Autor Thema: Kriegsgefangenenlager 7144/4 Nowo Golobovka  (Gelesen 361 mal)

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Kriegsgefangenenlager 7144/4 Nowo Golobovka
« am: Sa, 24. November 2007, 21:50 »
Hallo,
hab hier einen Zeitungsausschnitt gefunden!

"Heimkehrertreffen "Lampe Wolf" in Dettingen" Ehemalige Kumpel aus dem russischen Lager 7144/4 Novo Golobovka feiern Wiedersehen.

- Dettingen. Von den meisten Nichtbeteiligten schon fast vergessen ist der letzte Weltkrieg mit seinen schweren Folgen. Eine Gruppe jedoch wird diesen Krieg niemals vergessen: die in Gefangenschaft geratenen deutschen Soldaten, die in russischen Lagern untergebracht unter unvorstellbaren Entbehrungen den Tag der Heimkehr herbeisehnten, an den bald keiner mehr glaubte und nur wenige ihn noch erleben durften. Wer entsinnt sich heute noch an die Tage, als die Heimkehrer nach Hause kamen? Damals ging das Leben schon längst wieder seinen normalen Gang, und jeder war bereits mit sich selbst und dem Wiederaufbau beschäftigt. Dazwischen kamen sie, krank, elend, ausgezehrt, die Heimkehrer, die so viel Not, Elend und Tränen gesehen hatten. Sie hatten aber im Lager eine Kameradschaft kennengelernt, die sie auch später fortsetzen wollten.

Fast überall war es so, wie im russischen Kriegsgefangenenlager 7144/4 Nowo Golobovka. Es liegt im Donezgebiet zwischen Woraschilowgrad und Stalino. Hier lebten 2 000 Männer in der Hoffnung, die Heimat einmal wiedersehen zu können. Einer davon war auch der Dettinger Mechaniker Alfred Klein, der am 15. Oktober 1949 zurückkehrte. Bei ihm findet am kommenden Wochenende ein Treffen der Heimkehrer aus dem süddeutschen  Raum statt, bei dem über 40 Kumpel mit ihren Ehefrauen erwartet  werden. Als sogenannte Abordnung kommen auch Kameraden aus  Holland und Berlin zu diesem Treffen nach Dettingen. Aus der näheren Umgebung gehören Hans  Moll und Gottlob Walter (Kirchheim) und Otto Steudle aus Brukken zu dieser verschworenen Gemeinschaft.

In regelmäßigen Abständen findet ein bur3desweites Treffen dieser ehemaligen Woina Plennis statt. Das Treffen in Dettingen wurde dazwischen gelegt, damit die Kameraden sich mal wiedersehen können und weil es aus familiären und finanziellen Gründen eher möglich ist, eine nicht zu große Reise zu unternehmen. Die 40 Teilnehmer werden sich freuen auf dieses Wiedersehen am Fuße, der Teck und sich fragen: „Kumpel, weißt du noch ... ?"

Über 800 Gefangene sind von den 2 000 Mann im Lager in den Hungerjahren 1944 bis 1946 an Unterernährung, Krankheit und Unfällen gestorben. Gearbeitet wurde im Bergwerk unter Tage. Die Grubenlampe nannte man „Wolf". Heute gibt es einen Rundbrief der Heimkehrer, der sich „Lampe Wolf" nennt. Von einer Nachrichteneinheit, die mit 120 Mann in das Gefangenenlager kam, haben nur 23 die schweren Zeiten überlebt.

Die aufopfernde Tätigkeit des Lagerarztes und der Sanitäter war machtlos. Notizen über die Anschriften der Toten durften offiziell nicht gemacht werden. Der Lagerarzt, Dr. Fink, ein Stalingradgefangener, führte trotzdem geheim eine Liste. Ihm ist es zu verdanken, wenn die Angehörigen verstorbener Kameraden benachrichtigt werden konnten. Nur einige wenige Schicksale blieben ungeklärt.

Jahrelang haben über 1200 Gefangene im Kohlenbergwerk in etwa 500 Meter Tiefe gearbeitet. Die Arbeitsbedingungen waren mehr als primitiv. Bis zu zwölf Stunden täglich im Dreischichtenturnus mußte gearbeitet werden. Der Rest der Gefangenen war im Steinbruch, im Sägewerk und als Handwerker beschäftigt.

Ab 1946 gab es im Lager auch so etwas wie ein kulturelles Leben; eine Musikkapelle und eine Schauspielgruppe wurden geschaffen. Die Instrumente bastelten die Männer in der Freizeit. Auf Zementsäcke wurden die Noten geschrieben. Trotz aller widrigen Umstände kam es zu beachtlichen Leistungen. Die Stücke mußten der russischen Lagerleitung zur Zensur vorgelegt werden und wurden oftmals abgelehnt. Erst ein findiger Kopf erkannte den Grund hierfür. Als man mit „Roten Rosen, roten Lippen" begann, da freuten sich die Russen und meinten: „Krassnis karoscho", was so viel bedeutet wie „Rot, sehr gut". Die Aufführungen waren gerettet. Operette, Schauspiel, Volkslieder und Schlager wurden aufgeführt. Der Mut zum Überleben wurde bei den Gefangenen, die kaum noch an eine Heimkehr glaubten, wieder geweckt. Einer war dabei, der hieß Bodo Lukas; er machte sich nach seiner Heimkehr in Funk und Fernsehen einen Namen. Ein Mitglied von Schalke 04, Kobierski, stellte eine Fußballmannschaft auf. Gespielt wurde zuerst mit einem Ball aus Lumpen, bis die Schuhmacher einen richtigen Lederball anfertigen konnten. Eine große Sensation war auch die selbst gebastelte Normaluhr. So etwas konnten nur die Woina Plennis fertigbringen.

Die deutsche Lagerführung lag in guten Händen. Sie tat alles, um das schwere Los der Gefangenschaft erträglicher zu machen. Sie alle, die in diesen schweren Jahren
dabei waren, gelobten hinter dem Stacheldrahtzaun, sich wiederzusehen, wenn sie erst zu Hause wären. Jetzt ist es wieder so weit. Ein Teil dieser Kumpels aus dem süddeutschen Raum wird wieder kommen, diesmal nach Dettingen, so wie immer, wenn in den letzten Jahren zum Heimkehrertreffen des Lagers 7144/4 aufgerufen wurde. Es gibt unter den Teilnehmern keine Kundgebung, keine Revanchegelüste. Sie wollen nur unter sich sein in einer angenehmen Umgebung und sich dessen erinnern, was einmal war, und sich freuen, daß sie dieser Hölle entrinnen konnten. Sie sind dem Schicksal dankbar dafür, daß sie es waren, die überleben durften. Sie werden teilweise auch ihre Frauen mitbringen und ihnen zeigen, mit wem sie damals ihr letztes Stück Brot teilten. Es wird heute so viel von Kameradschaft gesprochen. Unter diesen Menschen, die am Wochenende zu ihrem Heimkehrertreffen nach Dettingen kommen, ist sie echt. Wir wünschen allen Teilnehmern an diesem Treffen einige frohe und besinnliche Stunden u. daß sie viele angenehme Erinnerungen aus Dettingen mit nach Hause nehmen.

mfg
Josef
« Letzte Änderung: Sa, 26. Juni 2010, 22:59 von Ulla »

 


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