Autor Thema: Einen bessern findst du nicht  (Gelesen 1558 mal)

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Offline zirkulon

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Einen bessern findst du nicht
« am: Do, 24. Januar 2008, 16:49 »
Titel: Einen bessern findst du nicht
Herausgeber: von ***
Verlag: Kindler und Schiermeyer  Bad Wörishofen
Erscheinungsdatum: 1952
Seitenzahl: 460
ISBN: nicht vorhanden
Sonstiges: Dieser Bericht erschien zuerst in der illustrierten Zeitschrift REVUE


Auszug:
..... Oberleutnant Schleiermacher zog ab, und wir rasten hinter das Haus. Schon standen die ersten Russen am Geschütz.
Ein Feuerstoß, ein Bersten und Krachen, ein Geheul von allen Seiten. Unser letztes Geschütz war in die Luft geflogen und mit ihm jene, die es erobern wollten.
Unsere Maschinenpistolen waren leer geschossen, Munition hatten wir nicht mehr.
Die letzten Eierhandgranaten flogen hinaus.
Durch den Nebel jagten wir davon.
Drei von uns traf ich am Gefechtsstand. Oberleutnant Schleiermacher war nicht dabei. Wir hatten uns verabredet, uns in jedem Jahr in Passau zu treffen. Er ist niemals gekommen.
Was noch zu berichten ist, lohnt sich nicht. Ein bißchen Glück verhalf mir dazu, bei der Kapitulation Zivilkleidung zu bekommen., noch ein bißchen Glück verschonte mich mit der Gefangenschaft.
Armselig wie der Schluß des Krieges ist also der Schluß dieses Berichtes.
Es soll wohl so sein, ich kann es nicht ändern.

Gruß
Michael
Bei allen von mir erstellten Beiträgen berufe ich mich auf :
Artikel 5, GG der BRD.
Artikel 11, Charta der Grundrechte der EU.
Artikel 19, Menschenrechtscharta der UN.

Was Du nicht willst dass man Dir tu,
das füg´ auch keinem Andern zu

Offline zirkulon

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Re: Einen bessern findst du nicht
« Antwort #1 am: Do, 24. Januar 2008, 17:42 »
Der Beginn des Buches,
ein Auszug:

Wir haben heute Morgen die Abzüge unserer Gruppenaufnahme bekommen. Und jeder kann sich nun genau betrachten, wie er als feldmarschmäßiger Landser aussieht.
Wir sind auf dem Bild zu sehen mit geöffneten Kragen und bis zum Ellenbogen aufgekrempelten Ärmeln, am Koppel tragen wir die Patronentaschen, die wir der Echtheit wegen, obwohl man es nicht sieht, mit scharfen Patronen gefüllt haben. Auch hängt da der Stahlhelm. An einem glatten Knopf ist die neue Taschenlampe zu sehen und darüber bei einigen Angebern ein neues Fernglas. Jeder hat am linken Handgelenk die Uhr. Und in der Hand haben wir das Gewehrs mit langgemachtem Riemen.
Wir hausen seit einigen Tagen im Wirtschaftsgebäude eines großen Gutes in Ostpreußen. Die Latrinenparole von     " großen Manövern " haben wir, ohne zu mucksen, gefressen.
Alle acht Männer auf dem Foto sind erst seit einigen Wochen eingezogen, und wir haben allerhand hinter uns. Man hat uns ganz anständig gebügelt und geschliffen. Wir wissen natürlich, dass wir in den Krieg gegen Polen ziehen. Warum und wieso auf einmal, hat man uns auch gesagt. Der Leutnant hat bei den alten Germanen angefangen und uns aufgrund aller Jahrhunderte bewiesen, dass wir nun eben gegen Polen Krieg führen müssen. Klar, dass wir dazu weder Ja noch Nein sagen konnten. Innerlich vielleicht, wenn wir uns unsere eigenen Gedanken machten. Aber das nützt natürlich keinem etwas. Und außerdem hatten wir keine Zeit, eigenen Gedanken viel nachzuhängen. Wir wurden gehetzt wie Kaninchen, von einem Appell zum anderen und von einem Bandwurmmarsch zum anderen. Nun, wir machten uns alles so leicht als möglich. Wir waren unter uns ganz vergnügt, aber eigentlich nur unter uns.
Sonst war so eine Art ungemütliche Gewitterstimmung. Ein bisschen Kampf war in allem. Warum, weiß ich nicht.

Alle acht haben wir vor drei Jahren die zwei Monat-Ausbildung mitgemacht. Wir gehören also nicht zu einer aktiven Truppe. Aber das ist jetzt alles gleich, wir gehören zur Infanterie, und es wird gesagt, dass die Infanterie die Königin der Waffen sei. Wir können uns an den fünf Fingern abzählen, dass diesmal die Luftwaffe die Königin der Waffen ist. Klarer Fall.
Wir acht Mann verstehen uns vorzüglich.

Auf den Gruppenbild stehen wir der Größe nach, und der kleinste von uns am linken Flügel ist der Matthias Krumbhaar. Ein Stöpsel. Aber ein Stöpsel mit Sprengstoff im Hintern. Er hat eine kohlrabenschwarze Haartolle, auf die der Spieß wild ist wie ein Amokläufer. Als wir den Krumbhaar kennen lernten, war die Tolle turmhoch und gerollt wie ein Wellblechdach, und bei seinem verrückten Haarwuchs standen auch seine Augenbrauen ab wie Husarenschnurrbärte aus dem dreißigjährigen Krieg. Der Spieß hat Krumbhaar dann befohlen, seine Tolle auf ein " menschenwürdiges Augenmaß " zu kürzen. Daraufhin hat der Krumbhaar die Sache um die Hälfte gekürzt. Das war so gut wie gar nichts. Er ist Friseur in Dresden-Neustadt, und er geht lieber vors Kriegsgericht, als seine Reklametolle zu opfern. Er ist verheiratet und hat einen dreijährigen Sohn. Er ist nicht gern Soldat, und noch weniger gern zieht er in den Krieg. Aber er sagt, dass, wenn er schon Soldat sein muss, er kein schlechter Soldat sein will. Auf diesen Standpunkt stehen übrigens wir alle acht Mann. Der Krumbhaar hatte gerade in der Sandsteingasse sein neues Geschäft eingerichtet, vier Sessel für Herren, und einen Gehilfen und einen Lehrjungen, einen Damensalon mit zwei Sesseln, wo seine Frau allein bediente, da wurde er eingezogen. Wir mögen ihn gern. Er ist immer blitzsauber und in beständiger Aufregung über irgend etwas; natürlich rasiert und frisiert er uns und schneidet unsere Haare, und seine Instrumente sind eine Sehenswürdigkeit. Er geht uns höchstens auf die Nerven, wenn er unsere Körperpflege bemängelt, und das tut er. Er redet, auch wenn nicht von Friseurdingen gesprochen wird, immer als Friseur mit uns. "Empfehle, über die Sache nachzudenken, der Herr " sagt er, oder: " Der Spieß hat Haare in den Ohren, trägt der Herr von heute nicht. " Und so.--

Der zweite von links auf unseren Gruppenbild ist Rolf Weinrich, Bäcker aus Andernach am schönen Rhein. Als wir zum ersten Male seine Riesenhände und seine dicken Armmuskeln sahen, dachten wir, nur keinen Krach mit dem da. Aber in Wirklichkeit ist er ziemlich schwächlich, wenn auch sein weißes Käsegesicht mit der Zeit braun wurde. Er sieht immer müde aus. Sein Mund schlappt tief herunter. Seine scharfen Falten von der Nase zum Kinn hängen schlaff, auch das Kinn selber hängt immer ein bisschen, und sein dünner Mund steht immer ein bisschen offen. Er redet nicht viel, aber eigentlich könnte er am vergnügtesten und sorglosesten von uns allen sein, denn er lässt nichts zurück als seine Stellung in Andernach am schönen Rhein. Er hat keine Eltern, keine Frau, kein Kind, keine Braut und nichts. Daher kommt es wohl auch dass er ein bisschen schmuddelig ist. Wir hatten es schnell heraus, dass er einfach nicht damit fertig wird, Soldat sein zu müssen und auch noch gegen Polen in den Krieg zu ziehen. Er sagt das alles ganz offen, wenn wir unter uns sind. Er sagt: „ Hat dir vielleicht Polen etwas getan? Mir nicht. Na also. " Und er sagt, wir seien nichts weiter als Würmer, die " unterm Absatz zu Mus zermanscht würden". Vielleicht ist es genauso. Aber es hat nur keinen Zweck, sich das immer vorzuheulen. Weinrich hat Hundeangst, zu fallen. Das ist die ganze Geschichte. Und wenn wir alle zusammen auch daran dächten, hätten auch wir alle acht, alle tausend und hunderttausend Mann Angst. In dieser Hinsicht geht uns Rolf Weinrich auf die Nerven.

Der dritte von links ist Kurtchen Zech. Auf den ersten Blick hat er tatsächlich das dümmste Gesicht unter uns, vorausgesetzt, dass ich nicht eventuell das Dümmste habe und man mir das vorsichtshalber nicht sagt. Kurtchen hat eine enge und zu kleine Unterlippe, und die Oberlippe hängt gewaltig abwärts, und das gibt ihm ein Schafsmäßiges Aussehen. Dazu hat er auch noch eine etwas schwere Zunge, und zuerst machte sich der Spieß ein Fressen daraus, sich als Privatvergnügen ellenlange Sätze (aus der Schießvorschrift zum Beispiel) von Kurtchen aufsagen zu lassen. Aber der Spieß war in diesem Fall kein Menschenkenner. Denn Kurtchen ist seines Zeichens, und wir haben alle gebrüllt, als wir es erfuhren, Kurtchen Zech ist Dr. phil. Kurt Zech, Privatdozent für orientalische Sprachen an der Universität Göttingen. Und er ist ein wahnsinniger Redner. Es braucht nur einer etwas von sich zu geben, was nicht genau stimmt, wie der Mayer III kürzlich, der behauptete, er habe den Jupiter im achten Haus und deshalb werde er niemals fallen, dann legt Kurtchen los und hält Vorträge. Und die Schießvorschriften, mit denen der Spieß ihn am Anfang komisch machen wollte, leiert Kurtchen herunter wie der Niagara. Kurtchen gefällt uns allen. Er ist der, der oben bleibt, wenn alles zum Kotzen aussieht. "Kommilitonen " sagt er stets, " die innere Harmonie macht's, darauf könnt Ihr Gift nehmen. Und was die innere Harmonie ist, werdet ihr über kurz oder lang genau wissen." Kurtchen ist verlobt, und das ist seine einzige schwache Seite. Wenn ein Brief von ihr kommt, ist er stundenlang schief gelaunt.---

Gruß
Michael
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