Autor Thema: Das Schicksal und sein Dämon  (Gelesen 1362 mal)

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Offline zirkulon

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Das Schicksal und sein Dämon
« am: Fr, 18. Juli 2008, 23:58 »
Titel: Das Schicksal und sein Dämon  von Josef Bukin
Herausgeber: G. J. Stelzer
Verlag: Versand bei Gerhard Stelzer, Schopenhauer Weg 5, 3007 Gehrden 1  (ist die alte Postleitzahl)
Erscheinungsdatum: 2. Auflage 1985
Seitenzahl: 352
ISBN: 3-923511-03-5
Sonstiges: relativ klein gedruckt, daher jede Menge zu Lesen. Ausschnitt aus dem Leben eines Kriegsgefangenen in der Sowjet Union.

Ist mir durch Zufall über den Weg "gelaufen". Da mich die subjektiven Lebensgeschichten einzelner Menschen sehr stark interessieren, konnte ich nicht umhin, es zu erstehen.

Das Buch bekommt meine Empfehlung da es recht ausgewogen ist und daher nicht kaum polarisiert. Ich hatte es in drei Tagen "aufgefressen".

Leseprobe kommt...

Lieben Gruß
Michael
Bei allen von mir erstellten Beiträgen berufe ich mich auf :
Artikel 5, GG der BRD.
Artikel 11, Charta der Grundrechte der EU.
Artikel 19, Menschenrechtscharta der UN.

Was Du nicht willst dass man Dir tu,
das füg´ auch keinem Andern zu

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Re: Das Schicksal und sein Dämon
« Antwort #1 am: Sa, 19. Juli 2008, 09:41 »
Ein Nachtrag:

Josef Bukin, der Autor diese Buches, ist ein Pseudonym.
Autor und Herausgeber sind ein und dieselbe Person.

Wer sich das kaufen möchte, möge bitte etwas genauer gucken da die Preisspanne zwischen 1 und über 20 Euronen liegt.

Lieben Gruß
Michael

Leseprobe kommt nachher.
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Re: Das Schicksal und sein Dämon
« Antwort #2 am: Sa, 19. Juli 2008, 14:54 »
Leseprobe:

........
Die Abbrucharbeiten bringen noch eine Erscheinung besonderer Art mit sich. Das Auffinden von Resten verschiedenster Ausrüstungsgegenstände, Bekleidungsstücke und Erkennungsmarken wird zur Begegnung mit den toten Kameraden, die hier in der Schlacht ihr Leben geopfert haben. Mit großer Sorgfalt und Mühe wäre es durch zusammensetzen und flicken möglich, damit ganze Gruppen wieder auszurüsten. Das ist zwar nur eine theoretische Überlegung, doch meine ich, dass man, um das Ausmaß von damals in jeder Phase begreifen zu lernen, sie trotzdem durchdenken und erwähnen soll.
Was für den Einzelnen noch brauchbar ist, wird selbstverständlich unter der Kleidung versteckt mitgenommen. Wie die Filzungen ergeben, hat jedoch kaum jemand gewagt, Waffenteile oder Munition ins Lager zu schmuggeln. Wir Überlebenden brauchen heute fast sechs Jahre nach Kriegsende andere Waffen und Mittel, um das Schicksal bestehen zu können. Doch die Begegnung heute mit dem Tod von damals ist eine Ermunterung, im Kampf um das weitere Überleben und die Freiheit ja nicht nachzulassen.
Während die Russen draußen feiern, dürfen wir unsere morschen Knochen auf der Pritsche langstrecken und ausruhen. Gott sei dank, das ist ein Segen nach diesen harten Tagen! Schade dass es hier nicht mehr politische Feiertage gibt, denn zu solchen Anlässen brauchen wir nicht befürchten, auf irgend eine Sonntagsarbeitsbaustelle verkauft zu werden. Außerdem hält die Kantine für uns eine besondere Überraschung bereit, zum ersten Mal gibt es Weißbrot und Brötchen zu kaufen. Für den, der sich das leisten kann, wird es eine Gaumenfreude, für die Allgemeinheit soll es ein Anreiz zum Rubel verdienen sein. So jedenfalls lautet auch die offizielle Begleitmusik zu dieser so genannten „Leistungsbescherung“.

Mit neuen Erwartungen marschieren wir nach den Ruhetagen der nächsten Baustelle zu. Ein im Rohbau fertig gestellter Wohnblock soll nach dem Willen der Funktionäre bis zum Jahresende noch bezugsfertig werden. Mithilfe der Kriegsgefangenen glaubt man jedenfalls, dieses Ziel erreichen zu können. Die Russen wissen zu genau, wenn man uns ein Zuckerbrot hinstreckt, dass dann Termine noch am ehesten eingehalten werden können. Weit ausgelegt kann das bedeuten, dass sich hier wieder die Chance bietet, durch erarbeitete Rubel unseren privaten Lebensstandard weiter anzuheben. Allerdings muss man sich dabei immer wieder die Frage stellen, wie lange der ausgezehrte Körper das Feilschen um das verflixte Geld noch mitmacht. Wie dem auch sei, die Russen verstehen es immer wieder meisterhaft, die letzten Reserven deutschen Fleißes und Gründlichkeit aus uns heraus zu locken. So ist es bestimmt auch kein Zufall, dass gerade jetzt zu diesem Zeitpunkt Rotkreuzkarten verteilt werden, um die seit vor der Verurteilung unterbrochene Verbindung mit der Heimat wiederherstellen zu können.
Nach dem so tragischen Ereignissen in der Untersuchungshaft und den Jahren danach ist es nicht einfach, jetzt eine Karte an die Angehörigen zu schreiben. Das Problem liegt nicht nur am Inhalt des Kartengrußes, sondern auch an der Rechtschreibung. Ist es doch schon eine Qual beim Geldempfang den eigenen Namen fehlerlos hinkritzeln zu müssen, und jetzt sollen ganze Sätze gebildet werden. Wem das Ausmaß der Verblödung noch immer nicht so richtig bewusst wurde, der kann das jetzt erfahren. Zuhause wird man sich über die vielen Schreibfehler vielleicht wundern, doch der erneute Brückenschlag, das Lebenszeichen, ist wichtiger als eine Deutscharbeit einzuschicken. Ich schiele nach allen Seiten, weil ich nicht nur nicht mehr weiß, wie die einfachsten Worte, sondern auch einzelne Buchstaben geschrieben werden. Komischerweise schäme ich mich aber auch, den Nachbarn darum zu fragen.
Die vielen Hoffnungen und Erwartungen, die dieser Brückenschlag weckt, bleiben naturgemäß nicht ohne Auswirkungen auf den Alltag. Dass diese Karten echt sind und auch tatsächlich in die Heimat geschickt werden, daran zweifelt niemand. Sicher wird es lange dauern, bis die ersten Antworten zurückkommen. In dieser Zeit erweisen wir uns schon mal wieder mehr als gutmütige Trottel dieses totalitären Regimes. Den Funktionären ihre Rechnung geht jedenfalls schon wieder mal im Voraus auf.
Es ist erstaunlich, wie Einzelne, denen man es vorher nie zugetraut hat, ihre handwerklichen Fähigkeiten entwickeln. Mitunter kann man den Eindruck gewinnen, als würden wir die Wohnungen für uns selbst herrichten auch die Russen sind mit unserer Leistung zufrieden, was in Prozente schreiben zum Ausdruck kommt. Gott sei dank ist man hier jetzt so gescheit und lässt alle Brigaden in den Genuss des Rubels gelangen. Es muss ja nicht immer der Höchstbetrag sein, der zur Auszahlung kommt. Wodka als der Völker verbindende Freundschaftstrunk fließt weiter durch die Kehlen einiger russischer Vorgesetzter und unserer Brigadiere.

Mit dem Fortschreiten der Arbeiten kommen immer mehr Zivilisten auf die Baustelle, Glaser, Elektriker, Maler und ganze Brigaden junger Mädchen zum sauber machen. Die Baustelle verwandelt sich in ein einziges Bienenhaus. Diese russischen Menschen sind durchweg freundlich und nett zu uns. Kamerad hier, Kamerad dort, so schallt es froh und munter auf allen Etagen. Kein Wunder dass wir, nachdem wir schon die zweite Karte in die Heimat geschrieben und nun den Zeitpunkt des ersten Posteintreffens mit Sehnsucht erwarten, uns in dieser zunehmend menschlichen Atmosphäre schon mehr als Gastarbeiter fühlen.
Dass die russischen Arbeitskollegen nun die Gelegenheit wahrnehmen und sich nach unserem bisherigen Schicksal erkundigen, empfinden wir als besondere Geste. Uns, die wir von der staatlichen Propaganda noch immer als scheußliche Verbrecher hingestellt, aber trotzdem mit den Leuten hier auf der Baustelle sozusagen in einen Topf geworfen, bittet man jetzt um unsere eigene Darstellung. Dieser Kontakt wirkt aufschlussreich und wohltuend für beide Seiten zu wissen, was man voneinander halten kann, das schafft ein Klima, welches die vom Regime geduldeten Normen bald weit übertrifft.
In dem russischen Malermeister, dessen Team ich zeitweise als Hilfskraft zugeteilt werde, finde ich einen Freund, der das Risiko jahrelanger Zwangsarbeit mit Verbannung auf sich nimmt, um mir ab und zu durch kleine Mitbringsel eine Gefälligkeit erweisen zu können. Gewiss denkt er bei diesem gefahrvollen Entgegenkommen nicht nur an mich allein, seinen einstigen Gegner im Krieg, sondern auch an seine leidenden Landsleute in Workuta, von deren Existenz er durch mich erfährt. Um diese furchtlose Haltung in ihrer ganzen Tiefe wirklich begreifen zu können, dafür gibt es nur eine Erklärung:" Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan".
Sicher lauschen hier überall die Spitzel, doch die vielen Räumlichkeiten auf jeder Etage machen es diesen Ganoven sehr schwer. Außer Verdächtigungen scheint ihnen kein greifbarer Erfolg beschieden zu sein, deshalb ständig Warnpredigten und unregelmäßige Filzungen der Zivilisten beim Betreten der Baustelle. Diese Maßnahmen werden noch durch ständige Kontrollgänge der Wachsoldaten durch die Trakte ergänzt, doch auch von unserer Seite hat sich inzwischen ein gut funktionierendes Warnsystem organisiert. So können sich die frisch geknüpften menschlichen Beziehungen zweier Völker trotz lauernder Gefahren auch auf einem speziellen Gebiet unaufhaltsam vertiefen.
Dass das, was man schlicht als das älteste Gewerbe der Menschheit bezeichnet, hier auf der Baustelle auch aufzublühen beginnt, ist bald kein Geheimnis mehr. Russische Mädchen suchen unter den Deutschen ihren Partner. Aber auch in unseren Reihen gibt es einige, die jetzt die Chance verspüren, ihre langsam wieder erwachende Männlichkeit zu testen. Viele sind ja der Ansicht, dass wir durch die jahrelange, besonders starke Auszehrung in Workuta jetzt womöglich gar nicht mit zeugungsfähig sind. So begegnet sich Hier kurz gesagt, der Liebeskummer beider Seiten. Warum soll man es deshalb nicht mal versuchen, sich auch auf diesem Gebiet gegenseitig zu trösten. Die russischen Mädchen führen ohnehin ein ebenso erbärmliches Dasein wie wir, ohne Freizügigkeit in Brigaden zusammengefasst, in Massenunterkünften zusammengepfercht und vom Regime nach hier zur Arbeit verpflichtet. Der Verdienst reicht weder zum Leben noch zum Sterben. Deshalb werden gerade wir, die innerlich und äußerlich wieder aufblühenden Jünglinge in der Liebesnot diese armen Geschöpfe als eine Art Geschenk des Himmels betrachtet. Ungeniert wird der eine oder andere verfolgt, um ihm bei passender Gelegenheit den Beischlaf anzubieten. So wird auch mein Spitzname " Bubi " bald unter den liebeshungrigen Geistern bekannt, doch der verflixte, schüchterne Kerl traut sich nie, in den dargereichten Evasapfel zu beißen.

Durch meinen russischen Freund werde ich Besitzer einer kleinen Zahnbürste. Gewiss, ich halte nicht viel vom Zähne putzen, doch irgendwo muss man ja mit der kosmetischen Körperpflege anfangen, wenn man sein Geld nicht nur für Fresserei ausgeben möchte. Hätte ich mir das kleine Ding in der Lagerkantine oder sonst nur selber kaufen können wie etwa den Kamm, dann ist diese Geschichte gar nicht erwähnenswert. So aber ist dieser kleine Gebrauchsgegenstand auch ein kostbares Erinnerungsstück an einen Mann, der das Menschsein weit höher schätzt als die mit Haß erfüllten, abgedroschenen Parteidoktrin.

Weihnachten, das Fest der Liebe, rückt immer näher. Zu diesem Anlass nehmen sich viele vor, etwas besonderes für das Wohlbefinden zu tun. Ich zähle mein bescheidenes Vermögen und ringe mich schließlich zu dem Entschluss durch, meinen Körper mal einen angemessenen Alkoholstoß zu versetzen. Das ist zwar ein recht unchristliches Vorhaben, doch ein Saufgelage soll es nicht werden. Nach der äußeren, möchte ich nun auch etwas für die innere Kosmetik tun. Meine schlaffen Glieder und Geister, die einem " Bubi oder Diplomlandwirt " in der sich langsam bessernden Lage gar nicht mehr so recht zu Gesicht stehen, sollen nun wenigstens mal für einige Stunden anständig auf Vordermann gebracht werden. 1/4 Liter Wodka würde da dafür schon genügen, doch zur Zeit gibt es in ganz Stalingrad nur Halbliter Flaschen, so dass ich dafür auch noch einen ebenso durstigen Partner brauche. So genannte heiße Ware wird wegen der Gefahren tagsüber, von den russischen Freunden meistens schon in der Nacht auf die Baustelle gebracht und versteckt. Jedenfalls bekomme ich am zweiten Weihnachtstag prompt einen halben Liter Wodka überreicht. Ich verständige meinen Mittrinker und wir beschließen, erst das Mittagessen aus dem Lager abzuwarten, damit der Treibstoff nicht in den leeren Magen kommt. Ausgerechnet an diesem Tag verzögert sich die Essenlieferung um Stunden, und man munkelt, die Mittagspause geht nicht mehr abzuhalten, dafür aber eine Stunde früher ins Lager zu gehen. Für unser Vorhaben bedeutet das, wenn jetzt nichts mehr schief gehen soll, muss der Sprit sobald wie möglich durch die Kehlen gepumpt werden. Mein Kumpan besorgt ein großes Brötchen, damit wir die dünnen, fettarmen Magenwände erst ein wenig mit Weißbrot abdecken können.
Alles klappt wie ein Schnürchen, doch nun, mein Partner kann sich mit dieser teuren Flüssigkeit nicht so recht anfreunden. Anstatt den edlen Trank nach Jahren härtester Entbehrungen in seiner Kraft und Wirkung voll zu genießen, schüttelt er sich von Schluck zu Schluck immer mehr und gibt auf. Alle Ermunterungen, nicht zu kapitulieren, bleiben erfolglos. Ja, er verzichtet sogar auf seinen finanziellen Anteil, um sich schleunigst aus dem Staub machen zu können, mich mit dem Alkohol allein zurück lassend. Das ist doch eine Schande, nicht mal beim Saufen kann man sich auf den Nächsten verlassen.
Bereits die Wirkung des Alkohols spürend, beschließe ich, den ganzen Rest jetzt allein aus zu trinken, denn für weitere Experimente ist mir die Flüssigkeit doch zu schade, und was teuer bezahlt wurde, muss auch getrunken werden. So genieße ich mutterseelenalleine, im äußersten Winkel des obersten Stockwerkes das erheiternde, stimmungsvolle russische Nationalgetränk "Moskauer-Wodka "!

Nachdem ich die Flasche geleert habe, denke ich, so jetzt kann mich niemand mehr ertwischen, der Stoff ist in Sicherheit. Ich begebe mich in einen größeren Raum und schaue zum Fenster hinaus. Draußen diktiert der russische Winter. Gemessen an dem, was jetzt in Workuta los ist, ist dies hier allerdings nur ein Bilderbuchwinter, so wie ich ihn auch aus der Kindheit in der fernen Heimat noch in Erinnerung habe.
Immer deutlicher spüre ich jetzt, wie sich der Alkohol meiner Glieder und Sinne bemächtigt. Ich bekomme ein Gefühl, als würde ich unter elektrischem Strom stehen, und das am zweiten Weihnachtstag. " Mensch Bubi, schämst du dich nicht, konntest du dir dafür nicht einen anderen Tag aussuchen! Ach was, man muss die Feste feiern, wie sie fallen". Allerlei Stimmen höre ich aus meiner Brust, nur keine Weihnachtglocken läuten.
Trotz des bis zur Rebellion aufgeputschten Temperamentes behalte ich mich fest im Griff. Deshalb fühle ich mich auch mehr als Held wie als Betrunkener. Nun, wer ein Held sein will, muss das auch beweisen, und so begebe ich mich leicht schwankend einige Etagen tiefer. Das überall, wo ich hinkomme, plötzlich die Wände schief stehen und sich die Decken biegen, finde ich recht lustig. Wahrscheinlich würde auch weiter alles gut gehen, doch inzwischen sind die Holzkübel mit der Suppe doch eingetroffen. Wie der Geruch verrät, gibt es Sauerkohlsuppe, und auf diese Vitaminkost möchte ich in meiner Heldenstimmung natürlich nicht verzichten.
Zwar alkoholverdächtig, aber dennoch unauffällig, empfange ich die Suppe und das Brot. Die dampfende Kohlsuppe riecht so sauer wie Essigbrühe, doch das reicht für eine Erleuchtung, dass sich diese Flüssigkeit mit meinem Alkoholspiegel nicht vertragen wird, nicht aus. Das Brot schiebe ich sofort meinem Nebenmann zu, weil es mich anekelt, und jetzt beginnt die amüsante Vorstellung, auf die meine nächste Umgebung schon lauert. Die Löffel zum Mund führen, das wird immer problematischer. Immer öfters verwechsle ich den Mund mit dem linken Ohr und bekleckere mich dabei von oben bis unten, doch aufgeben mag ich nicht, dazu bin ich zu ehrgeizig und zu stur. Ja, ich finde weder Verständnis noch eine Erklärung für das Gelächter um mich herum. Erst als der Magen versucht, dieses essigsaure Silofutter wieder auszustoßen, da wird mr diese Komödie doch zu bunt. Ich ergreife die Flucht, und ausgerechnet in dem engen Flur kann ich den ersten Auswurf des verärgerten Magens nicht mehr verhindern -zum Schrecken derer, die mir dort mit der dampfenden Suppenschüssel entgegenkommen. Ja, ja, das kommt davon, wenn Kinder schon Schnaps trinken! Unser " Bubi, unser Diplomlandwert " ist total besoffen, so kichert es aus allen Richtungen.
Enttäuscht über mein Versagen kauere ich mich in die dunkelste Ecke einer noch nicht fertigen Toilette im obersten Stockwerk. Der Magen leert sich vollständig aus, und ich versinke bald in einen tiefen Schlaf. Als ich von diesem kurzen Alkoholtod wieder erwachte, schaue ich in die grinsenden Gesicht der er um mein Wohl und die Sicherheit besorgten Aufpasser, die an diesem Schauspiel immer noch ihren Spaß haben.
Trotz des üblen Gestanks um mich herum fühle ich mich wie neugeboren. So gut es geht, reinige ich mit trockenem Mörtel meinen voll gekotzten Wams und trainiere, von Schlagseite und Übelkeit befreit, eifrig für das wieder beginnende Leben. Alle Schwerfälligkeit, Schlappheit und Müdigkeit ist wie weg geblasen. So leicht beschwingt bin ich, kein mich schon jahrelang quälendes Wehwehchen mehr spürend, noch nie gelaufen wie an diesem Abend. Selbst am nächsten Tag kann ich die angenehmen Folgen dieser Rosskur noch immer deutlich spüren. Dass ich unter normalen Umständen doch wieder ein flotter Bursche werden kann, bestärkt und bestätigt mich außerordentlich, und gerade deshalb glaube ich, dass mir der Himmel diese kleine Sünde verzeiht. Ich beschließe, zu gegebener Zeit dieser Schwung- und Verjüngungskur zu wiederholen.........


Lieben Gruß
Michael
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