Hier ein Artikel von 2012
Dortmund. „Der Terror der Nazis war nicht irgendwo, sondern auch mitten in Dortmund“, betont Dr. Stefan Mühlhofer vom Stadtarchiv. Erstmals in der Geschichte der Stadt wird dort eine Karte über die Zwangsarbeiter erstellt. Und die Recherchen zeigen: „Jeder, der Anfang der 40er Jahre in Dortmund gelebt hat, muss mit dem Thema Zwangsarbeiter konfrontiert worden sein.“
„Der Terror der Nazis war nicht irgendwo, sondern auch mitten in Dortmund“, betont Dr. Stefan Mühlhofer vom Stadtarchiv. Erstmals in der Geschichte der Stadt wird dort eine Karte über die Zwangsarbeiter erstellt. Und die Recherchen zeigen: „Jeder, der Anfang der 40er Jahre in Dortmund gelebt hat, muss mit dem Thema Zwangsarbeiter konfrontiert worden sein.“
Da es bislang keine Grundlagen für diese Arbeit gibt, mussten Stadtarchivar Hermann Bausch und Infografiker Arnd Lülfing sich in die verschiedensten Archive her-einarbeiten, mussten in Sisyphusarbeit Dokumentationen aus den Jahren 1933 bis 1945 auswerten oder unzählige Luftbilder, zur Verfügung gestellt durch die Alliierten. „Wir haben sehr viele Stadtpläne gesichtet, bewertet und schließlich einen aus dem Jahre 1934 in etwa 100 Stunden Straße für Straße als Vektorgraphik in den Computer eingespeist“, so Arnd Lüling.
Nicht nur die großen bekannten Lager
In einer dem Stadtarchiv vorliegenden Dokumentation gibt es etwa 800 Einträge im Stadtgebiet, Stellen, an denen Zwangsarbeiter gelebt haben. „Das waren nicht nur die großen bekannten Lager“, so Hermann Bausch. Das seien auch fast alle Dortmunder Schulen gewesen, Hinterzimmer von Gastwirtschaften oder auch die Westfalenhalle, in denen für etwa drei Jahre keine Veranstaltungen stattfanden. „Mal waren es vier, fünf, mal waren es 1000 oder mehr Menschen“, weiß Bausch. Um keine Doppelungen in der Auswertung zu haben, wurde Stelle für Stelle überprüft. „Derzeit haben wir 300 verlässliche und gesicherte Stellen in der Karte aufgelistet“, erklärt Arnd Lülfing.
3D-Animation der Steinwache
Derzeit wird an einer 3D-Animation der Steinwache gearbeitet.
Es soll eine Umsetzung des ehemaligen Gestapo-Gefängnisses vor dem Jahre 1945 werden, mit beiden Geschossen, mit allen Zellen, der Hausmeisterwohnung oder auch den einzelnen Büros.
Die Arbeit ist nur durch die Auslandsgesellschaft Deutschland (AG D) und Bundesmittel aus dem Projekt „Toleranz fördern und Kompetenz stärken“ möglich.
„Wie wir die Animation in die Ausstellung einbauen, ist noch fraglich“, erklärte Dr. Stefan Mühlhofer, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache.
Vermutlich Mitte des Jahres wird die Animation fertig sein. Infos:
http://dev.stadtarchiv.dortmund.deEigentlich habe man mit dem Kapitel Zwangsarbeiter vor rund zehn Jahren abgeschlossen, als die Entschädigungen gezahlt wurden. Doch die neuen Recherchen haben viele Dinge zu Tage gefördert, die bislang nicht bekannt waren. So habe man zwei neue Lager entdeckt, die auf dem Gelände Phoenix-West angesiedelt waren. „Und die Recherchen haben auch gezeigt, dass die Zwangsarbeiter völlig unterschiedlich untergebracht und behandelt worden sind, teilweise sogar auf der gleichen Zeche“, sagte Mühlhofer.
Auch habe man festgestellt, dass die in die Konzentrationslager Deportierten „,mit ihrem Hab und Gut durch die Straßen getrieben wurden, quer durch die Stadt“, berichtet Bausch und verweist auf fundierte Recherchen des Heimatforschers Rolf Fischer. So war es Arnd Lülfing auch anhand von Bauzeichnungen möglich, eine Animation einer Baracke anzufertigen.
Computeranimation soll noch folgen
Neben den Recherchen was die einzelnen Standorte angeht, habe man Luftbilder gesammelt, teilweise auch einige historische Fotos, Informationen, „die wir zu einer interaktiven Computeranimation zusammentragen können“. Erste Szenen sind schon im PC gespeichert. „Aber das ist noch Zukunftsmusik“, so Mühlhofer. Erst wolle man Mitte April die Karte veröffentlichen. Und dann werde man sehen, ob man vor allen Dingen Jugendliche an das Thema durch die PC-Animation heranführen könne. „Denn viele junge Leute kennen dieses Thema überhaupt nicht mehr“, betont Mühlhofer. Oftmals sei auch kein Großvater vorhanden, der im Krieg war oder eine Urgroßmutter, „die hamstern gegangen ist“. Diese Jugendlichen könnten so Einblicke in die Geschichte gewinnen, „nicht in eine abstrakte, sondern in die Geschichte direkt vor ihrer Haustür“.
Die Forschungen seien noch nicht abgeschlossen. Die bisherigen Erkenntnisse, in der Steinwache bereits veröffentlicht, seien rund zwanzig Jahre alt. „Durch die jetzigen Erkenntnisse ist ein Blick auf die Geschichte Dortmunds möglich, wie man ihn bislang noch nicht hatte.“ Dieser Blick wurde erst möglich durch die Auslandsgesellschaft Deutschland. Und durch Lülfing und Bausch, für die „diese Umsetzung eine wahnsinnig spannende Sache ist“, so Lülfing.
von Andreas Winkelsträter
Quelle:Der Westen vom 06.02.2012