Auf propellergetriebenen .,Skyraiders", doppelschallschnellen ,,Phantom"Jets und strategischen Bombern vom Typ B-52 flogen amerikanische Piloten seither 35 000 Angriffe auf das Land; das kleines ist als die Bundesrepublik.
Es gibt in Nordvietnam kaum eine Brücke, die nicht oftmals zerstört, keine Straße und keine Eisenbahnlinie, die nicht mehrmals in der Woche unterbrochen wurde, keine Kaserne und kein Öllager, das von Bomben verschont blieb; die Jabos jagen jeden Lkw und jeden Soldaten, den sie sehen.
Binnen Jahresfrist, so schätzte das US-Oberkommando in Saigon Anfang 1965, werde der Bombenkrieg Nordvietnam in die Knie oder an den Verhandlungstisch zwingen. Zumindest werde der Strom roter Truppen und Waffen nach Südvietnam unterbunden werden.
Doch inzwischen wankt der Glaube an die Wirksamkeit der Bomben. Der Militärexperte der Londoner .Times stellte letzte Woche fest: ,,Amerikas Luftkrieg in Vietnam kann sich als ein politischer und militärischer Fehlschlag erweisen."
Die USA haben zwar, wie Präsident Johnson sagte, für Ho ,,den Preis der Aggression hinaufgeschraubt", aber sie haben auch selbst schon einen hohen Preis bezahlt: 330 ihrer Maschinen (Durchschnittswert je Flugzeug: vier Millionen Mark) gingen im Feuer von moderner russischer Radar-Flak, von Raketen und ,,Mig"-Jägern zu Boden.
Und keines der Luftkriegs-Ziele \vurde bisher erreicht: Eine Viertelmillion Kulis, Männer wie Mädchen, reparieren, unterstützt von 40 000 Chinesen. Brücken. Fähren und Schienen oft schneller. als die Bomber sie wieder zerstören können. Und Ho mobilisiert sein Volk für den totalen Krieg.
,.Wir können weiterkämpfen. Jahr um Jahr. Generationen lang", verkündet(, der nordvietnamesische Generalstabschef Van Tien Dung kürzlich. Der einzige westliche Korrespondent in Hanoi. Jean Raffaelli von de Gaulles ,,Agence France-Presse", bestätigte nach seiner Ablösung: ,,Hanoi wird nicht kapitulieren. Die Nordvietnamesen sind bereit. sich bei weiterer Verschärfung des Luftkriegs in den Busch zurückzuziehen und ihre Städte aufzugeben."
Die Bombenteppiche konnten nicht einmal den roten Nachschub für die Vietcong-Guerillas eindämmen. Ende 1965 hatte der US-Geheimdienst die Zahl der kommunistischen Kämpfer in Südvietnam auf 230 000 beziffert. Laut offizieller Liste sind seit Jahresbeginn 32 000 Guerillas gefallen. Anfang August aber schätzte der Geheimdienst die Gesamtstärke des Feindes auf 282 000 Mann.
Die Roten sind damit fast eben, stark wie die – Amerikaner (derzeit 287 000 Soldaten). Bei den US-Truppen aber sind 40 Prozent Troß, bei den Kommunisten trägt nahezu jeder ein Gewehr.
Etwa ein Drittel der roten Bataillone sind modern ausgerüstete reguläre Truppen aus Nordvietnam: allein 1966 wurden bisher nach vorsichtigen Schätzungen der Amerikaner 35 000 Soldaten nach dem Süden geschleust.
Die Kommunisten änderten - von den Amerikanern wochenlang unbemerkt - ihre traditionellen Infiltrations-Routen. US-Bomber. amerikanische Spezial-Einheiten und vietnamesische Freiwillige hatten seit Jahresbeginn den Krieg insgeheim nach Laos getragen. Sie versuchten. den legendären Ho-Tschi-minh-Pfad zu sperren. jene hundertfache Dschungelroute durch das Nachbarland, auf dem seit Jahren der Nachschub nach Südvietnam rollte.
Unterdessen aber sickerte die bisher größte geschlossene Einheit der nordvietnamesischen Volksarmee auf direktem Weg über die Grenze nach Südvietnam ein.
Die Grenze verläuft seit der Teilurig Vietnams im Genfer Indochina-Abkommen von 1954 entlang dem Ben-Hai-FIuß knapp südlich des 17. Breitengrads. Ein zehn Kilometer breiter Streiten an der Grenze wurde damals zur ,entmilitarisierten Zone erklärt.
Zwölf Jahre lang waren die Ufer des Ben Hai die ruhigste und ungefährlichste Gegend in ganz Vietnam. Im Frühjahr 1966 wurde es an der Grenze plötzlich lebendig. Während die südvietnamesischen Truppen in diesem Gebiet im Gefolge der Buddhisten-Unruhen gegen die Regierung in Saigon meuterten. bewegte sich Hos 324. Division sorgfältig getarnt südwärts.
Den Ben-Hai-Fluß überquerte sie mit Hilfe einer Taktik. die sich schon im ersten Indochinakrieg gegen die Franzosen bewährt hatte - mit sogenannten Lebenden Brücken. Je 20 Mann. die ein Bambusgestell tragen, bilden dabei einen Brückenpfeiler. Die einzelnen Pfeiler werden mit Leitern und Stangen verbunden.