Dabney's Höhe 881

Begonnen von md11, Sa, 09. Februar 2008, 21:42

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md11

Der Autor William H.Dabney war während des Vietnamkrieges Hauptmann im US-Marinekorps.In Khe Sanh war er der Chef der Indiana-Kompanie,dem 3.Bataillon des 26.Regiments.


Der feindliche Scharfschütze lag gut getarnt auf einem Hügel, 270 Meter nördlich, auf der einzigen Erhebung, die hoch und nahe genug an unserer Stellung auf Höhe 881 Süd lag, um gutes Schußfeld für Gewehrfeuer zu bieten. Seit einer Woche war er da. Er feuerte selten, nur wenn die Sicht gut war und sich ein klares Ziel bot, aber er schoß exakt. Mit insgesamt 20 Schüssen hatte er zwei meiner Marines getötet und ein weiteres halbes Dutzend verwundet. Er ließ meine Sanitäter am Boden entlangkriechen, als ich einige schwere Fälle auf Tragen abtransportieren lassen wollte.

Er war vorsichtig, aber nicht vorsichtig genug. An einem ruhigen Nachmittag bemerkte ein MGSchütze eine kleine Bewegung im Busch gegenüber. Ein Leichtgeschütz oder eine Panzerabwehrkanone mittlerer Reichweite zielte auf sein Schützenloch und ein 106 mm Geschoß traf krachend den Busch. Das NVA-Nest verwandelte sich in einen Krater und tötete den Bewohner.

Ein anderer Scharfschütze sprang aus dem Nichts, um ihn zu ersetzen. Auch er wurde getroffen. In den nächsten zehn Tage wurde von einem anderen Teil des Hügels aus geschossen. Unsere Geschützbesatzungen zerrten ihre 106er um den Hang herum. Während Kanonier und Artilleriebeobachter das Ziel aufnahmen, kroch ein junger Schütze zu mir. Von seinem Schützenloch aus hatte er den Scharfschützen die letzte Woche beobachtet. Er hatte so viele Schüsse wie sein Vorgänger abgefeuert, aber nichts getroffen. Der junge Schütze schlug vor, ihn in Ruhe zu lassen. Denn sonst würden ihn die Nordvietnamesen durch einen besseren ersetzen. Diese Idee war richtig und die 106er wurde zurückgezogen. Meine Männer winktem ihm sogar mit einem roten Tuch zu, das sonst auf dem Schießstand einen Fehler anzeigte. Dann dachten wir, er würde uns nur täuschen und hörten auf, ihn zu hänseln. Er blieb während der gesamten Schlacht - ungefähr zwei Monate -, feuerte regelmäßig, traf niemanden.

Der Schatten von Dien Bien Phu

Höhe 881 Süd (881S) gehörte zu den großen Erhebungen, die die Einsatzbasis Khe Sanh überragten und von der NVA schwer angegriffen wurden. Wir fürchteten alle eine Wiederholung der französischen Katastrophe in Dien Bien Phu und gelobten, der feindlichen schweren Artillerie keine Möglichkeit zu geben, in den Hügeln um uns herum Fuß zu fassen. Zur Abwehr nordvietnamesischer Annäherungsversuche war keine Höhe kritischer und wichtiger als 8815, ein auf 500 Meter steil aus den Tälern ansteigender Hügel, etwa acht Kilometer westlich des Stützpunkts. Die Marines hatten ihn nach langen und blutigen Kämpfen zurückgewonnen; die Hänge waren jetzt ihrer Vegetation beraubt, voller Krater und übersät mit eingestürzten Unterständen, unter denen gefallene nordvietnamesische Soldaten begraben waren.

Saft kühlt die Rohre

Unsere Versorgung erfolgte aus der Luft, denn beim Abstieg vom Hügel hätte man nur ein gutes Ziel für den Feind geboten. Blieben wir oben, konnten wir die Gegend unten und um uns herum zur freien Feuerzone machen. Jede Höhe war durch eine kompaniestarke Einheit besetzt. Alle waren dem 26. Marine Regiment unterstellt, in dessen Gesamtverantwortung die Verteidigung Khe -Sanhs lag. Ich wußte, daß es mit Höhe 881S  Probleme geben würde - sie war am weitesten und schwer zu unterstützen. Am 20. Januar  standen etwa 400 Marines unter meinem Befehl:die I- (India) Kompanie sowie zwei Züge und Kompaniegefechtsstand der M- (Mike) Kompanie des  3. Bataillons. Unsere Waffen bestanden aus 81mm-Mörser, zwei 106mm-Leichtgeschützen und drei 105mm-Haubitzen.

Wir waren während der letzten zwei Tage Patrouillen entlang der Hänge gelaufen und ich befürchtete einen Angriff der NVA aus dem Norden. In der Morgendämmerung schickte ich die India-Kompanie mit einem Aufklärungsauftrag los, aber die zwei Spitzenzüge gerieten in erhebliche Schwierigkeiten. Von beiden Flanken her saßen sie fest, und nur ein klassischer Infanterieangriff durch den Zug von Leutnant Brindley verschaffte uns für kurze Zeit Luft. Brindley fiel, als er den Kamm erreichte, und nun zog sich die Linie des NVA-Scharmützels den ganzen hinteren Hang hoch. Napalm verjagte sie wieder, aber es fiel so dicht, daß sich einige unserer Soldaten die Augenbrauen versengten. Inzwischen hatten wir die feindlichen Stellungen ausgemacht und India brachte schweres Feuer zur Wirkung. Die zwei Züge schafften es, wieder zu uns auf Höhe 881S  zurückzukehren.

Aber die NVA gab nicht auf. Zwei Stunden nach Mitternacht wollten sie mehrere Außenstellungen des Stützpunktes stürmen. Höhe 8815 kam dabei gut weg, so daß meine Mörser den eingezingelten Marines auf Höhe 861 im Norden Feuerunterstützung geben konnten. Sie gaben fast 500 Schuß ab. Ihre zwei Mörserrohre wurden so heiß, daß die Treibladungen bereits im Rohr zündeten und zu einer unberechenbaren Flugbahn führten. Die Rohre mußten abkühlen. Zunächst verwendeten die Marines ihr kostbares Wasser und dann noch ihren Proviant aus Fruchtsaft in Dosen. Mit der Morgendämmerung war der Auftrag erfüllt.

Kein Ende in Sicht

Die NVA wußte, daß sie gegen wachsame Verteidiger in guter Deckung antrat. Nun versuchten sie uns zu vertreiben, indem sie unsere Versorgung aus der Luft störten. Mörsereinschläge bedeckten unsere Absetzplätze auf der Höhe - mit folgenschwerem Erfolg: Am Abend des 22. Januar wurde ein Sanitätshubschrauber mit 20 meiner verwundeten Männer abgeschossen. Bis Anfang Februar lag die Verlustrate aus dem feindlichen Mörser- und Flugabwehrfeuers für India und Mike bei über 50 Prozent und noch war kein Ende in Sicht. Beim Wasser waren wir auf ein Viertel Kochgeschirr pro Tag runtergegangen.

Anhaltender Krach

Uns rettete die Super Gaggle-Versorgungsoperation, ohne sie wären wir mit Sicherheit verloren gewesen. Jetzt hatten wir wieder genug Munition, Essen und Wasser und waren stark genug, um die NVA von einem massiven Angriff auf 881S abzuhalten. Es gab zwar noch gelegentlich Versuche, an den äußeren Verteidigungsring heranzukommen, aber ein Marines konnte leichter eine Handgranate den Hügel hinunter werfen als ein NVA-Soldat eine nach oben.

Mit der Wetterbesserung wurde auch unsere Luftversorgung verstärkt. Anfang März ging- die Aktion ihrem Ende zu. Hauptmann Harry Jenkins (Chef der Mike-Kompanie) und ich hatten jetzt fast unbegrenzt Artillerie- und Luftkräfte zur Verfügung und konnten auf jede Bewegung, jedes Geräusch und jeden Geruch reagieren.

Der Lärm hielt ständig an. Das Plateau, vor drei Monaten noch grün, sah jetzt eher wie die Oberfläche des Mondes aus - lange Reihen ineinander übergehender Krater bedeckten es. Wo vorher üppige Wälder waren, standen jetzt Stümpfe.

Am 1. April ereignete sich noch ein besonderer Zwischenfall. Es kamen gerade Entlastungstruppen an, da rannten im hellen Tageslicht zwei nordvietnamesische Soldaten auf unseren Stacheldraht zu und wedelten mit Propagandaschriften, um zu signalisieren, daß sie sich ergaben.

Einer wurde von seinen Kameraden in den Rücken geschossen. Der andere ging noch außerhalb des Stacheldrahtzaunes am Boden in Deckung, bis schließlich ein Marines unten Feuerschutz zu ihm kroch und ihn im Graben in Sicherheit brachte. Er war wohl 1,82 Meter groß, gesund aussehend und von kräftigem Körperbau. Wir begannen, ihn zu befragen, als ein Jet der Marines uns überflog. Dabei verlor er praktisch völlig die Kontrolle über sich, seine Muskeln zitterten, seine Augen flackerten und er fiel als menschliches Wrack auf den Boden des Grabens.

mfg
Josef