Ein Artikel aus der MZ vom 03.04.2015
Grüße Hubert
Bomben aus der Luft brachten den Tod
Buben hatten das, was bei Taimering vom Himmel kam, neugierig untersucht – sie starben. Das Dorf hält die Erinnerung wach.
Taimering.Es muss ein sonniger Tag gewesen sein, dieser Sonntag vor 70 Jahren. Kein Tag zum Sterben. Sondern einer, um hinaus in die Natur zu stürmen, das Frühjahr zu begrüßen, mit neuer Energie nach dem harten Winter etwas zu unternehmen und sich in den Jahren des Krieges ein wenig zu zerstreuen.
So dachten es sich zumindest die zehn Buben, die nach der Nachmittagsandacht in der Taimeringer Kirche ins Freie traten. Sie hatten genug von den Schrecken des Krieges, sie wollten hinaus, etwas erleben, ihre Jugend genießen. Irgendwer aus ihrer Mitte hatte plötzlich diese Idee, zum Taimeringer Bahnhof zu spazieren und dort nach Blindgängerbomben zu suchen. Ein Dummerjungenstreich, wie er nur Buben im Alter von acht bis 16 Jahren einfällt. Und doch ein wenig Abwechslung im Kriegsalltag, ein Abenteuer, wie es alle Jungs gerne erleben.
Einer hatte Glück, die Stallarbeit rief
Sterbebilder, die Angehörige und Dorfbewohner aufgehoben haben, erinnern an die tragischen Tode.
Die jungen Burschen unternahmen gemeinsam einen Streifzug in Richtung Hellkofen. Auf einem Feld fanden sie zwei Splitterbomben-Blindgänger und nahmen sie mit. In der Nähe des Bahnhofs Taimering warfen sie die Bomben von der Eisenbahnbrücke auf die Straße, ohne dass etwas passierte. Ein Bauer, der vorbei kam, ermahnte sie, dies zu unterlassen. Sie wollten nicht hören. Als er weg war, nahmen sie die Bomben wieder auf und trugen sie in Richtung Taimering. Es war schließlich auch auf den Schienen nichts damit passiert – oder?
Dies war der Zeitpunkt, an dem das Schicksal seine Karten mischte und dafür sorgte, dass Albert Inhofer überlebte. Es hatte gerade vier Uhr geläutet, da fiel dem Jugendlichen ein, dass zu Hause die Stallarbeit auf ihn wartete. Er verabschiedete sich also hastig, drehte um und lief Richtung Heimat.
Kaum war er hundert Meter gelaufen, hörte er einen riesigen Knall. Inhofer, inzwischen selbst schon gestorben, sah sich um und sah die Katastrophe. Einer der Blindgänger war explodiert und hatte vier seiner Freunde bereits an Ort und Stelle in den Tod gerissen. Vier weitere seiner Kumpel wurden ins Krankenhaus nach Sünching gebracht, wo auch sie den Kampf gegen ihre schweren Verletzungen verloren. Nur einer hat überlebt, und das war Albert Kellner. Sein Bruder Xaver aber starb.
Die explodierende Bombe hat vor genau 70 Jahren, in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs, ein tiefes Loch in die Ortschaft Taimering gerissen. Acht junge Burschen starben, eine Großmutter verlor drei Enkel, mehrere Familien zwei Söhne.
Ins Gedächtnis brennt sich ein Foto aus dieser Zeit, das Pfarrgemeinderatsvorsitzende Rosmarie Meßner bei ihren Nachforschungen zum Taimeringer Bombenunglück entdeckt hat. Es zeigt die beiden Buben Konrad und Hansi Malterer, zehn und elf Jahre alt. Die beiden liegen nebeneinander aufgebahrt. Blumenkränze umrahmen ihre Engelsgesichter, denen vom schrecklichen Unglück nichts anzumerken ist. Ein Meer von Blumen und Kränzen ist über sie, die aussehen, als würden sie friedlich schlummern, gebreitet. Eine andere alte Schwarzweiß-Aufnahme zeigt acht Gräber in Reih und Glied. Acht Grabhügel, die mit Kränzen bedeckt sind. Die acht Freunde sind Seite an Seite beerdigt worden, ein Mahnmal aus Gräbern an der hinteren Friedhofswand.
Schweigemarsch zum Denkmal
Rosmarie Meßner hat sich intensiv mit dem Schicksal der acht Buben, die beim Taimeringer Bombenunglück ums Leben kamen, befasst und eine Ausstellung konzipiert.
,,Inzwischen gibt es die Gräber nicht mehr", weiß Rosmarie Meßner, die sich intensiv mit dem Bombenunglück beschäftigt und eine kleine Ausstellung darüber erstellt hat, die gerade große Beachtung findet. Doch vergessen sind die Todesopfer nicht. Zwischen Taimering und dem Taimeringer Bahnhof gibt es ein Marterl, auf dem alle acht Namen stehen. Zum 70.Todestag hat die Pfarrei einen Gedenkgottesdienst gefeiert und einen Schweigemarsch zu diesem Denkmal der Erinnerung veranstaltet. ,,Alle Kirchenbesucher sind mitgegangen, es war sehr ergreifend", erzählt Rosmarie Meßner.
Gerade heute, nach dem Grauen des Flugzeugabsturzes in den französischen Alpen, können die Menschen besonders gut nachvollziehen, welch Grauen und welche Trauer die Taimeringer nach der Bombenkatastrophe empfanden. Gefühle, die es geschafft haben, das Meer der Zeit zu überwinden - und auch die Grenzen des Ortes. Denn es fragen auch Auswärtige nach dem Schicksal der acht Buben und sehen sich die Ausstellung in der Pfarrkirche an.
Rosmarie Meßner hat ihr Ziel erreicht: Dass die Menschen heute noch an acht junge Burschen denken, die sich an einem Sonntag vor 70 Jahren aufmachten, um ein Abenteuer zu erleben und deren Leben so jäh ein Ende fand.
Angriffe auf die Bevölkerung
Unglückstag:
Am 18. März 1945, kurz nach 16 Uhr, fordert eine Bombenexplosion zwischen der Ortschaft Taimering und dem Taimeringer Bahnhof acht Todesopfer. Die jungen Burschen waren bei ihren sonntäglichen Streifzügen über die Felder und Wiesen dieses Mal in Richtung Hellkofen unterwegs. Kurz vor der Ortschaft Hellkofen fanden sie zwei Splitterbomben-Blindgänger auf einem Feld, von denen auch heute noch viele in der Gegend verstreut liegen.
Die gestorbenen Jungen:
Albert Gerl (zwölf Jahre),Franz-Xaver Kellner 8, Konrad Malterer (10), Johann Malterer (9), Wilhelm Wundsam (11), Georg Karl (16) aus Regensburg, Jakob Bauer (14), Adolf Markgraf (13)
Die Luftkriegführung:
Sie richtete sich im Zweiten Weltkrieg auf beiden Seiten in großem Umfang auch gegen die in Städten lebende Zivilbevölkerung. Die ersten zerstörten Städte waren Frampol, Wielun und Warschau in Polen.