber ( auf dem Stahlbeton prangt schon eine neonrote Nummer - das Zeichen dafür, dass bald Baggerführer Hufnagel kommen wird.

„Eine gigantische Verschwendung von Steuergeldern" sei das, schimpft Fuhrmeister, der das Sicherheitsargument bei den meisten Bunkern für Unsinn hält: Schließlich trage auch niemand die Alpen ab, weil sich dort jemand beim Klettern einen Fuß  oder gar das Genick brechen könnte..

In der Tat hat es bislang in den Westwall-Ruinen nur wenige Unfälle gegeben: Im  Juni 1972 verletzte sich ein neunjähriges Kind tödlich an einem herausstehenden Eisenstab, einem anderen Jungen riss beim Spielen der Daumen ab. Von weiteren Vorfällen weiß das zuständige Bundesfinanzministerium nichts.

Die Ministerialen haben freilich noch einen weiteren Grund für den Abriss: Neonazis nutzten die Bunker manchmal als Treffpunkte, sagt eine Ministeriumssprecherin, es gebe „zahlreiche Hinweise auf einen entsprechenden Tourismus".

Doch die Bunker einfach dem Erdboden gleichzumachen hält der Münsteraner Historiker Hans-Ulrich Thamer für die falsche Taktik im Kampf gegen Rechte: Er glaubt nicht an die „Entnazifizierung durch Abriss". Man müsse die meisten der Kriegsbauten ganz im Gegenteil zur Aufklärung nutzen; auf Info Tafeln könne doch zum Beispiel stehen, wie viele Soldaten jeweils dort starben.

Aber die Bundesregierung möchte sicherheitshalber nur wenige Bunker verschonen.  In Nordrhein-Westfalen etwa stehen von 3300 Westwall-Bauten knapp hundert unter Denkmalschutz. Der Düsseldorfer Archäologe Heinz Günter Horn warnt, dass „die  jüngere Geschichte so immer mehr in Bücher verbannt wird". Geschichte aber  müsse man auch fühlen können.

Wie zum Beispiel in einem Saarbrücker Bunker, den Interfest-Leute zum Museumi ausgebaut haben. Innen ist es still und eng, die Gaslampe taucht den Raum in mattes , Licht. Auf einem Tisch steht eine hölzerne ; Munitionskiste, darüber hat jemand per Bleistift Strichliste geführt. Jeder Strich steht für 250 verschossene MG-Patronen.  „Feind hört mit" oder „Wenn Scharte offen, Licht aus" prangt in schwarzer Schrift , auf der beige lackierten Wand.   

Die damals 3,5 Milliarden Reichsmark  teure „Siegfried-Linie", wie der Westwall markig genannt wurde, war auch Teil der NS-Propaganda. Deshalb wurde das Bollwerk stärker dargestellt, als es wirklich war. , Mit Erfolg: Die Befehlshaber der Alliierten schienen zu zögern, bevor sie befestigte Frontabschnitte angriffen.

Doch dabei entpuppten sich viele der  Anlagen als zu schwach für die im Lauf des Krieges weiter entwickelten Geschosse. In den Schützengräben und Bunkern starben Zehntausende Soldaten, aber auch Kinder und Greise des Volkssturms.

Deshalb empört die schnöde Beseitigung  der Ruinen so manchen Veteranen. Willi ; Fischer, 81, sollte sich eigentlich nicht mehr ; aufregen, tut es aber doch: Die Bunker,  die nun so einfach abgerissen würden, seien schließlich „Gedenkstätten für die Toten" - und von den Opfern hat er damals  selbst viele wegschaffen müssen, nachdem  die Alliierten den Westwall beim pfälzischen Oberotterbach überrannt hatten: Mit  einem Pferdefuhrwerk karrte der Soldat  die Leichen damals zum Friedhof.   

An den Horror des Westwalls kann er , sich noch allzu gut erinnern. In einem Bunker etwa fand er drei deutsche Soldaten, vollständig verkohlt und auf Puppengröße  geschrumpft. „Die Amerikaner haben  Flammenwerfer in die Schießscharten gehalten, ein grauenhafter Tod", so Fischer. i Ein anderer Toter stand aufrecht im Graben, die Brotdose mit einer frischen Konserve Fleisch noch um den Hals, eine Kugel im Kopf.

Aber auch die Leistung der Arbeiter, die damals die Bunker im Rekordtempo bauen mussten, verdiene Respekt. „Mit Seilen, haben sie Eisenträger und Beton auf Bergspitzen transportiert", so Fischer.

Naturschützer argumentieren ebenfalls  für den Erhalt der Bunker: „In vielen Ruinen nisten Fledermäuse", sagt Walter Stutterich vom Bund für Umwelt und Naturschutz in Rheinland-Pfalz. Der Kalk im Beton sei außerdem ein guter Nährstoff für ,, Moose.   
Der Umweltschützer hält auch wenig ; von der üblichen Methode, die zerkleinerten Bunker-Reste einfach an Ort und Stelle zu verbuddeln und mit einer Erdschicht  zu bedecken: „In 70 bis 100 Jahren spült  der Regen den Schutt wieder an die Oberfläche", glaubt Stutterich.   

Zudem ist der Abriss selbst nicht völlig  ungefährlich. Oft schleudert Baggerführer  Hufnagels Meißel die Betonbrocken wie  Geschosse durch die Luft. Einmal sank der  Mann getroffen und bewusstlos über den  Hebeln seiner Maschine zusammen. Bei der Arbeit bunkert er sich deshalb jetzt ein:  Die Frontscheibe seines Baggers ist inzwischen aus Panzerglas.

Quelle- Der Spiegel 2002

Gruß
Josef
« Letzte Änderung: Do, 17. Juni 2010, 12:07 von Ulla »

Offline harbec

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Re: Westwall
« Antwort #1 am: Mo, 17. November 2008, 19:58 »
hallo josef!
schöner artikel zum "westwall"! war vor einigen wochen im bereich achen - monschau unterwegs, ist schon eine
interessante gegend!
gruß hartmut

Offline md11

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Re: Westwall
« Antwort #2 am: Mo, 17. November 2008, 20:45 »
Hallo Hartmut,
hab hier eine direkte Link gefunden über den Westwall:

Westwall

Grüße
Josef

 


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