• Willkommen im Forum „Die neue Gedenk-tafel - das Informationsportal“.

Kriegsende in Fürth/Bay. 1945

Begonnen von md11, So, 11. Mai 2008, 12:32

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

md11

Gedenkjahr 1945:
Das letzte Kriegsjahr in Fürth

Am 2. Januar 1945 kündigte sich das Ende des Nazireiches mit einem katastrophalen Bombenangriff auf Nürnberg an. Der Fürther Chronist Gottlieb Wunschel schrieb: "Ein Entkommen aus dem Verhängnis war nur noch über den Ring zum Plärrer und die Fürtherstraße möglich. Über Trümmerhaufen, Antennen- und Telefondrähte und elektrische abgerissene Leitungen, durch Glasscherbenhaufen und Balkenbarriakaden und vorbei an ausgebrannten und umgestürzten Straßenbahnwagen und wasserlosen Feuerwehrlöschzügen ging der Weg, fortwährend bedroht von einem nicht zu sagenden Funken- und Sprühregen und von 6-8 Meter langen Flammen, die aus den Häusern heraus sich den Weg ins Freie bahnten... Wo man hinblickte auf dem Wege der Flucht aus diesem Sodom und Gomorrha: Flammen, krachende zusammenstürzende Häuser und Balken, flüsternde Menschen... Das wirtschaftliche Leben war für Tage still gelegt. Der Bahn- und Straßenbahnverkehr war unterbrochen. Der Bahnverkehr ging nur bis und von Fürth nord- und westwärts. Ab Donnerstag, den 4. Januar 1945 entwickelte sich ein Andrang der noch verbleibenden Nürnberger Bevölkerung vor den Lebensmittelgeschäften in Fürth, daß bald weder Brot noch Fleisch zu haben waren."

Anläßlich des 12. Jahrestages der "Machtergreifung" durch die Nationalsozialisten erschien im Fürther Anzeiger vom 1. Februar 1945 ein Appell Hitlers, in dem dieser weiter vom endgültigen Sieg spricht und vor den Geistern warnt, die die Demokraten aus "den Steppen Asiens" gerufen haben.

Am 19. und 21. Februar erfolgt ein weiterer schwerer Luftangriff auf Nürnberg, der aber auch Fürth trifft: unter anderem die Straßenzüge Karolinenstraße, Königstraße, fast die gesamte Hindenburgstraße (heute nach dem in Buchenwald ermordeten Gewerkschaftler Rudolf Breitscheid benannt), die Adolf-Hitler-Straße (heute Königswarterstraße, nach dem jüdischen Arzt und Wohltäter der Stadt), die Maxbrücke und die Foerstermühle.


Am 24. Februar 1945 sprach Hitler zum 25. Jahrestag der Verkündigung des NSDAP-Programmes: "...Meine Parteigenossen! Vor 25 Jahren verkündigte ich den Sieg der Bewegung! Heute prophezeihe ich ... am Ende den Sieg des Deutschen Reiches!" Goebbels am 28. Februar 1945 im Rundfunk: "Unser Volk steht heute in seiner härtesten Bewährungsprobe. Ich zweifele keine Augenblick daran, daß es bestehen wird. Es wird hoch und heiß hergehen, wenn es zur letzten Entscheidung kommt. Davor fürchten wir uns nicht... Niemals wird sich das Trauerspiel vom 9. November 1918 wiederholen." (Damals beendete die November-Revolution Krieg und Monarchie, was rechtsgerichtete Kreise zum "Dolchstoß gegen die im Felde unbesiegte kasierliche Armee" hochstilisierten).

Anfang April warfen amerikanische Flugzeuge deutschsprachige Flugblätter über Fürth ab, Schlagzeile: "USA-Panzer stossen ins Herz des Reichs - Die Weser erreicht - Nürnberg und Leipzig bedroht".

In der vorletzten Ausgabe des Fürther Anzeigers ("Einzige Tageszeitung in Fürth/Amtliches Organ der NSDAP und aller Behörden") vom 13. April 1945 finden sich Berichte über standrechtliche Erschießungen wegen "unflätiger Beschimpfungen des Führers", ein Aufruf des Volkssturmes und unter der Überschrift "Entsetzlicher Lustmord" Berichte über angebliche Greueltaten "amerikanischer Negersoldaten" in der typisch rassistisch-völkischen Wortwahl: "Deutsche Menschen sind für sie Freiwild, an dem sie ihre niedrige Instinkte und widerlichsten Gelüste auslassen. Gegen solche Untermenschen gibt es nur erbarmungslosen Kampf bis zum äußersten. Die deutschen Soldaten und mit ihnen die Zivilbevölkerung in den vom Feinde gefährdeten Gebieten sind es ihren Frauen und Kindern schuldig, bis zum letzten Atemzug deutschen Boden gegen diese vertierten Horden zu verteidigen".

In der letzten Ausgabe des Fürther Anzeigers heißt es seitens des NSDAP Gauleiters: "Wir sind und bleiben Nationalsozialisten und treue Kampfgenossen unseres Führers ... eidbrüchig und geächtet und verfemt muß der sein, der in dieser Zeit seinen Führer in der Not im Stich läßt... Für die Ehre und Freiheit zu kämpfen ist niemals eine aussichtslose Sache." Das Oberkommando der Wehrmacht gab am 12.4.1945 bekannt: "Jede Stadt ist zu verteidigen!" Unter den Überschriften "Die Tafel der Schmach und Schande" und "Tod allen Verrätern!" wird über Hinrichtungen berichtet, so verpaßten zwei gestandene Dorfbewohner in Brettheim (bei Rothenburg o.d.T.) einigen Hitlerjungen (Druchschnittsalter: 16 Jahre) ein paar saftige Backpfeifen, da sie mit Panzerfäusten das Dorf ohne Rücksicht auf die Bewohner "verteidigen" wollten. Beide wurden zum Tode verurteilt, der (NSDAP-) Bürgermeister verweigerte jedoch die Unterschrift zum Todesurteil. Daraufhin wurde auch er hingerichtet.
   

In Fürth befanden sich neben der einheimischen Bevölkerung in den Krankenhäusern und Behelfslazaretten (z. B. Schulen) 5.000 Verwundete, zudem 40.000 Evakuierte (Ausgebombte) aus Nürnberg. NS-Gauleiter Holz drohte bei einer Besprechung am 8. April, daß er jeden der führenden Herren an die Wand stellen lasse, falls Fürth nicht "verteidigt" werde. Die Gesamtstärke der Wehrmachtstruppen betrug 2.500 Mann, ein 7,5 cm Panzerabwehrgeschütz an der Ludwigsbrücke und einige versprengte Panzer, die mangels Benzin mit Holzvergaser ausgerüstet waren.

Am 12. April wurde der Zugverkehr eingestellt, am gleichen Tag der Fronmüllersteg und die hölzerne Dambacherbrücke gesprengt; erste Granaten amerikanischer Artillerie schlugen ein. Die Wehrmacht richtete im Turm der St. Michealskirche ihren Gefechtsstand ein. Am 16. April sprengten Pioniere der Wehrmacht die Burgfarrnbacher Flugabwehr-Geschütze, die keinen Schuß Munition mehr hatten, ebenso wie die Scheinwerferanlagen, gleichzeitig aber auch die Behelfsbarracken auf der Hard. Bis 17. April wurden fast alle Brücken und der Vestener Turm gesprengt, die Amerikaner rückten in Poppenreuth und Unterfarrnbach ein.

Die ganze Nacht vom 17. auf den 18. April lag Fürth unter Artilleriebeschuß. Es brannte bei Humbser, in der Fichten-, Karolinen- und Amalienstraße. Am 18. April waren die Amerikaner auf der Alten Veste, erreichten Oberfürberg und die Westvorstadt und setzten über die zerstörte Maxbrücke. In der Königsstraße und auf dem Kirchenplatz kam es zu Schießereien, gegen 17 Uhr rollten amerikanische Panzer auf der anderen Seite der Altstadt über die Ludwigsbrücke. Halbwüchsige Hitlerjungen beschossen mit Maschinengewehren vom heutigen Heinrich-Schliemann Gymnasium aus den Espan, die Amerikaner anworteten mit Phosphorgranaten, die Turnhalle brannte daraufhin ab. Das an der Ludwigsbrücke stationierte Geschütz gab keinen Schuß ab, da die Bedienungsmannschaft auf Drängen der Bevölkerung abzog. Das Geschütz blieb bis 1949 stehen.

Die Amerikaner beschossen mittlerweile den Bahnhofsplatz, im dortigen Bunker und der Sahlmannvilla lag der Gefechtsstand der Wehrmacht. Die Lagerhallen des Güterbahnhofes brannten lichterloh, Treffer am Bahnhofsbunker rissen metergroße Betonbrocken heraus, ohne jedoch im Innern Schäden anzurichten. Am 19. April gegen 4 Uhr räumte die Werhmacht den Gefechtsstand.


NS-Oberbürgermeister Dr. Häupler befand sich am 19. April im Bunker Ecke Bäumen- und Hallstraße. Er lehnte ein Hissen der weißen Fahne auf dem Rathausturm ab. Der amerikanische Befehlsstand war inzwischen in einem Anwesen nahe der Maxbrücke bei der heutigen Stadthalle. Er schickte einen 70jährigen Rentner zum Rathaus, woraufhin sich Häupler zum amerikanischen Befehlsstand bequemte. Der Amerikaner forderte zur Übergabe der Stadt auf. Häupler antwortete, daß er das als SS-Mann ohne Gefahr für sich und seine Familie nicht könne. Der US-Major klopfte ihm auf die Schulter und stellte ihn unter US-Schutz. Sollte Fürth nicht innerhalb einer Stunde übergeben werden, würde es bombardiert werden. Dr. Gastreich, der Obmann für die Fürther Militärlazarette bat um die Belassung der rund 5000 verwundeten deutschen Soldaten, was zugesagt wurde. Häupler unterzeichnete die Kapitulationsbedingungen und ließ die Übergabedingungen der Bevölkerung bekanntgeben. Daraufhin wurde er von den Amerikanern verhaftet.

Wie Goebbels ankündigte, gab es kein 1918 mehr (s.o.), aber in einem anderen Sinne; entsprechend auch ein Chronikeintrag vom 6. Juni 1945: "Es gibt kein 1918 mehr. Wie oft mußten wir das hören. Nur zu wahr, allzuwahr, sollte das werden. 1918 und das folgende Jahr brachten wenigstens die Heimkehr der in den Kriege gegangenen Regimenter und Formationen. Kamen diese damals auch nicht als Sieger zurück und konnten daher auch nicht als Sieger begrüßt werden, dann wurden sie wenigstens in der Heimat begrüßt. Nichts von alledem 1945... Teilweise zerlumpt, eines ehemaligen deutschen Soldaten unwürdig, kommen sie einzeln oder höchstens paarweise an, oft auf einem abmontierten Kinderwagen oder einem ansonsten improvisierten Wägelchen ihre gerettete Habseligkeiten mit sich führend. Ein Bild, oft herzzereißend. Wie haben die sich nach fünf und mehr Jahren Kampf ihre Heimkehr vorgestellt."

Überhaupt nicht mehr zurück kamen die ca. 3000 Juden, die vor dem Krieg in Fürth wohnten. Im Gegensatz zu 1918 konnte sich niemand mehr über die totale Niederlage in die Tasche lügen. Deutschland als Vaterland war nicht mehr, weder politisch noch ideell. Das "Land der Dichter und Denker" war zum Land des Völkermords und Angriffskrieges geworden. Danach kam die Zeit des organisierten Vergessens und Verdrängens, die Zeit des Wirtschaftswunders, die örtlich betäubte Gesellschaft, die erst seit den Studentenunruhen 1968 langsam aufwacht.

Alexander Mayer/Robert Schönlein

Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr.Mayer Alexander (Stadt Fürth)

mfg
Josef