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Okkupationskrieg 1878
« am: Fr, 19. Oktober 2007, 07:04 »
„Einfach kaltblütig !“

Dramatischer k.u.k. Artillerieeinsatz im Okkupationskrieg 1878 gegen Insurgenten rund um das umkämpfte Banjaluka

Der Berliner Kongreß, welcher im Juni 1878 zusammengetreten war, übertrug bekanntlich Österreich-Ungarn die Okkupation von Bosnien und der Herzegowina, um die in diese Provinzen Ruhe zu tragen, die eigene gefährdete Sicherheit zu schützen. Auf drei Linien marschierten die k.u.k. Truppen in die beiden Länder. Die Armee gegen Bosnien unter FZM. Baron Philippovich, das Korps gegen die Herzegowina unter FML. Baron Jovanovic.
Gewaltige Anstrengungen und Strapazen harrten der Truppen in den unwegsamen Gebieten, die sie durchzogen, ein grausamer Feind ließ sie jeden Fußbreit Landes erkämpfen. Nicht in großen entscheidenden Schlachten, aber in steten unausgesetzten Gefechten, bei immer erneuten Überfällen mußten die Regimenter Mut, Ausdauer, Kaltblütigkeit und Entschlossenheit bewahren. wie sie in so hohem Maße der Krieg selten fordert. Und sie haben die Probe bestanden; alle die dort kämpften. und wie immer auch die Artillerie! Überall wird ihr die bewiesene Unerschrockenheit, die Ruhe bei Abgabe der Schüsse, die frappierende Sicherheit im Schuß nachgerühmt, die sie bewährte. Treu war sie all den glorreichen Traditionen der Vergangenheit geblieben.

Banjaluka wurde von den Türken überfallen. Verzweifelt wehrte sich die kleine Besatzung und hielt heldenhaft stand, aber längerer Widerstand war vergeblich, die von Gradisca angesprochene Hilfe konnte nicht mehr rechtzeitig erscheinen, das war jedem Soldaten klar. Dennoch kämpften die Leute, Trainsoldaten, Offiziersdiener, Verpflegssoldaten, selbst Marode und Musikanten unerschrocken weiter. Aber immer neue Türkenscharen stürmten heran, das Verhängnis war unabwendbar, und im Lazarett lagen die Kranken und Verwundeten und sahen dem gräßlichsten Tode entgegen. - Da plötzlich in kurzem Intervall donnerten Kanonenschüsse. Erschrocken sahen die tapferen Verteidiger in die Richtung, woher sie vernehmbar waren. Waren es neue Insurgentenscharen, die vom Rücken her vordrangen? Aber schon flog durch die Ebene Reiter daher - es waren kaiserliche Truppen, es war die Nothelferin Artillerie. Nun war alles gerettet. - Leutnant Röhn des 12. Festungsbatallions hatte in der Nacht vom 11. auf den 12. August den Befehl erhalten, mit einer aus vier 8 cm Geschützen gebildeten Batterie die Besatzung vor Banjaluka zu verstärken. Am 13. war er abmarschiert. Zwei Kompanien des Reservekommandos Nr. 16 folgten als Bedeckung. Schon war die Batterie auf 4 km an Banjaluka herangekommen als sie durch fliehende Vorspannsbauern von der Situation unterrichtet wurde. Leutnant Röhn erkannte, daß es kein Säumen gäbe und so jung an Jahren er auch war, er und seine Mannschaft wußten was altgeheiligter Artilleristenbrauch forderte: Entsatz bringen, wenn nötig auch mit Aufopferung des eigenen Lebens! Rasch ließ Röhn die 28 Mann starke Bedienungsmannschaft auf die Geschütze aufsitzen. er selbst setzte sich auf den Lafettenkasten des 1. Geschützes und fort ging es, dem Feind entgegen. Aber die schwachen kroatischen Pferde kamen nur langsam vorwärts und fast 2,5 Kilometer vor Banjaluka waren sie total erschöpft.
Was tun? Leutnant Röhn wußte Rat. Bald waren auf seinen Befehl die Zugstränge durchhauen und schon griff die mutige Bedienungsmannschaft in Rad und Speichen. Aber zuerst sollten die Bedrängten wissen, daß Hilfe naht. Röhn befahl 3 blinde Schüsse abzugeben. In der Hast und Eile wurden die Patronen verwechselt und mit dem Krachen der Geschütze waren es die herübersausenden Kartätschenladungen, welche anfangs die Verteidiger erschreckten, nun aber mit frohem Mute erfüllten.

Und nun ging es vorwärts, so schnell es aufs höchste angespannte Menschenkraft vermochte: ln Schritt und Laufschritt wurden die Geschütze fortgeführt bis endlich die erste Kanone das Niveau westlich des Bahnhofes erreicht hatte, welches der voraneilende Leutnant Röhn, begrüßt von den begeisterten „Zivios“ der Infanterie-Schwarmlinie, als Geschützstellung ausersehen. Kaum ist das Geschütz plaziert als auf 350 Schritte her die Gewehrkugeln der Insurgenten sausend ringsum einschlagen. Aber das hat ein wackeres Artilleristenherz noch nie beirrt. "Kartätschen doppelte laden, Einzelfeuer!“, hallt Röhns Kommando durch das Kugelgeprassel und schon sausen die Ladungen durch das Kornfeld. Sechs Schüsse und die Türken fliehen, Schrapnells geben ihnen das tödliche Geleit.
Zwei Mann der Bedienung liegen verwundet am Boden. Als die anderen 3 Geschütze in die Stellung kamen, fanden auch sie bald ihre Ziele. Zwei Geschütze feuerten nun auf das dicht besetzte Kloster zwei auf die Feindeshaufen, die aus dem Ortsrand hervorbrachen. Späterhin vereinten sich alle vier Geschütze gegen den Ortsrand. Das Feuer der Geschütze machte der eigenen Infanterie Luft.
War aber die Artillerie dort hilfreich, wo sie bewußt und überlegt handelte, so gönnte es ihr ein denkwürdiger Zufall auch dort rettend zu wirken, wo sie es nicht beabsichtigen konnte. Die ersten Schrapnells, welche nun gegen die Ortsumfassung zischten, waren zu lange tempiert und explodierten hinter derselben, gerade gegen jene Insurgentenscharen, welche das Spital angriffen. Es war Hilfe in höchster Not, denn länger konnte sich dieses mit den eiligst bewaffneten Sanitätern nicht mehr halten und 180 Kranke wären dem gräßlichsten Tod preisgegeben gewesen.
Schon hatten die Ärzte Cyankali-Kapseln ausgeteilt, denn jeder wollte lieber Gift nehmen, als grausam verstümmelt werden, als die Türken durch die Schrapnells erschreckt, sich zur Flucht wandten.
Noch hatte die Infanterie einen mörderischen Straßenkampf zu bestehen. aber allmählich verlor der Feind an Terrain. Eine rasch aus der Vrbaskaserne herbeigebrachte Bespannung ermöglichte der Artillerie die Position zu wechseln doch kam sie nicht mehr zum Eingreifen. Bald verstummte allerorts das Feuer, Banjaluka war erhalten, die Besatzung und Kranken vor furchtbarem Tode gerettet, durch die Kühnheit und den Opfermut der Artillerie. Als Rettungsengel feierten alle deren entschlossenen Kommandanten, Leutnant Röhn. Was artilleristische, heilig gehaltene Tradition von der Bemannung der Batterie fordern konnte, hatte sie getreu erfüllt. Mit Einsetzung aller Kräfte war sie den hart bedrängten Kameraden zu Hilfe geeilt, zweieinhalb Kilometer hatten sie mit großen Anstrengung eigenhändig die Geschütze herangeführt, dicht an den Gegner, und unerschütterlich stand sie im hagelnden Infanteriefeuer. Alle waren Reservisten; aber wenn ihnen auch deshalb in der Hast und ersten Aufregung für einen Augenblick die Ruhe des Exerzierplatzes fehlte, so daß sie vergaßen die Protze, die vor dem Geschütze stand, wegzunehmen so war doch sofort die alte Kaltblütigkeit wieder gewonnen.

Leicht redigiert und präsentiert von    Mag. Georg v.Reichlin-Meldegg, Hptm.i.TR  / RAD 2
Quelle: Mjr. Anton Semek, Die Geschichte der Artillerie, ihr Werdegang, ihre Entwicklung bis heute, C.W. Stern Verlag, Wien 1908, S 211 - 218
« Letzte Änderung: Do, 17. Juni 2010, 11:45 von Ulla »
" Tradition ist die Flamme hüten und nicht die Asche bewahren "
Grüße aus Wien

 


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