Die neue Gedenk-tafel - das Informationsportal

Informationsecke 2.Weltkrieg 1939 - 1945 => Infos 2.Weltkrieg => Thema gestartet von: Hubert in Di, 05. Mai 2015, 18:35

Titel: Sein Tod war die Rettung Ambergs
Beitrag von: Hubert in Di, 05. Mai 2015, 18:35

Aus der MZ-Serie

Grüße Hubert

Sein Tod war die Rettung Ambergs

Am Kriegsende sind die Amberger vergleichsweise glimpflich davongekommen. Die Sturheit eines Mannes hätte das fast verhindert

Amberg.,,Wenn du Schluss machen musst, so lege Waffen, Helm und Koppel ab. Hebe die Hände, schwenke etwas Weißes und rufe den alliierten Soldaten zu: EI SÖRRENDER!" Diese Empfehlung war in den Flugblättern der Anti-Hitler-Koalition zu lesen, die vor Ende des Zweiten Weltkriegs auch über der Oberpfalz abgeworfen wurden. Eine Empfehlung, der auch die Amberger jederzeit gerne nachgekommen wären – nur einer nicht: Kreisleiter Dr. Artur Kolb. Für die Übermacht der Alliierten schien er blind zu sein. Als der damalige Bürgermeister, Sebastian Regler, dem Kreisleiter nahelegte, die Stadt den Amerikanern kampflos zu überlassen, reagiert Kolb empört: ,,Die Stadt wird verteidigt, und wenn keine Truppen da sind, dann wird sie eben von der Kreisleitung verteidigt!" Die Kreisleitung war im Großen und Ganzen er selbst. Dass seine Sturheit Amberg nicht vernichtete, verdankte die Stadt einem ebenso tragischen wie glücklichen Ereignis.

Amberg war ,,luftgefährliche Stadt"

Hätte Kolb seinen Willen durchsetzen können, hätte es für Amberg schwarz ausgesehen: Die Luftabwehr der Stadt war im wahrsten Sinne des Wortes nullachtfünfzehn. Statt Soldaten mit Flakgeschützen verteidigten zwei Hilfspolizisten mit je einem MG 08/15, einem leichten Maschinengewehr, die Stadt vor Luftangriffen. Dabei gehörte Amberg wegen seiner Industrie- und Bergbauanlagen der Luitpoldhütte und kriegswichtiger Produktionsstätten zu den sogenannten ,,luftgefährlichen Städten". Es war also ein großes Glück, dass Amberg bis Anfang 1945 von feindlichen Flugzeugen nur beobachtet und nicht beschossen wurde.

Diese Glückssträhne endete am 9. April, als die ersten Bomben das Heereszeugamt und die Metzerkaserne, aber auch die Regensburger und die Schlachthausstraße trafen. Die Bevölkerung konnte sich dank des frühen Alarms noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Trotzdem soll es an diesem Morgen etwa 50 Tote gegeben haben. Von diesem Tag an kam Amberg nicht mehr zur Ruhe. Immer wieder geriet die Stadt unter Beschuss, trug mal größeren, mal kleinere Schäden davon. Fast ununterbrochen zogen Flugzeugverbände ihre Kreise über Amberg.

Verteidigung als größte Gefahr

Die Alarme häuften sich – bis die Bomben am 11. April bei einer Luftattacke auf die Luitpoldhütte und das Heereszeugamt auch eine Starkstromleitung trafen und damit die Großalarmanlage zum Verstummen brachten. Von da an mussten Kirchenglocken und Handsirenen genügen, um die Bevölkerung zu warnen. An diesem Tag ereignete sich außerdem eine tragische Szene: Auf dem Weg zum brennenden Heereszeugamt wurde ein Feuerwehrwagen von einer Bombe getroffen. Keiner der Feuerwehrleute, darunter fünf Freiwillige der Hitlerjugend, überlebte den Angriff.

Nicht einmal in Ruhe Abschied nehmen konnten die Amberger von den Opfern – die Trauerfeier wenige Tage später wurde vom nächsten Alarm unterbrochen. Diesmal traf es unter anderem die Arbeitersiedlung der Luitpoldhütte. Die Opfer hatten keine Chance sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Nach diesem Angriff blieb Amberg vorerst verschont, Gefahr herrschte aber weiterhin durch umherliegende Blindgänger, die aus Mangel an Experten zum Teil nur notdürftig abgesichert wurden.

Kaum noch Soldaten in der Stadt

Und nicht nur an Bombenspezialisten fehlte es, auch Soldaten waren kaum noch in der Stadt. Für Bürgermeister Regler und die konspirative Nichtverteidigungsgruppe um Julian Keppner, Wolfgang Babl und Josef Kerschensteiner war das Grund genug in einer Verteidigung Ambergs gleichzeitig dessen größte Gefahr zu sehen. Es war bekannt, dass die Amerikaner mit aufmüpfigen Gemeinden nicht zimperlich umgehen würden. Klar war aber auch, dass der Kreisleiter Kolb sich eine Kapitulation nicht bieten lassen würde. Also versammelte Regler den Luftschutzstab um sich und überzeugte ihn in kürzester Zeit von der Sinnlosigkeit einer Verteidigung. Der Entschluss widerstandslos zu kapitulieren fiel einstimmig aus – und blieb geheim. Um den Schein der Verteidigung zu wahren, sprengte der Luftschutzstab noch ein paar Brücken.

Die wenigen verbliebenen wehrfähigen Männer errichteten nutzlose Panzersperren und erwarteten den Einmarsch der Amerikaner. Die Stadt war wie ausgestorben. Viele Bürger waren in die umliegenden Wälder geflohen, aus Angst vor der selbstmörderischen Verteidigungsaktion des Kreisleiters. Doch zu der kam es nicht: Kolb ließ sich zu Raigeringer Höhe fahren, wo ihn die Schüsse amerikanischer, Soldaten, die überraschend aufgetaucht waren, trafen. Die Amerikaner verbanden den Kreisleiter und fuhren ihn auf der Kühlerhaube ihres Jeeps schwer verletzt nach Hirschau, wo ihm ein Unbekannter schließlich einen tödlichen Kopfschuss versetzte.

Kurz darauf wehte die erste weiße Fahne vom Turm der Dreifaltigkeitskirche, wenige Stunden später rollten die ersten amerikanischen Panzer in Amberg ein. Am nächsten Morgen sollte die Übergabe der Stadt stattfinden. Hätten die Nichtverteidigungsgruppe, der Bürgermeister und auch viele weitere Bürger nicht aktiven und passiven Widerstand gegen Kolb und seinen Verteidigungswahn geleistet, hätte der Krieg in Amberg wohl kein derart friedliches Ende genommen.