Autor Thema: ZEITZEUGEN  (Gelesen 579 mal)

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Offline Hubert

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ZEITZEUGEN
« am: Do, 05. Januar 2012, 20:47 »
Bruder gefunden- nach 67 Jahren

Spanende Spurensuche in der Ukraine

Ich hatte noch einen Bruder gehabt, wenn er nicht 1944- ja, was eigentlich- gefallen, vermisst, verunglückt, in Kriegsgefangenschaft verstorben wäre? Viele Jahrzehnte später erhielt ich aufgrund der Öffnung bisher unzugänglicher Sowjetarchive unvermutet einen Brief von der Deutschen Dienststelle (WAst) in Berlin. Darin hieß es, dass mein Bruder Herbert nicht an der Ostfront gefallen , sondern im ukrainischen Gebiet Kamenz-Podilskij in Kriegsgefangenschaft verstorben war. Diese Nachricht ließ mich bitterlich weinen. Dabei kannte ich meinen älteren Bruder garnicht persönlich. Dennoch wollte ich mehr über sein Schicksal erfahren. Es war der Ausgangspunkt einer spannenden Spurensuche .

Komplette Krankenakte

  Mein erster Gedanke war, sofort in die Ukraine zu fahren, um dort Herberts Grab zu finden. Doch nicht sofort auf die Reise zu gehen, hat sich als letztlich richtig erwiesen. Denn das im Brief der Deutschen Dienststelle bezeichnete "Gebiet Kamenz Podilskij" ist riesig. Tatsächlich liegt der gesuchte und schließlich auch gefundene Ort Isjaslaw fast 200 Kilometer nördlich von Kamenez. So fragte ich zunächst beim Volksbund an, ob es dort weitere Informationen zur Grabstätte meines Bruders gäbe. Und so war es! Über die Volksbund-Geschäftsstelle in Moskau erfuhr ich , dass das Kriegsgefangenenlazarett, in dem mein Bruder verstorben war, in der Stadt Islaw lag. Dazu gab es zu meiner Überraschung eine Kopie der Krankenakte und sogar einem in kyrillischer Schrift ausgefüllten Totenschein.

  Nun nahm das wohl spannensde Projekt meines Lebens Fahrt auf. Denn wenig später erhielt ich vom Volksbund auch noch eine Kopie einer Heimkehrermitteilung von 1955. Darin stand, dass sich "bei Isjaslaw, an der Straße nach Slawuta, in einem Waldstück 10 000 bis 20 000 Birkenkreuze in verfallenen Zustand" befänden. Es waren nur zweieinhalb Zeilen auf einem kleinen, bisher wohl unbeachteten Karteikärtchen, doch si genügten, um die Grablage meines Bruders zu lokalisieren. Anfang August 2011 machte ich mich dann zusammen mit meiner Frau und der ukrainischstämmigen Lehrerin Olga Gaumann als Übersetzerin auf die Reise.

Die Zeit drängt


  Als wir diesen entlegenen Ort erreichten, erwies sich die Grabstätte als ein verwildertes Waldstück mit Erdhügeln. Der Lazarettfriedhof war völlig in vergessenheit geraten.Dennoch hatte er gerade dadurch etwas Idyllisches, zumal die Sonne durch das Blätterdach in den Wald hineinschien. Meine Frau und ich hielten eine kleine Trauerandacht, stellten ein kleines Aluminiumkreuz auf und nahmen für unsere Familie endlich Abschied. Von mir viel nun die große Anspannung ab. Dennoch wollte ich meine Spurensuche fortführen: Wie viele Soldaten liegen hier? Kann mann noch weitere Namen ermitteln - und wird der Volksbund sie alle umbetten können? Dies war und ist das spannendste Projekt meines Lebens. Ich bin dem Volksbund für seine Unterstützung sehr dankbar und kann nur jedem empfehlen, sich gewissheit zu verschaffen.


Quelle: Stimme & Weg
Autor: Peter Bennemann

Grüße Hubert 
« Letzte Änderung: Sa, 07. Januar 2012, 19:59 von Hubert »
MORTUI VIVENTES OBLIGANT "Die Toten verpflichten die Lebenden"

 


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