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Offline Hubert

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Als der Krieg in die Oberpfalz kam
« am: Fr, 03. April 2015, 11:09 »


Artikel aus der MZ vom 28.03.2015

Grüße Hubert


Als der Krieg in die Oberpfalz kam

Für Wenige war es eine Niederlage, für die Meisten die Befreiung. Vor 70 Jahren marschierten US-Truppen in die Oberpfalz ein.


REGENSBURG.Seit der Niederlage von Stalingrad im Februar 1943, spätestens aber mit der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 war den Menschen in Deutschland klar, dass es den von Adolf Hitler propagierten „Endsieg“ niemals geben würde. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis das barbarische „Tausendjährige Reich“ der Nationalsozialisten nach sechs Kriegsjahren untergehen würde. Anfang April 1945 war es in der Oberpfalz fast über Nacht Frühling geworden. Die Wehrmacht war in weitgehender Auflösung, man wartete auf die Ankunft der Amerikaner.

Als das deutsche Reich durch das Zusammenrücken der angloamerikanischen Truppen und der Sowjetarmee schon beinahe in zwei Teile gespalten war, erhielt General George S. Patton, Kommandierender General der 3. US-Armee, den Befehl, nicht weiter nach Osten vorzurücken, sondern mit seinem III., V., XII. und XX. Korps nach Süden zu schwenken.

Verteidigungslinie an der Donau

Dort hatte der Oberbefehlshaber West, General Albert Kesselring, versucht, mit den Resten der 7., der 1. und der 19. Armee sowie der Heeresgruppe G, eine Verteidigungslinie aufzubauen. Aber die Wehrmacht war längst geschlagen. Nur Teile von fanatischen SS-Einheiten oder aufgehetzte Burschen der Hitlerjugend feuerten in Himmelfahrtskommandos auf die vorrückenden Amerikaner. Dort, wo Widerstand geleistet wurde, griffen die Alliierten mit Bomben oder Artillerie an – manche Orte wurden in den letzten Tagen des Krieges so noch zerstört.

Für Patton war die Oberpfalz kein militärisches Ziel, sondern ein reines Durchmarschgebiet. Die größte Sorge der Amerikaner war, dass sich die Deutschen in ihre „Alpenfestung“ zurückziehen und von dort aus den weiteren Widerstand organisieren würden. Den Weg dorthin wollte man den zurückflutenden Truppen verlegen – und so rauschte die alliierte Militärmaschinerie gleichsam im Eiltempo über die Region hinweg. Die Region war zuvor von größeren Luftangriffen verschont geblieben – mit Ausnahme der Stadt Grafenwöhr wegen des großen Truppenübungsplatzes, der Stadt Neumarkt und der Stadt Regensburg mit den Messerschmitt-Werken und dem Fliegerhorst Obertraubling.

Patton pinkelte nicht in die Donau

„Entschiedener und organisierter Widerstand“ begegnete den Truppen nur in Neumarkt und im Raum Regensburg, wie es im After-Action-Report der 3. US-Armee heißt. General Patton äußerte sich entsprechend enttäuscht über die geringen militärischen Herausforderungen, die ihm begegneten, schreibt der Historiker Rainer Ostermann in seinem Buch „Kriegsende in der Oberpfalz“, das jetzt im MZ-Verlag neu aufgelegt wurde. „Es passiert nichts Interessantes“, sagte er am 27. April 1945, dem Tag der Einnahme Regensburgs vor der Presse in Erlangen. „Ich war heute unten und überquerte die Donau – sie war es nicht einmal wert, hineinzupissen“. Am Rhein hatte er sich dieses Vergnügen noch gegönnt.

Die Oberpfälzer Bevölkerung litt aber bis zum letzten Tag. Nicht nur unter den Angriffen der Amerikaner und unter den oft völlig sinnlosen Verteidigungsversuchen der Deutschen, sondern vor allem unter dem Terror des Nazi-Regimes, der bis zur letzten Stunde anhielt. Für Entsetzen sorgt noch heute der Fall des Regensburger Dompredigers Dr. Johann Maier, der am Morgen des 24. April 1945, drei Tage vor der Befreiung, zusammen mit dem 64-jährigen Regensburger Josef Zirkl auf dem Moltkeplatz als Saboteur gehenkt wurde. Beide hatten sich in aussichtsloser Lage für eine kampflose Übergabe der Stadt an die US-Truppen eingesetzt.

Als die Spitzen der 71. US-Infanteriedivision am 16. April westlich von Neumarkt erstmals Oberpfälzer Boden betraten um in das Herz des „Gaues Bayerische Ostmark“ einzurücken, war die militärische Übermacht der 3. Armee General Pattons erdrückend. Sie bestand aus 12 Infanterie- und sechs Panzerdivisionen mit zusammen 346 000 Mann. Diesen standen rund 60 000 Soldaten von Wehrmacht und SS gegenüber. Mit ihnen kämpften ungarische Verbände, die nach der sowjetischen Besetzung und dem Sturz der faschistischen Regierung in Budapest geflohen waren. In Grafenwöhr wurde noch aus weißrussischen Kriegsgefangenen und Flüchtlingen die 30. SS-Division gebildet, die jedoch nicht mehr zum Einsatz kam.

Wernberg wird vor der Besetzung mit Panzern beschossen.

Die Besetzung der Oberpfalz dauert nur wenige Tage. Dabei machen die Soldaten der US-Armee auch grauenvolle Entdeckungen. Am 23. April 1945 erreichten die 90. und 97. Infanterie-Division der 3. US-Armee den Ort Flossenbürg, dessen Name mit dem benachbarten Konzentrationslager unauflöslich verbunden ist. Die Gemeinde ist weiß beflaggt und sie wird vormittags um 10 Uhr vom Bürgermeister an die Amerikaner übergeben. Militärischer Widerstand muss nicht gebrochen werden. Denn seit dem 20. April sind die Wachmannschaften mit den letzten transportfähigen Häftlingen nach Dachau unterwegs. Viele waren auf den schon Tage zuvor erzwungenen Todesmärschen umgekommen oder sie waren erschossen worden, weil sie nicht weiter konnten. Leichen säumten den Zugweg. An diesem Tag wurde auch das dunkelste Kapitel der Oberpfälzer Geschichte abgeschlossen.

MORTUI VIVENTES OBLIGANT "Die Toten verpflichten die Lebenden"

 


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