Dann gestreut, alle fünf Sekunden eine Granate.
Gegen drei Uhr nachts hört das Geschützfeuer auf. Die Nordkoreaner stecken trockene Grasstreifen in Brand. Der Wind treibt die Flammen zur „Fox“-Kompanie. Sie strahlen rötlich zuckend die abgestellten Fahrzeuge an.
Überall tauchen „Gooks" auf, Nordkoreaner in billigen, grünen Baumwolluniformen. Sie kriechen wie Schlangen durch die hohen Reisfelder, werfen ihre kurzstieligen, russischen Handgranaten, klettern im bizarren Halbdunkel in den Hängen der Nachbarhügel hoch und nehmen da„ Reisbauerndorf von allen Seiten unter Feuer. Jeeps und 2,5-Tonner der „Fox"-Kompanie knattern ostwärts. „Die Gooks sind überall und nirgends, Madonna! Wie sollen wir sie zu fassen kriegen?" flucht der schwarze Sergeant vom Funktrupp.
Drei Meilen weiter gräbt sich die Kompanie an einem der tausend Hänge dieses hügelreichen Brückenkopfes wieder ein.
Gegen Morgengrauen erscheint ein nachstoßender roter T-34-Panzer. Zwei mit Stahlblechen benagelte Lkw.s folgen ihm. Vor dem Panzer laufen „Gooks" spähend und sichernd unermüdlich von einer Straßenseite zur anderen. Kein Weißer könnte ihr Tempo mithalten. Nicht umsonst stellte Korea Weltmeister im Marathonlauf.
Die Farbigen der „Fox"-Kompanie haben jetzt Büchsenlicht. Geduldig warten sie an ihrer geretteten 15,7-cm-Pak. Dann knallt's Ein-, zwei-, dreimal. Dem T 34 reißt es den Turm ab. Eine Stichflamme folgt. Dann eine Detonation. Die Lkws drehen bei. Den zweiten erwischt es noch. Rauchend verschwindet er im Morgennebel.
Nachmittags kommen zwei Pershing- und ein Patton-Panzer von der Divisions-Reserve. Jeeps bringen neues Verbandsmaterial und Sanitäter. Ein Feldgeistlicher im Oberleutnantsrang spricht zu den Mannschaften; sein Vaterunser ist überkonfessionell. Die Kompanie wartet in neuen Stellungen auf die Nacht, auf die „Gooks".
Sie kommen nicht. Am nächsten Tag ist die alte HKL (Hauptkampflinie) wieder hergestellt.
Kam Seng schweigt. Dabei werden zwei Gefangene gemacht. Betrunken liegen sie im Erlengebüsch des Dorfbaches, eine leere amerikanische- Whisky-Flasche neben sich. Ein paar Kunstgriffe machen sie rasch nüchtern.
„Warum stieß eure Truppe nicht nach?"
„Unser Hauptmann fiel gestern im Panzer."
„Ist kein Ersatzoffizier da?"
Die beiden zuckten stumm die Schultern. Vor vier Wochen war ein gleicher Mangel undenkbar.
Nach amerikanischen Berechnungen haben die Nordkoreaner bisher 57 000 Mann verloren. Sie drücken jetzt mit zwölf Divisionen gegen die 160-km-Front des Brückenkopfes. Das sind einschließlich ihrer drei Reservedivisionen rund 120 000 Mann.
Aber statt früher 20 Panzer bringen sie nur noch 3 oder 4 in Schwerpunkten zusammen. Oft läßt die Artillerie gute Ziele aus: Munitionsmangel! Achtzig Prozent der rückwärtigen Brücken wurden durch taktische und strategische UNO-Bomberverbände zerstört. Die beiden Gefangenen bestätigen das.
Der eine spricht ein leidliches Englisch. Er war Gärtner bei einem amerikanischen Offizier der KMAG (Korea Military Advisory Group). Als Südkoreas Hauptstadt Seoul plötzlich fiel, blieb der Gärtner zurück, um nicht von Syngman Rhees südkoreanischer Armee eingezogen zu werden.
Im August erwischten ihn die Roten auf dem Bauernhof seines Onkels in der Nähe von Ichong. Der gewesene Gärtner Kam Seng wurde „requiriert" und ausgebildet: in elf Tagen. In Nachtmärschen ging es zur Front. Dabei mußte Kam Seng vier MG-Munitionskästen nachschubtransportieren.
Ob er nicht jetzt für die Amerikaner kämpfen könnte? - Der schwarze Hauptfeldwebel sieht ihn finster an. Kriegsgefangener Kam Seng schweigt vorsorglich und zieht mit dem aus seinem rechten, billigen Gummilaufschuh herausschauenden großen Zeh zögernd Kreise auf dem staubigen Boden des Gefechtsstandes.
Ein Feuerzeug aus USA. Der Kompaniechef knöpft sich den anderen Gefangenen vor. Der ist klein wie die meisten Koreaner, hat nicht viel mehr als 100 Pfund Gewicht und listige, abwägende Augen. Der südkoreanische Dolmetscher gibt ihm eine Zigarette und verspricht ihm das ganze Päckchen „Lucky Strike". Das löst die Zunge.
Sung Koo ist fast 30 Jahre alt. Vor rund zehn Jahren floh er „vor den japanischen Faschisten" in die Mandschurei. Da waren zwar auch Japaner, aber das weite Land bot dem „Untergrund" bessere Chancen. Sung Koo fand Anschluß an die jenseits der Großen Mauer operierende Rote 8. Feldarmee, die Haupttruppe des chinesischen Kommunistenführers Mao Tse-tung. 1946-48 kämpfte er zwischen Mukden und Harbin entlang der Mandschurischen Eisenbahn gegen den „Faschisten" Tschiang Kai-schek.
Im März 1950 wurde Sung Koo mit 20 .000 koreanischen Kameraden an die nordkoreanische Volksrepublik in Pjöngjang zurückgegeben. Die kampferprobten Soldaten wurden auf die 4., 5. und 6. Division verteilt. Die 1., 2. und 3. Division bestand aus Mannschaften, die von sowjetischen Offizieren in Nordkorea ausgebildet worden waren.
Sung Koo kam zu einer Sondereinheit. Über deren Aufgabe verweigert er die Antwort. Trotzdem bekommt er das versprochene Päckchen Zigaretten.
Der Kompaniechef läßt Kams und Sungs Taschen filzen: Zutage kommen in Fettpapier eingeschlagene Brocken von gekochtem Reis, Hartkekse aus Weizen und Sojaschrot sowie zwei Knäuel eßbaren Seetangs.
Bei Kam findet man ein Feuerzeug „Made in USA". Kam schwört: „Geschenk von Captain in Seoul!" Die Boys der „Fox"Kompanie sehen ihn ungläubig und böse an. Dann entdecken sie bei Sung ein gestern von ihm erbeutetes, angebrochenes US-Frontkämpferpäckchen.
„Gegen wen kämpfst du jetzt?" läßt der schwarze Hauptfeldwebel den 30jährigen „Berufs"-Soldaten Sung fragen. „Gegen die weißen Faschisten", kommt es trotzig nach einigem Zögern.
Sung Koos Situation wird brenzlich. ;Get out!" sagt der Kompaniechef. „Raus, ehe es zu spät ist."
Ein Jeep bringt die beiden Nordkoreaner zum G-2 (Gefangenenvernehmungsoffizier) der Division. Von dort gehts zum 1. UNO-Kriegsgefangenenlager der Welt. Es ist ein Propaganda-Camp, mit Zigaretten, Schlafdecken und zweimal Reis am Tage. Trotzdem fürchten die meisten der 1200 eingebrachten „Gooks", daß man sie doch eines Tages erschießt, wie ihnen ihre politischen Truppenkommissare prophezeiten.
Doch von denen sind selber rund 20 übergelaufen. Sie hocken jetzt in einem gesonderten „cage", aber passiert ist ihnen nichts. Das spricht sich herum ...
Quelle-Der Spiegel (20.09.1950)
Gruß
Josef