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Operation Zitadelle; Juli 1943 im Abschnitt der Heeresgruppe Süd

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Adjutant:
Prochorowka  

Aspekte der Operation Zitadelle; Juli 1943 im Abschnitt der Heeresgruppe Süd

Sie gilt gemeinhin als der Wendepunkt im Krieg gegen die Sowjetunion und wird auch die "größte Panzerschlacht des Zweiten Weltkrieges"(Fußnote 1/FN1) genannt - die "Panzerschlacht von Prochorowka".(FN2) Das ist ein kleiner Ort im Süden des heutigen Russland, ungefähr 50 km nördlich der Stadt Belgorod und 80 km südsüdostwärts von Kursk. In dieser Gegend sollen, so jedenfalls lauten viele Darstellungen, am 12.7.1943 auf dem Höhepunkt der Operation Zitadelle in einem Begegnungsgefecht in einer schmalen Enge von ca. vier Kilometern Breite zwischen einem Bahndamm und dem Flüsschen Pssel tausend Panzer aufeinandergeprallt sein, von denen die Masse am Ende der Schlacht als rauchende Trümmer in der russischen Steppe gelegen haben soll. Dramatische Schlachtenschilderungen davon gibt es zuhauf, es wird sogar der Vergleich mit der Schlacht von Waterloo gezogen, deren Ausgang bekanntlich den Verlauf der Weltgeschichte bestimmte.

"In Prochorowka wiederholt sich Waterloo: Am Morgen des 12.7.1943 rollen die Panzer Rotmistrows tiefgestaffelt gegen die zur gleichen Zeit auf der Landbrücke vorstoßenden Panzerregimenter Haussers. Zwei gigantische, in Staub und Qualm gehüllte Panzerlawinen donnern auf engem Raum aufeinander zu. Eine offene Panzerbegegnungsschlacht beginnt, wie sie die Kriegsgeschichte noch nie erlebt hat. Und sie auch nie wieder stattgefunden hat. 1500 Panzer und Sturmgeschütze, Giganten aus Stahl, fahren, schießen, explodieren, brennen, blitzen und krachen auf dem winzigen Meer aus Tälern und Hügeln rund um Prochorowka".(FN3)

Diese Schilderung weckt unwillkürlich die Assoziation an mittelalterliche, gepanzerte Ritterheere, die, im engen Zusammenschluss von Pferdeleib zu Pferdeleib und damit gewissermaßen wie eine gepanzerte Front, stur aufeinander zuritten und versuchten, sich buchstäblich aus dem Felde zu stechen. Wer jedoch wenigstens einmal einen Grundkurs in Taktik absolviert hat, den beschlichen bei solchen Schilderungen schon leise Zweifel, ob denn das alles so gewesen sein mag. Schließlich stellt sich doch schon nach oberflächlicher Betrachtung die Frage nach dem Verhältnis von Kräften zu Raum - oder umgekehrt: Welches Führungsverständnis unterstellen die Schlachtenmaler eigentlich den damaligen Führern auf der Ebene der Division, des Korps, der Armee, was dieses Verhältnis angeht? Wer sich gar die Mühe machte, einmal Dokumente zu lesen, die allgemein zugänglich waren - wie z.B. das Kriegstagebuch des bei Prochorowka kämpfenden II. SS-Panzerkorps (SS Pz.K) - und daneben vielleicht auch noch eine Grundvorstellung vom Einsatz gepanzerter Kampftruppen der Wehrmacht hatte, den beschlich schon früh der Verdacht, dass die Gemälde mit der Wirklichkeit wenig gemein haben könnten.

Dennoch - das Bild von der größten Panzerschlacht wurde weitergetragen - was zu großen Teilen bedeutete, dass nicht nur kritiklos abgeschrieben, sondern der eigenen Phantasie freier Lauf gelassen wurde.

"Die gewaltigen Panzermassen stürzten sich in einem frontalen Zusammenstoß aufeinander ... Die Ebene war von brennenden Panzerwracks beider Seiten übersät. ... Der gescheiterte deutsche Angriff markierte das Ende des Unternehmens "Zitadelle" ... " (FN4)

Doch es gibt noch eine Steigerung:

In der "größten Panzerschlacht der Weltgeschichte" sollen "zwei dicht gegliederte und geschlossene Panzerformationen mit über 1.500 Panzern in einer offenen Begegnungsschlacht" aufeinandergeprallt sein, "in einem Abschnitt von höchstens 500 Meter Breite und 1.000 Meter Tiefe".(FN5)

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei diesen Verfassern hohe Panzerzahlen die Phantasie stimuliert und sie hinweggetragen haben von jeder Realität, und eine dramatische Darstellung ihnen wichtiger war als der Umgang mit Fakten, also der historischen Wahrheit.

Den Grundstein zu dieser Art von Schilderung lieferte allem Anschein nach der Bericht des damaligen Befehlshabers der 5. Garde Panzer Armee (GPzA), Generalleutnant Rotmistrow. "Seine Schilderung ist eines der besten Schlachtengemälde der jüngsten sowjetischen Militärgeschichte"(FN6):

"... Die sowjetischen Panzer stoßen in voller Fahrt auf die deutschen Vorausabteilungen und durchstoßen den deutschen Panzerschleier. T 34 schießen auf geringste Entfernung "Tiger" ab, denen im Nahkampf ihre starke Bewaffnung und mächtige Panzerung keinen Vorteil mehr bringt. Die Panzer beider Seiten sind in engster Gefechtsberührung... Über dem Gefechtsfeld entbrennen gleichzeitig erbitterte Luftkämpfe....Bald ist das ganze Firmament von schwerem Rauch der Brände überzogen. Auf der schwarzen, verbrannten Erde lodern die abgeschossenen Panzer wie Fackeln ..."

Andere sowjetische Heerführer wie Schukow oder Konjew, der vom "Schwanengesang der deutschen Panzertruppe sprach", haben ähnliche Bilder gezeichnet.

Das mag man noch verstehen als propagandistische Verherrlichung der Leistungen der Roten Armee im "Großen Vaterländischen Krieg". Schwer nachzuvollziehen ist nur das wiederholte Abschreiben in westlichen Publikationen, zumal seriöse deutsche Quellen schon seit 1966 mit dem Standardwerk von Ernst Klink, "Das Gesetz des Handelns/die Operation Zitadelle 1943", verfügbar waren(FN7) und der Zugang zu deutschen Originalquellen beim Bundesarchiv/Militärarchiv jederzeit möglich war.

Seit rund zehn Jahren zeigt sich ein anderes Bild. Nun stehen neben den deutschen Quellen nicht nur sowjetische "Schlachtengemälde", sondern Quellen in Form von Gefechtsberichten, Verlustmeldungen und Kriegstagebüchern auch von sowjetischer Seite zur Verfügung. Oberst i.G. Frieser vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) hat wohl als Erster schon 1993 davon Gebrauch gemacht und seine Interpretation dem internationalen Fachpublikum und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. Besonders von amerikanischer Seite sind in den letzten Jahren Arbeiten unter Verwendung sowjetischer Dokumente publiziert worden. Der Weg zur historischen Wahrheit - sie ist für den sie erlebenden Soldaten, wie viele Erlebnisberichte zeigen, weiß Gott nicht weniger dramatisch als alle Schlachtengemälde - ist damit geebnet.

Der Verfasser nahm im Juni 1996 - damals in der Verwendung als Stellv.KG IV. Korps, davor Chef des Stabes CENTAG - an einer Reise mit einer Gruppe pensionierter hochrangiger Offiziere der U.S. Army sowie einer Gruppe deutscher Offiziere des vormaligen HQ CENTAG zum Operationsgebiet der damaligen Heeresgruppe Süd teil. In Belgorod traf eine Gruppe von Veteranen der Roten Armee dazu, vermittelt vom Dupuy-Institut in McLean, Virginia, dessen Chief Executive Director eine wandelnde Datei über die Schlacht war.(FN9) Unter den russischen Gästen befand sich der Oberst a.D. Koltunow, ein alter, freundlicher Herr um die Achtzig. Er war nicht nur Veteran der Schlacht auf sowjetischer Seite, sondern ein oft zitierter sowjetischer "Chefhistoriker" für die Schlacht um Kursk. Nach mehreren Tagen und verschiedenen Stationen einer Geländebesprechung kamen wir zu der für das Schlachtengeschehen so bedeutsamen Höhe 252,2, knapp drei Kilometer westlich Prochorowka. Dort steht ein erst 1995 während der Amtszeit von Boris Jelzin errichtetes Denkmal zur Erinnerung an den Erfolg der Roten Armee beim Stoppen der deutschen Truppen - oder "Hitleristen", wie sie oft in sowjetischen Darstellungen genannt werden.

Vor diesem sehr eindrucksvollen Denkmal gab Oberst a.D. Koltunow eine Erklärung zu den damaligen Geschehnissen ab, in der er zugab, dass die sowjetische Geschichtsschreibung über den Ablauf der Panzerschlacht bei Prochorowka nicht der ganzen Wahrheit entspricht. Er sei damals "aufgefordert" worden, die Zahlen zu "bereinigen".

Adjutant:
Der operative Rahmen - die Absichten beider Seiten

Prochorowka als Synonym für das Ereignis an einem Tag im Juli 1943 in der Nähe eines kleinen südrussischen Ortes ist eingebunden in ein Geschehen von größeren Dimensionen von Kräften, Zeit und Raum. Insofern ist die Benennung als "Panzerschlacht von Prochorowka" oder sogar als "die größte Panzerschlacht der Kriegsgeschichte" nicht nur nicht präzise, sondern in höchstem Maße irreführend.

Der Begriff Schlacht hat ohnehin einen schillernden Charakter. So sprechen wir von der "Schlacht um den Atlantik" und meinen damit die Operationen deutscher Seestreitkräfte, vornehmlich der U-Boote gegen die wichtigsten Seeverbindungslinien der Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Oder wir sprechen von der "Schlacht um England", den Angriffen der deutschen Luftwaffe gegen die britischen Inseln und ihre Abwehr im Zeitraum August 1940 bis Mai 1941. Auch mit Blick auf den Landkrieg hat sich schon im Ersten Weltkrieg das früher übliche Verständnis des Begriffs Schlacht aufgelöst, mit dem ein meistens auf einen Tag begrenztes Ereignis nach dem Ort benannt wurde, in dessen Nähe es sich abgespielt hatte, wie z.B. die Schlacht von Leuthen, die Schlacht bei Belle Alliance oder auch noch die Schlacht von Sedan. Die Schlacht von Verdun 1916 war räumlich begrenzt, erstreckte sich aber über einen längeren Zeitraum vom 21. Februar bis Ende August. Seit dem Zweiten Weltkrieg belegen wir ganz allgemein Ereignisse, die ergebnisorientiert in einem inneren Zusammenhang stehen, aber sich in größeren Dimensionen von Zeit und Raum abgespielt haben, mit dem Begriff "Schlacht", wie z.B. die Schlacht von Stalingrad oder die Schlacht von El Alamein oder wie mit den oben erwähnten Beispielen belegt. Diese Entwicklung zwingt jedoch den Betrachter in der historischen Aufarbeitung immer dazu, die kräftemäßigen sowie räumlichen und zeitlichen Dimensionen, die er einer Schlacht zuordnet, klar zu definieren.

Bezogen auf die "Schlacht von Prochorowka" ist die Diskussion der Historiker, was man denn eigentlich darunter verstehen solle, noch in vollem Gange. Dieser Klärungsprozess wird erschwert durch manchen Beitrag, in dem die Bezeichnung "Schlacht von Prochorowka" sehr unreflektiert und mehr als Schlagwort gebraucht wird und damit oftmals Ereignisse mit einschließt, die sich fernab von Prochorowka abgespielt haben.

Vernünftigerweise sollte man mit Blick auf das Geschehen an der Ostfront im Juli/August 1943 nur von der "Schlacht um den Kursker Bogen" oder der "Schlacht von Kursk - Orel" sprechen, weil damit alle Ereignisse eingeschlossen werden, die in einem inneren "operativen" Zusammenhang stehen. Diese Schlacht um den Kursker Bogen umfasste die Operation Zitadelle auf deutscher Seite sowie die sowjetischen Operationen zur Abwehr und zum Gegenangriff und spielte sich in einem Raum von 500 km Breite und 400 km Tiefe ab; nach deutschem Verständnis dauerte sie vom 5. bis 18. Juli 1943, aus sowjetischer Sicht sogar bis über den August hinaus. Das Schaubild 1 zeigt die Dislozierung der Kräfte im Raum am 4. Juli, dem Tag vor Beginn der Operationen.(FN10)

Bevor wir nun verfolgen, wie sich diese Kräfte in Raum und Zeit bewegten, soll kurz skizziert werden, nach welchen operativen Grundgedanken dieses geschehen sollte. Was waren die operativen Absichten der beiden Seiten?

Der Grundgedanke der deutschen Seite
Mit Blick auf die deutsche Seite kann in dieser Abhandlung nicht eingegangen werden auf die monatelange Diskussion auf höchster Führungsebene - Hitler, Oberkommando des Heeres (OKH), Heeresgruppenkommando - über die Frage, ob die Operation Zitadelle nach häufigem Verschieben des Angriffstermins überhaupt noch sinnvoll war und warum sich diese Verzögerungen ergaben. Darüber gibt es reichlich Veröffentlichungen.
In dem grundlegenden "Operationsbefehl Nr. 6" vom 15.4. 1943 wird ausgeführt:

"Ziel des Angriffes ist, durch scharf zusammengefaßten, rücksichtslos und schnell durchgeführten Vorstoß je einer Angriffsarmee aus dem Gebiet Belgorod und südlich Orel die im Gebiet Kursk befindlichen Feindkräfte einzukesseln und durch konzentrischen Angriff zu vernichten." (FN11)
"12.) Im Endziel nach Abschluß der Operation ist beabsichtigt:
(neben der Neuordnung der Kräfte und durch neue Grenzziehung die Zuteilung neuer Verantwortungsbereiche, Anm. des Verf.)
d.) das Herausziehen sämtlicher schnellen Verbände aus der Front zu anderer Verwendung. ...
Ich behalte mir ebenso vor, bei planmäßigem Ablauf der Operationen so schnell wie möglich aus der Bewegung zum Angriff nach Südosten ...antreten zu lassen ...".

"Ich" war der Unterzeichner des Befehls, Hitler in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der Wehrmacht und des Heeres.
Der grundlegende Operationsbefehl Nr. 6 enthält noch zwei weitere wichtige, sogar entscheidende Absichtsbekundungen:

In Ziffer 2.):
"Es kommt darauf an,
c.) den Angriffssturmkeilen so schnell wie möglich aus der Tiefe Kräfte zum Abdecken der Flanken nachzuführen, damit die Sturmkeile selbst nur vorwärts zu stoßen brauchen"
sowie in Ziffer 11.):
"Für das Gelingen des Angriffes ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass es dem Feind nicht gelingt, uns durch Angriff an anderen Stellen der H.Gr. Süd und Mitte zum Verschieben oder zum vorzeitigen Abziehen von Angriffsverbänden zu zwingen.
Deshalb müssen beide Heeresgruppen ebenso wie die Angriffsschlacht "Zitadelle" die Abwehrschlacht an den übrigen hauptsächlich bedrohten Frontteilen planmäßig bis Ende des Monats mit allen Mitteln vorbereiten."

Diese beiden Absichtsbekundungen - also das Nachführen von Kräften zum Abdecken der Flanken der Angriffskeile sowie das Vorbereiten der Abwehrschlacht in den Flanken der Angriffsoperation - waren jedoch nichts anderes als fromme Wünsche, da sie in Ermangelung an Kräften nicht umzusetzen waren. Und genau an diesen Umständen ist die Operation Zitadelle gescheitert. Generaloberst Model, der mit der 9. Armee den nördlichen Angriffskeil führen sollte, war allem Anschein nach der Einzige, der in aller Deutlichkeit Hitler gegenüber dieses Argument vorbrachte.(FN12) Manstein führt aus, dass "das Ob.Kdo.d.H.Gr. ..., um die vorgenannten Kräfte (für den Angriff, Anm. d. Verf.) überhaupt bereitstellen zu können, seine verbleibende Abwehrfront auf das äußerste (hatte) schwächen müssen(FN13), während bei der H.Gr. Mitte von der den Kursker Bogen von Westen her abschließenden 2. Armee ...auf einer Front von rund 200 Kilometern ... nur 9 schwache Inf.-Div. standen".(FN14) Die Armee "verfügte über keinen einzigen Kampfpanzer, sondern lediglich über 100 Sturmgeschütze (StuG) und Panzerabwehrkanonen (Pak) auf Selbstfahrlafette".(FN15) Ebenso beherrschte die "Sorge um die Stabilität des Abschnittes der 2. PzArmee" (links an die nördl. Angriffsgruppierung, 9. Armee, anschließend, Anm. des Verf.) das Denken bei der H.Gr. Mitte.(FN16) Die Bezeichnung Panzerarmee "trug dieser Großverband zu Unrecht, da er keine Kampfpanzer besaß". Selbst nach Unterstellung von zwei Panzerdivisionen verfügte sie nur über 144 Kampfpanzer, 23 Sturmgeschütze und 67 Panzerabwehrkanonen auf Selbstfahrlafette und war damit den ihr gegenüberliegenden eineinhalb sowjetischen Fronten (Brjansk-Front und Teile der West-Front) weit unterlegen, und diese Bedrohung hing wie ein Damoklesschwert über allen Planungen für die 9. Armee.(FN17) Konnten die Befehlshaber vor Ort also die bestehende Front schon nicht stabil abstützen, so waren die "aus der Tiefe schnell nachzuführenden Kräfte", also Infanteriedivisionen, die die Flanken der Stoßkeile abdecken sollten, erst recht nicht verfügbar, sodass diese Aufgabe auf die Kräfte der Stoßkeile zurückfallen musste.

Hier stellt sich dann natürlich die Frage, warum eine solche Auflage für die Operationsplanung - also die Sicherstellung der Abwehrschlacht als von "ausschlaggebender Bedeutung", soll heißen als Voraussetzung für den Erfolg der Angriffschlacht - überhaupt in den grundsätzlichen Operationsbefehl Nr. 6 aufgenommen wurde. Sie entsprach zwar zweifelsfrei der reinen operativen Lehre und ist insofern ein Beweis sauberer Generalstabsarbeit, aber jeder wusste doch, dass sie nicht mehr als der erwähnte fromme Wunsch war. Es fehlten schlicht die Kräfte, und das war mit einem Blick auf die Lagekarte festzustellen. Diese Frage führt direkt in die spannungsgeladene Atmosphäre im Verhältnis von Hitler zum OKH und den Oberbefehlshabern an der Front sowie zu deren Meinungsverschiedenheiten untereinander. Wollte vielleicht das OKH/Chef der Operationsabteilung den Gegnern der immer wieder verschobenen Offensive ein Argument liefern, dass wegen der unerfüllten Voraussetzung für die Angriffsschlacht der Operationsbefehl Nr. 6 aus sich heraus schon dafür spreche, die ganze Sache nun sein zu lassen? Dieses Spannungsverhältnis in der deutschen Führung verdient eine besondere Betrachtung, auf die hier nur hingewiesen werden kann.

Adjutant:
Der Grundgedanke der sowjetischen Seite

Zum Verständnis der sowjetischen Absichten ist es "notwendig, nur einen wesentlichen Aspekt herauszustellen: Unsere Verteidigung des Kursker Brückenkopfes hatte das Ziel, die enormen Angriffskräfte des Gegners zu erschöpfen und auszubluten, um dann zu einer entscheidenden Offensive durch Einführung frischer Reserven überzugehen".(FN19) Dann - so der Grundgedanke der STAWKA, des sowjetischen Oberkommandos vom März 1943 - "nach Einführung frischer Reserven, sollten die Hauptkräfte dieser beiden Fronten (nämlich der verteidigenden Zentral- und der Woronesh-Front, Anm. des Übersetzers) als auch solche der West- und Briansk-Front, die die Generaloffensive eröffnet hatten, die deutsche Hauptgruppierung entscheidend vernichten." (FN20)

Schukow führt den Grundgedanken in seinen Erinnerungen näher aus, wenn er schreibt, dass "... der Oberste Befehlshaber Stalin..." entschieden hatte , "...dem faschistischen Angriff mit dem Feuer aller Mittel der tiefgestaffelten Verteidigung, mit wuchtigen Schlägen der Fliegerkräfte und Gegenstößen der operativen und strategischen Reserven zu begegnen, den Gegner zu zermürben und auszubluten, ihn dann durch eine wuchtige Gegenoffensive ... zu schlagen und anschließend tiefe Angriffsoperationen ... zu unternehmen." (FN21)

Um die tief gestaffelte Verteidigung aufzubauen, wurde entschieden, eine Reihe von Verteidigungslinien bzw. Stellungssystemen vorzubereiten, die sich über die gesamte Zone erstrecken sollte von der Frontlinie bis zum Don mit einer Tiefe von rund 300 Kilometern.

Es wurde weiter entschieden, die Zentral- und Woronesh-Front in kürzester Zeit auf volle Stärke zu bringen und ihnen alle erforderlichen Waffensysteme zuzuführen, insbesondere Panzerabwehrmittel und Pioniermaterial. Eine Entscheidung der STAWKA war von enormer strategischer Bedeutung: die Konzentration von umfangreichen Reserven im Rücken des Kursker Brückenkopfes. Zu diesem Zweck wurde die Steppenfront gebildet mit mehreren Armeen sowie der 5. GPzA. Ebenso gehörten zu dieser neu aufgestellten Front selbstständige Tank-Korps(FN22) und zwei mechanisierte Korps.(FN23)

Die sowjetische Seite wollte damit die Gesamtoperation in zwei den Deutschen durchaus vertrauten Phasen führen: zunächst Verteidigung bis zum Kulminationspunkt der Kräfteabnutzung des Gegners, und dann das "Schlagen aus der Nachhand".

Der Unterschied zur deutschen Ausgangslage wird deutlich. Während die deutsche Seite ihre Kräfte nur in den Angriffsabschnitten konzentrieren und die Verteidigung in den Frontabschnitten neben den Angriffskeilen, die von "ausschlaggebender Bedeutung" war, nicht sicherstellen konnte und dort auch keine operativen Reserven hatte, schöpfte die sowjetische Seite gewissermaßen aus dem Vollen und stellte alle Kräfte - zumindest unter quantitativen Gesichtspunkten - bereit, um den operativen Grundgedanken in die Tat umsetzen zu können. Dennoch gelang dies letztlich nicht; die Sowjets wurden in der Entwicklung der Lage im Bereich der H.Gr. Süd, die hier im Vordergrund der weiteren Betrachtung steht, in wesentlichen Phasen geschlagen und schon nach wenigen Tagen zu neuen Entschlüssen der höchsten sowjetischen Führung gezwungen.

Die Sorgen der Sowjets waren nicht die Quantitäten, also die Masse, ihre Sorge galt der Qualität, der Qualität der Führung, insbesondere auf der unteren Ebene der Truppenführung, sowie der Qualität des Materials. Auf beiden Feldern wussten sie die deutsche Seite deutlich überlegen. Sie konnten diese Qualität nur mit rücksichtslosem Masseneinsatz erdrücken.
Der Verlauf der Operationen
Der Verlauf der Operationen ist auf dem Schaubild 2 schematisch dargestellt.

Der Angriff der Heeresgruppe Süd (Abb. 2)(FN24) in Zusammenarbeit mit der Luftflotte 4 (1) begann am 5. Juli morgens mit der 4. Panzerarmee (Pz.A) und der Armee-Abteilung Kempf, mit einem Vorausangriff der Pz.Gren.Div. Großdeutschland (GD) und der 11. Pz.Div. am 4.7. nachmittags. Die scharf zusammengefassten Angriffskräfte der 4. Pz.A durchstießen fast planmäßig die ersten sowjetischen Verteidigungsstellungen. Während das II. SS Pz.K nach Niederkämpfen feindlicher Kräfte in der zweiten Verteidigungsstellung und Zerschlagen eines Gegenangriffes operativer Feindverbände trotz ständiger Fesselung von Kräften in der rechten Flanke bereits am 10. Juli vor dem Durchbruch zum Angriffsziel stand, musste sich das XXXXVIII. Pz.K wiederholter Flankenangriffe erwehren und dazu die Stoßkräfte nach hinten eindrehen. Am 11. Juli stieß das II. SS Pz.K bis drei Kilometer vor Prochorowka vor.

Der Armee-Abteilung Kempf, ebenfalls am 5.7. antretend, gelang es nicht, mit dem III. Pz.K im Angriff wie beabsichtigt auf die Höhe der Kräfte der 4. Pz.A/II. SS Pz.K aufzuschließen und damit deren rechte Flanke offensiv zu schützen. Das Korps hing von Anfang an und dann letztlich am 11. abends ca. 20 km zurück. Das bedeutete für das II. SS Pz.K von Anfang an die erwähnte offene rechte Flanke, die von den Stoßkräften gedeckt werden musste.

Die sowjetische Woronesh-Front (Abb. 2/1) nahm die Verteidigung wie geplant auf, geriet jedoch bald in eine kritische Lage, weil alle Verteidigungsstellungen durchstoßen und Gegenangriffskräfte zerschlagen wurden. Schon in der Nacht vom 8./9. Juli fiel deshalb auf höchster sowjetischer Führungsebene der Entschluss, die inzwischen dichter herangezogenen strategischen Reserven (Abb. 2/2) gegen die vermutete Stoßrichtung des Gegners in der Gegend Prochorowka zu konzentrieren, um einen drohenden Durchbruch durch Gegenangriff abzufangen.

Dort - in der Gegend Prochorowka - trafen das II. SS Pz.K und die 5. GPzA am 12.7. aufeinander (Abb. 2/3).
Der Angriff der H.Gr. Mitte/9. Armee (Abb. 2/4) traf am 5. Juli ebenfalls auf stärkste Verteidigung der Zentral-Front. Der Angriff gewann nur langsam Raum. Bis zum 12. Juli gelang ein Einbruch in das engmaschige Verteidigungssystem der Sowjets bis in eine Tiefe von 10 bis 15 km, ohne dass sich ein Durchbruch abzeichnete. Der Ansatz der Kräfte bei der 9. Armee unterschied sich von dem bei der H.Gr. Süd insofern, als der Oberbefehlshaber (OB) der 9. Armee, Generaloberst Model, fast ausschließlich Infanteriedivisionen "vorn" zum Durchstoßen des nördlichen Stellungssystems der Zentral-Front einsetzte. Die Zentral-Front führte die Verteidigung (Abb. 2/4) wie geplant und setzte - im Unterschied zur Woronesh-Front - ihre Reserven frühzeitig gegen die deutschen Angriffsspitzen ein.

Wegen der Entwicklung in den Verteidigungsabschnitten der Woronesh- und Zentral-Front löste die sowjetische Führung die seit April vorbereiteten Gegenangriffe der Brjansk-Front (Abb. 2/5) - Operation Kutusow - aus. So geschah genau das, was Model von Anfang an befürchtet hatte.(FN25)

Am 12. Juli wurden die dünnen Linien der 2. Pz.A sofort durchstoßen, die sowjetischen Angriffskräfte erzielten einen Einbruch von ca. 20 km Tiefe mit der Aussicht auf einen Durchbruch Richtung Orel. Damit entstand im Rücken der deutschen 9. Armee die tödliche Gefahr, eingeschlossen zu werden. Diese Entwicklung erzwang bei der H.Gr. Mitte/9. Armee den Entschluss, den Angriff Richtung Kursk sofort einzustellen, die bisher in Reserve gehaltenen gepanzerten Divisionen nach Norden abzudrehen und der Krise im Rücken zu begegnen (Abb. 2/5).

Damit - also bei Orel und durch Gegenangriff der Sowjets gegen einen aus Kräftemangel nicht stabilen deutschen Verteidigungsabschnitt - war die deutsche operative Gesamtabsicht gescheitert, mögliche weitere Erfolge der H.Gr. Süd konnten danach nur noch von begrenzter Bedeutung sein.

Parallel zu den Operationen der sowjetischen Fronten wurden umfangreiche Aktionen von Partisanenverbänden im Rücken der deutschen Kräfte durchgeführt (Abb. 2/6), die die Verbindungslinien der Deutschen angriffen, damit den Nachschub behinderten und deshalb in unmittelbarem Zusammenhang mit den Operationen der Fronten zu sehen sind, zumal sie auch zentral von der STAWKA gesteuert wurden.

Alle Operationen wurden von beiden Seiten als echte joint operations nach heutigem Verständnis durchgeführt. Es gab eine enge Zusammenarbeit der Luftstreitkräfte mit den H.Gr. und Armeen bzw. auf sowjetischer Seite den Fronten, und die deutschen Luftstreitkräfte führten alle Formen des modernen Luftkrieges aus (Abb. 2/7), also:

- counter air zum Zerschlagen der feindlichen Luftstreitkräfte und Erlangung der eigenen Luftüberlegenheit;
- air interdiction - dabei insbesondere das, was wir früher battlefield air interdiction nannten - zur Abriegelung des Gefechtsfeldes und zum Zerschlagen von Feindkräften in der Tiefe sowie insbesondere
- close air support, der für die angreifenden Panzer- und Panzergrenadierverbände der 4. Pz.A sowie der Armee-Abteilung Kempf zum Niederkämpfen der zahlreichen sowjetischen Stellungen und Pak-Fronten geradezu unverzichtbar war und in seiner Bedeutung für die Gefechte der "gepanzerten Gruppen" der deutschen Panzerdivisionen in der Literatur viel zu wenig Beachtung findet.

Adjutant:
Im historischen Kontext gilt es, ein Ereignis herauszustellen, das zwar nicht im operativen, sehr wohl aber strategischen Zusammenhang stand und das - obwohl es sich über tausend Kilometer entfernt abspielte - unmittelbaren, sogar entscheidenden Einfluss auf die Operation Zitadelle hatte. Hitler wie auch alle Führungsstäbe (Oberkommando der Wehrmacht/OKW/OKH) befürchteten im Sommer 1943 die Landung amerikanischer und britischer Kräfte auf Sizilien: Hitler hatte schon bei dem vielfachen Hin und Her über den Angriffstermin seinen Entschluss bekundet, dass im Falle der Landung alliierter Kräfte auf Sizilien "... teilweise auf die für ‚Zitadelle‘ bereitgestellten Kräfte zurückzugreifen" sei.(FN26) Die Alliierten landeten am 10. Juli. Angesichts dieser strategischen Entwicklung und der operativen Lage bei der H.Gr. Mitte/2. Pz.A brach Hitler die Operation Zitadelle in einer Besprechung mit den OB der H.Gr. am 13. Juli ab.(FN27) Trotz des nachdrücklichen Einspruches des OB H.Gr. Süd, Generalfeldmarschalls v. Manstein, gab Hitler die unter Führungsvorbehalt stehende Reserve der H.Gr. Süd (XXIV. Pz.K mit SS-Division Wiking, 17. und 23. Pz.Div)nicht frei. Damit hätte, wie Manstein meinte, wenigstens ein Teilerfolg erzielt werden können.(FN29)

Prochorowka war in diesen Gesamtzusammenhang eingebunden und ereignete sich am 12. Juli. Für die Entscheidung über die Gesamtoperation um den Kursker Bogen war die "Schlacht von Prochorowka" nach der Krise bei der 2. Pz.A im Rücken der angreifenden 9. Armee und der Landung der Alliierten in Sizilien nicht mehr von Bedeutung. Ihr für die Operation Zitadelle ein entscheidendes Gewicht beizumessen oder gar für den weiteren Verlauf des Krieges heißt, die operativen und strategischen Zusammenhänge nicht angemessen zu gewichten.

Ab dem 13. Juli verblieben die Kräfte der 4. Pz.A im Wesentlichen in den bis dahin genommenen Räumen. Die Frontlinie änderte sich wegen der ausbleibenden nachdrücklichen Aktivitäten der sowjetischen Kräfte nur unwesentlich. Teile des III. Pz.K erkämpften dagegen bis zum 15. Juli den Anschluss an das II. SS Pz.K, sodass an diesem Tage eine durchgehende deutsche Frontlinie im Raum Prochorowka entstand.

Ab 18. Juli wurden die Kräfte der H.Gr. Süd, die bis dahin das Schlachtfeld "beherrschten", wie eine überkommene Formulierung treffend lautet, auf Grund des Entschlusses von Adolf Hitler zum Abbruch der Operation Zitadelle, geordnet und ohne Behinderung durch den Gegner bis auf die Ausgangsstellungen für die Operation Zitadelle zurückgenommen. Die wesentlichen Träger der Angriffsoperation der 4. Pz.A, die Division GD sowie das komplette II. SS Pz.K, wurden zu anderer Verwendung herausgelöst. Während GD als "Feuerwehr" in dem bedrohten Abschnitt der 2. Pz.A eingesetzt wurde, sollte das II. SS Pz.K nach Italien verlegt werden. Tatsächlich geschah dies nur mit der Division Leibstandarte Adolf Hitler (LAH). In der Front blieben die durch die vorangegangene Angriffsoperation geschwächten Kräfte zurück, die dann dem ab 5. August einsetzenden sowjetischen Gegenangriff zu widerstehen hatten.

Wie erwähnt, sahen die Sowjets von Anfang an die "Schlacht um den Kursker Bogen" mit einer weitreichenderen Dimension, nämlich der Zerschlagung aller deutschen Kräfte in einer großen Gegenoffensive. In ihrem historischen Verständnis gehört deshalb die Operation Rumiantsew (FN30) zur Wiedergewinnung des Raumes Belgorod - Charkow, die am 3.8.1943 begann, als integraler Bestandteil zu ihrer Gesamtoperation. Im deutschen Verständnis sind das die dann einsetzenden Rückzugsoperationen, bei denen kein deutscher Soldat mehr an die Erfolge auf dem Schlachtfeld von Zitadelle dachte - die stärksten und erfolgreichsten Verbände waren ohnehin abgezogen -, weil es "nur noch um die Verhinderung des Unterganges, um das nackte Überleben" (FN31) ging. Bis Ende September waren die deutschen Kräfte der H.Gr. Süd von den Sowjets bis über den Dnjepr zurückgeworfen worden. Die sowjetische Führung hatte den ersten großen Erfolg auch in einer Operation im Sommer, der bisher "immer den Deutschen gehört" (FN32) hatte, erzielt - wenn auch unter erschreckenden Verlusten an Menschen und Material.
Strukturen - Material - Stärken - Führung
Die deutschen Kräfte
Träger der Operationen auf deutscher Seite waren im Bereich der H.Gr. Süd die Panzerdivisionen, die zu Panzerkorps zusammengefasst waren. Die Division GD sowie die Divisionen des II. SS Pz.K wurden zwar als Pz.Gren.Div. bezeichnet, waren aber gegliedert wie Panzerdivisionen. Allerdings gab es bei GD eine Besonderheit, auf die weiter unten eingegangen wird. Die Pz.- bzw. Pz.Gren.Div. bestanden in der Grundgliederung aus einem Panzerregiment sowie zwei Grenadierregimentern (eines davon wurde in manchen Fällen als Füsilierregiment bezeichnet), dem Artillerieregiment sowie weiteren Divisionstruppen, insbesondere dem Aufklärungsbataillon. In der Division GD sowie den Divisionen des II. SS Pz.K (LAH, Das Reich/R, Totenkopf/T) gab es zusätzlich eine selbstständige Strurmgeschütz-Abteilung (StGschAbt) als divisionseigene Truppe mit 35 Kampfwagen; die 11. Pz.Div. war durch eine StGschAbt der Heerestruppen verstärkt.(FN33)

Das Panzerregiment (Pz.Rgt.) bestand nach STAN aus zwei Panzerabteilungen (Bataillon) zu je vier Kompanien mit je 17 Panzern. In der Regel war ein Bataillon der beiden Gren.Rgt. mit dem Schützenpanzerwagen (SPW) ausgestattet. Es stellte damit ein "echtes" Panzergrenadierbataillon dar, während die übrigen Bataillone reine motorisierte Infanterie waren. Ebenso gab es in dem Artillerieregiment eine Abteilung Panzerartillerie, die übrigen Abteilungen waren mit Zugmaschinen beweglich gemacht. Im Einsatz wurden das Pz.Rgt., das Pz.Gren.Btl. SPW sowie die Pz.Art.Abt. meistens zu der so genannten "gepanzerten Gruppe" zusammengefasst, die nach Aufbrechen von feindlichen Stellungssystemen zum sofortigen Stoß in die Tiefe angesetzt wurde.

Vor Beginn der Operation Zitadelle begann die Umrüstung der Panzerregimenter auf den neuen Kampfpanzer P-V Panther. Dazu wurden jeweils einzelne Abteilungen der Pz.Rgt. einiger der an der Offensive beteiligten Pz.Div. der H.Gr. Süd nach Übergabe des Materials an die zurückbleibenden Abteilungen nur mit dem Personal in das Reichsgebiet verlegt zur Übernahme und Ausbildung an dem neuen Gerät. Der Verlauf der Umrüstung und der Beginn der Offensive überschnitten sich jedoch. In der Konsequenz traten die Panzerdivisionen die Operation in unterschiedlichster Gliederung an, z.T. mit nur einer Pz.Abt. mit dem Panzer P-IV und P-III, wie z.B. die 3. Pz.Div. oder auch die Division LAH; andere Divisionen hatten zwei Pz.Abt. in den Pz.Rgt.(FN34) Das erklärt die von der STAN-Ausstattung abweichenden Stärkeangaben zu Beginn der Operation. Das Schaubild 3 zeigt die Gliederung der Division LAH als Beispiel.

Die in den sowjetischen Darstellungen überall auftretenden Kampfpanzer Tiger gab es nur in geringer Zahl. Die Divisionen GD, LAH, R und T hatten in ihren Pz.Rgt. eine Tiger-Kompanie mit 13 bzw. 15 Kampfwagen eingegliedert, während dem III. Pz.K die selbstständige schwere Pz.Abt. 503 (Tiger) unterstellt war, die jedoch in der ersten Phase des Angriffes auch kompanieweise auf die 6., 7. und 19. Pz.Div. aufgeteilt wurde. Diese insgesamt 101 Tiger (Stand 4. Juli) waren dann auch schon alle Panzer dieses Typs, die im Bereich der H.Gr. Süd eingesetzt waren.(FN35) Andere schwere Kampfwagen wie der Jagdpanzer Elefant und der Sturmpanzer Brummbär waren nur in geringer Stückzahl in den selbstständigen Abteilungen im Bereich der 9. Armee vertreten.(FN36)

Bei der Division GD wurde - und das ist der Sonderfall - die Panzerbrigade 10 gebildet, die aus dem Pz.Rgt. GD sowie aus den - erst am Angriffstag (!) - neu zugeführten Pz.Abt. 51 und 52 mit je 96 (!!) Panthern unter Führung des Stabes Pz.Rgt. 39 (mit zusätzlichen acht Panthern) bestand.(FN37) So kam die Division GD als Stoßkeil des XXXXVIII. Pz.K auf eine Panzerstärke von alles in allem 346 Panzern, wobei diese Zahl jedoch für das Gefecht irrelevant war. Die Stärke der SS-Divisionen lag dagegen zwischen 141 und 153 Panzern. Das II. SS Pz.K verfügte nicht über Panther, ebenso nicht das III. Pz.K.

Die Gliederung der reinen Infanterie-Divisionen kann hier nicht betrachtet werden, sie verfügten an schweren Waffen über eine Infanterie-Geschütz-Kompanie sowie eine Panzerabwehrkompanie in den Infanterie-Regimentern sowie ein Panzerjägerbataillon als Divisionstruppe mit zwei Kompanien Pak und einer Kompanie 2cm-FlA-Geschütze auf Selbstfahrlafette, die oftmals im Erdeinsatz verwendet wurden.
Der Standard-Panzer der deutschen Panzerdivisionen war der PzKpfw P-IV. Die Masse der bei Zitadelle eingesetzten Panzer P-IV war kampfwertgesteigert. Die Frontpanzerung war auf 80 mm verstärkt, was eine bemerkenswerte Erhöhung des Schutzes bedeutete. Vor allem aber waren die P-IV mit der Panzerkanone 75mm/L48 ausgestattet, die ähnlich wirkungsvoll wie die berühmte 8,8 KwK des Tigers war. Diese Kanone war allen feindlichen Panzern des Jahres 1943 überlegen. So konnte der P-IV sowohl den sowjetischen Kampfpanzer T-34/76 als auch den KW I vernichten, außer auf weite Entfernungen.(FN40)

Entscheidend beim Zusammentreffen der gegnerischen Panzerverbände auf dem Gefechtsfeld waren jedoch der Faktor "Führung", soll hier heißen "Beweglichkeit", sowie der Faktor "Feuerleitung" als Teil der Führung. Hier zahlte sich aus, dass die deutschen Panzer fünf Mann als Besatzung hatten: neben dem Fahrer, dem Funker und dem Ladeschützen den Richtschützen und v.a. den Panzerkommandanten. Dagegen musste im T-34/76 der Panzerkommandant gleichzeitig die Aufgabe des Richtschützen übernehmen, was den Kampfwert in puncto "Führung und Feuerleitung" im Gefecht erheblich minderte. Außerdem verfügten alle deutschen Panzer über Funkgeräte und waren so zu koordiniertem Handeln nach einem Führungswillen - sei es der eines Zugführers, eines Kompaniechefs oder Abteilungskommandeurs - befähigt.

Adjutant:
Diese rein technische "Führungsüberlegenheit" war ein Grundstein der Erfolge der deutschen Panzerverbände. Sie wurde noch potenziert durch die Professionalität der Führer vor Ort. Dem Verfasser ist trotz intensiver Studien kein einziges Panzergefecht im Verlauf der Operation der H.Gr. Süd bekannt geworden, das man als Sieg für die sowjetische Seite werten müsste. Im Gegenteil: Wo immer deutsche Panzerabteilungen mit dem P-IV auf sowjetische Panzerverbände mit dem T-34/76 trafen, fügten sie diesen Verluste bis zur Vernichtung zu. Oft wurden die sowjetischen Panzerformationen durch überlegenes Führungskönnen, überlegene Führungsmittel und infolge eines "Reichweitenüberhanges" der Kanone ausmanövriert und flankierend zusammengeschossen.(FN41) Auf dem Gefechtsfeld zeigte sich "Beweglichkeit" als Faktor von überragender Bedeutung, Beweglichkeit verstanden als die Fähigkeit zum schnellen Wechsel, zum Wechsel der Aufträge, der Gefechtsgliederung, oft auch der Truppeneinteilung. Da war dann Raum gegeben für die Entfaltung von Initiativen der Führer auf allen Ebenen, um stets jede günstige Lageentwicklung zu einem Erfolg auszunutzen, im Sinne der Gesamtabsicht der nächsthöheren Führungsebene. Dieses Führungsdenken galt, wie die Gefechtsberichte aussagen, für die guten alten Panzerdivisionen des Heeres gleichwie für die Divisionen des II. SS Pz.K.

Das alles hatte im Übrigen auch für die Sturmgeschütz-Abteilungen gleiche Bedeutung, bei GD oft im Zusammenwirken mit der Aufkl.Abt.(FN42) gewissermaßen als "viertes Manöverelement",(FN43) zumal das Sturmgeschütz III hinsichtlich Bewaffnung, Schutz und Beweglichkeit dem P-IV vergleichbar war.(FN44)

Wir wollen hier noch einmal zur Verdeutlichung festhalten: Die Erwartungen der höchsten Führung galten den "neuen" Panzern Tiger und Panther, in der Realität war aber der Panzer P-IV der Träger der Operation.
In allen Divisionen gab es noch in erheblichen Stückzahlen den PzKpfw P-III, v.a. in der Ausfertigung J, der Standardausstattung mit der Panzerkanone 5cm L60. Im Jahre 1943 war dieser Panzer in jeder Hinsicht obsolet. Der P-III war zwar seit 1941, dem ersten Zusammentreffen mit dem damals weit überlegenen T-34, ständig kampfwertgesteigert worden, hatte aber die Grenze der Entwicklungsfähigkeit erreicht. Die Produktion wurde 1943 eingestellt.(FN45) Der Panzer fand auch Verwendung in vielen Spezialrollen, z.B. als Flammpanzer oder als Führungspanzer, u.a. in Artillerieverbänden.

Der Tiger-Panzer P-VI schien - nach vielen Veröffentlichungen - alle anderen Panzer durch Panzerung und die legendäre 8,8 Panzerkanone zu übertreffen. Jedoch war die 8,8 der 7,5 Kw.K des P-IV nur marginal überlegen, und auch von der steilen, platten Formgebung und damit von der wirksamen Panzerung her war der Tiger keineswegs der große Vorsprung in der Panzerphilosophie.(FN46) Aber der Tiger war der Schrecken für die sowjetischen Truppen.

Der PzKpfW P-V Panther war das Ergebnis einer wesentlich moderneren Konzeption für den Panzerbau als der Tiger. Als er am 5. Juli im Rahmen der Division GD zum Einsatz kam, war er technisch noch nicht ausgereift, damit eigentlich noch nicht feldverwendungsfähig. Von den 200 Panthern, die der Division GD am 5. Juli zugeführt wurden, schwankte zwischen dem 6. und dem 18. Juli die Zahl der einsatzbereiten, d.h. am Gefecht teilnehmenden Panzer, zwischen 16 und 44. Tatsächlich waren also selten mehr als 40 Panzer dieses Typs einsatzbereit am Feind.(FN47) Dennoch, mit seiner starken Panzerung, besseren Formgebung und der hervorragenden 7,5cm-Kanone war er dem Tiger an Kampfkraft gleich, noch dazu in der Beweglichkeit überlegen.

Oberstleutnant a.D. Filla, damals PzKdt in der Pz.Abt. 52 (vormals II. Abt. Pz.Rgt. 15/11.Pz.Div.) war von Anfang der Umrüstung auf den neuen Panzer an in Grafenwöhr dabei und berichtet: "Wir als erfahrene Panzerleute betrachteten die Situation durchaus mit gemischten Gefühlen. Einerseits waren wir voller Vorbehalte, mit einem technisch nicht ausgereiften Gerät in den Einsatz fahren zu sollen, andererseits weckte der Panther doch unser Vertrauen. Denn endlich hatten wir mit diesem Panzer ein Fahrzeug, das die Bezeichnung Panzer verdiente. Endlich hatten wir eine gute Panzerung, die uns im Einsatz wirklich Schutz bieten konnte. Unser P-III, in dem ich die meisten Einsätze gefahren hatte, war dagegen nur eine Blechbüchse. In der Tat war die Frontpanzerung gut, und wir konnten Beschuss durchaus hinnehmen. Leider war die Panzerung in der Seite nicht so stark, und im Gefecht haben wir dann fast alle Verluste nur durch Beschuss aus der Flanke erlitten." Der schon häufiger zitierte Zetterling meint, "... dass, wenn irgendein Panzer die Bewertung als bester Panzer während des Krieges verdient, dieses der Panther sein muss".(FN49)

Die Stärken der deutschen Panzerdivisionen der H.Gr. Süd mit Stand 5. Juli sind in der Abbildung 4 dargestellt. Auffallend sind die unterschiedlichen Stärken sowie die Vielfalt im Ausstattungsstand der Divisionen. Dass angesichts dieser Stärken nach wie vor die Märchen von den Hunderten von Tigern weiterleben, soll hier nur als Kuriosität angemerkt, aber nicht weiter kommentiert werden.

Die sowjetischen Kräfte
Auch hier können die Schützen-Divisionen als reine Infanterie und "Stellungstruppe" nicht betrachtet werden.

Die Sowjets hatten im Jahre 1942 wieder begonnen, Panzerkräfte zu operativ verwendbaren Truppenkörpern zusammenzufassen, statt sie nur zur unmittelbaren Unterstützung der Schützendivisionen einzusetzen wie 1941.(FN50) Diese Formationen waren die Tank-Korps (TK)(FN51) sowie die mechanisierten Korps (MechK). Die TK bestanden in der Regel aus drei Panzer-Brigaden mit je zwei Panzerbataillonen, die im ersten Bataillon reinrassig mit 21 T-34/76 ausgerüstet waren und im zweiten gemischt mit einer Kompanie mit 10 T-34 sowie zwei Kompanien mit 21 T-70. Außerdem gehörte zu dem TK eine mechanisierte Brigade, in der neben der reinen Infanterie ein Panzerregiment mit 39 Panzerkampfwagen eingegliedert war.(FN52) Siehe dazu Abbildung 5.
Im Jahr 1943 gingen die Sowjets dazu über, mehrere TK und MechK zu operativen Großverbänden, den Panzerarmeen (PzA), zusammenzufassen. Die Standardgliederung einer PzA waren zwei TK sowie ein MechK, jedoch konnten weitere Korps unterstellt werden.

Daneben bildeten die Sowjets ab 1943 selbstständige Panzerregimenter (PzRgt), die gewissermaßen als Heerestruppen von der oberen Führung jeweils den Schützen- oder Panzerarmeen zugeteilt werden konnten.

Solche "selbstständigen" PzRgt waren oft mit dem Panzer KW 1 ausgerüstet und verfügten über 21 Kampfwagen. Zuweilen waren diese selbstständigen PzRgt mit dem britischen Panzer Churchill in gleicher Anzahl ausgerüstet. Regimenter dieses Typs sind wegen ihrer Stärke von ihrer taktischen Bedeutung her also näher einer deutschen Panzerkompanie als einer Panzerabteilung zuzuordnen.

Der Standard-Panzer der sowjetischen Armee im Sommer 1943 war nach wie vor der T-34/76, der zwar 1941 bei dem ersten Zusammentreffen mit den damals verfügbaren deutschen Kampfpanzern diesen deutlich überlegen war, aber diese Überlegenheit entgegen weit verbreiteter Meinung gegenüber dem deutschen kampfwertgesteigerten PzKpfW P-IV des Jahres 1943 mit seiner 7,5cm-Kanone längst verloren hatte, von dem Panther und Tiger ganz zu schweigen. Die technische Unterlegenheit wurde noch verschärft durch erhebliche Nachteile auf dem Feld "Führung" und "Feuerleitung", und wiederholt wird hervorgehoben, dass der Kommandant gleichzeitig die Aufgabe des Richtschützen übernehmen musste. Man braucht nicht weiter auszuführen, dass diese Überforderung eines Mannes in zwei Schlüsselfunktionen im Gefecht zu einer erheblichen Einbuße an Kampfkraft führte. v. Ribbentrop, damals KpChef 6./PzRgt LAH, berichtet in einem Interview: "Der T-34 war für uns kein Problem. Er war nur gefährlich für uns, wenn er eingegraben war und das Feuer auf kurze Entfernungen eröffnete. Dann war er auch noch hervorragend getarnt." (FN53)

Der T-70 war in jeder Hinsicht - Panzerung, Kanone, Beweglichkeit - veraltet, die Verwendung zusammen mit T-34 in den zweiten Bataillonen der Panzerbrigaden erwies sich im Gefecht nur als Nachteil. Auch der KW 1 war trotz seiner Panzerung kein überlegener Gegner für die deutschen Panzer. Er war zu langsam, wurde im Gefecht "ausmanövriert" und aus günstigen Schusswinkeln vernichtet. Zum englischen Panzer Churchill bemerkt ein Zeitzeuge, dass "wir sie schnell vernichteten. Später trafen wir auch auf amerikanische Panzer vom Typ Sherman und General Lee, die alle für uns keine ernst zu nehmenden Gegner waren." (FN54) (FN55)

Insgesamt kann man festhalten, dass die deutschen Panzerverbände jenen der sowjetischen Armee im Sommer 1943 überlegen waren - überlegen in jeder Hinsicht: im Können der Führer auf allen Ebenen mit dem Führungsprinzip der Auftragstaktik, in der Verfügbarkeit von Führungsmitteln und insbesondere in der technischen Qualität der Hauptwaffensysteme. Diese Verhältnisse erklären auch die Relationen bei den Verlusten. Frieser führt unter Betrachtung der Gesamtoperation aus, "... dass die Total-Verluste der Zentral-Front, der Woronesh-Front sowie der Verstärkungen aus der Steppen-Front zwischen 1.614 und 1.956 Kampfwagen lagen. Auf jeden Fall waren sie im Vergleich zu den 252 deutschen Totalverlusten an Panzern und Sturmgeschützen erheblich höher."(FN56) Die amerikanischen Historiker Glantz und House führen anhand ausführlichen Zahlenmaterials aus, dass auf einen verlorenen deutschen Panzer mindestens fünf sowjetische zu zählen seien.(FN57) Man darf bei diesen Zahlenverhältnissen jedoch nicht übersehen, dass nicht alle Panzerverluste im direkten Panzerduell aufgetreten sind, insbesondere die sowjetischen Verluste sind zu einem erheblichen Teil auf die Erfolge der Panzerjagdstaffeln der Luftwaffe zurückzuführen.

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