Die Bismarckzeit war längst vorbei, mit dem letzten deutschen Kaiser, Wilhelm II, hatte die Wilhelminische Ära in Deutschland begonnen. Aber der unsichere und unausgereifte Staatsmann war wesentlich weniger prägend als der grosse Kanzler vor ihm, ausserdem besass er in seinen Entscheidungen - innen wie aussenpolitisch- nicht immer ein glückliches Händchen. Dennoch hatte das deutsche Reich im Lauf der Jahrzehnte einen unaufhaltsamen Aufstieg erfahren, das reale Volkseinkommen war stetig gestiegen und auch wenn es weiter soziale Spannungen gab, konnten mehr und mehr Kleinbürger am wachsenden Wohlstand teilhaben. Darum schien der Glaube an den Kaiser unerschütterlich, Hand in Hand mit ihm wuchs der Glaube an die durch Amt und Uniform verliehene Autorität. In jener Zeit verschaffte man sich Ansehen über seinen Dienst beim Militär. " Nur wer gedient hatte " , galt als ernstzunehmender Gesprächspartner.
Aber auch anderswo spielten die Streitkräfte und ihre Ausrüstung eine immer grössere Rolle, im Wwetteifern um eine Weltmachtsposition, an dem zunehmend auch Staaten ausserhalb Europas teilnahmen, hatte ein nie gekannter Rüstungswettlauf auf der Erde eingesetzt. Die Haager Friedenskonferenzen, zu der die niederländische Königin 1899 und 1907 geladen hatte, waren ohne Erfolg geblieben. Einerseits schien es ohnehin schwer, sich auf gemeinsame Schritte zur Abrüstung zu einigen, anderseits blockierte die ablehnende deutsche Haltung bis zuletzt die nötige Einstimmigkeit.
Wilhelm II. und mit ihm die führenden Köpfe des Reiches waren lange Zeit so von der eigenen Machtposition überzeugt, dass man weichenstellende politische Entwicklungen verpasst hatte. Insbesondere an den zahlreichen Bündnisbeschlüssen war Preussen-Deutschland durch Überheblichkeit und eigenes Fehlverhalten immer weniger beteiligt. Statt die zunächst durchaus kooperationswilligen Briten gegen die Phalanx aus Frankreich und Russland mit ins Boot zuholen, vergraulte man die führende Seemacht Grossbritanien durch den unkoordinierten Ausbau der eigenen Flotte. Am Ende blieb nur der habsburgische Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn als Bündnispartner.
Aber gerade die Donaumonarchie war keine gute Wahl, ihre unglückliche Verstrickung in die seit langem anschwellende Balkankonflikte und die so genannte Julikrise leitete 1914 eine Völkerschlacht ein, die insgesamt neun Milionen Tote fordern sollte.
Als der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand am 28.Juni 1914 nach Sarajewo reiste , um auf dem Balkan zu vermitteln und Kroaten und Bosnier von seinem Alternativvorschlag zu einem slawischen Grossreich unter serbischer Leitung zu überzeugen, wurden er und seine Frau von einem 19-jährigen serbischen Nationalisten erschossen. Das Attentat von Sarajewo löste eine Kette von Missverständnissen, Fehlentscheidungen, Unterstellungen und Überreaktionen aus, man versicherte sich noch einmal unbedingte Bündnisstreue in den verschiedenen Koalitionen und liess von da an eine Kriegserklärung auf die nächste folgen. Schnell wuchs die Begeisterung für den Krieg. Zu nächst war der Jubel gross. Ein kurzer Krieg, so glaubte man werde die Menschen und Nationen läutern. Der Krieg erschien als eine Art Besserungsanstalt.
Es gab sogar unter den Theologen Deutschlands breite Zustimmung zu den Kriegsplänen, vor allem von den protestantischen Theologen.Aber auch unter den Katholiken war vielfach ein blindes Sich-Enlassen auf die scheinbar gerechte Sache der eigenen Nation zu beobachten. In Deutschland nicht weniger als in Frankreich oder Österreich-Ungarn. So hiess es in einer Sonntagspredigt jener Zeit: "Der Herr der Weltgeschichtenimmt und braucht das deutsche Volk als die Ausrichter seines Willens, als die Werkzeuge seiner Macht. Gott ist mit uns, er würdigt uns, Ausführer und Vollender seiner ungeheuren Ratschlüsse zu sein! " Die nationale Pflichterfüllung und Treue zur eigenen Obrigkeit schien allerorten wichtiger als der aus Rom kommende Aufruf zum Frieden.
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