Autor Thema: Die Nürnberger Prozesse 1945-1949  (Gelesen 4422 mal)

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Die Nürnberger Prozesse 1945-1949
« Antwort #30 am: Sa, 18. November 2006, 21:47 »
Neurath war zwischen 1932 bis 1945:Mitglied der NSDAP,General der SS,Mitglied des Reichstags,Reichsminister,Reichsaußenminister,Reichsprotektor für Böhmen und Mähren.
Er wurde am 6.Mai 1945 von französischen truppen festgenommen.
Anklagepunkte:1,2,3,4
« Letzte Änderung: Do, 01. Juli 2010, 22:16 von Ulla »

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Die Nürnberger Prozesse 1945-1949
« Antwort #31 am: Sa, 18. November 2006, 21:56 »
Fritzsche war von 1933 bis 1945:Mitglied der NSDAP,Hauptschriftleiter des offiziellen deutschen Nachrichtenbüros,Chef des Runkfunksystems und der Presseabteilung des Reichsministers für Propaganda,Ministerialdirektor im Reichspropagandaministerium,Chef der Rundfunkabteilung der Propagandaabteilung der Nazi-Partei und Bevollmächtigter für die politische Organisation des Großdeutschen Rundfunks.
Anfang Mai 1945 von sowjetischen truppen von Berlin nach Moskau in das Gefängnis "Lubjanka" verbracht.
Anklagepunkte:1,3,4
« Letzte Änderung: Do, 01. Juli 2010, 22:17 von Ulla »

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Die Nürnberger Prozesse 1945-1949
« Antwort #32 am: Sa, 18. November 2006, 22:01 »
Krupp war zwischen 1932 und 1945:Leiter der Friedrich-Krupp-AG,Mitglied des Generalwirtschaftsrates,Präsident der Reichsvereinigung der Deutschen Industrie,Leiter der Gruppe für Kohle,Eisen und Metallprodukte unter dem Reichswirtschaftsministerium.
Am 21.Mai 1945 an seinem Ferienwohnsitz in Blühnbach bei Salzburg unter Hausarrest gestellt worden.
Anklagepunkte:1,2,3,4 (7)
« Letzte Änderung: Do, 01. Juli 2010, 22:18 von Ulla »

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Die Nürnberger Prozesse 1945-1949
« Antwort #33 am: Sa, 02. Dezember 2006, 15:43 »
Wie nahmen die Gefangenen das furchtbare Dokument auf? Der amerikanische Gerichtspsychologe Gustave M. Gilbert hat die Angeklagten in ihren Zellen beobachtet, mit ihnen gesprochen und ein genaues Tagebuch darüber geführt. Er bittet die Gefangenen, ihre Stellungnahme zu der Anklageschrift mit ein paar Worten an den Rand des Dokuments zu schreiben. Diese Bemerkungen spiegeln nach Ansicht des Psychologen die Charaktere am deutlichsten wider.

Hans Fritzsche: "Es ist die schrecklichste Anklage aller Zeiten. Nur eines ist noch schrecklicher: die Anklage, die das deutsche Volk gegen den Mißbrauch seines Idealismus erheben wird."

Franz v. Papen: " Die Anklage hat mich entsetzt, und zwar wegen 1. der Unverantwortlichkeit, mit der Deutschland in diesen Krieg und die weltweite Katastrophe geworfen wurde, 2. der Anhäufung von Verbrechen, die einige Angehörige meines Volkes begangen haben. Das letztere ist psychologisch unerklärlich. Ich glaube, daß Heidentum und die Jahre der totalitären Herrschaft die Hauptschuld tragen. Durch beides wurde Hitler im Laufe der Jahre ein pathologischer Lügner."

Hjalmar Schacht: "Ich verstehe überhaupt nicht, warum ich angeklagt bin."

Frank: "Ich erwarte den Prozeß als ein gottgewolltes Weltgericht, das berufen ist, die furchtbare Zeit der Leiden unter Adolf Hitler zu prüfen und zum Abschluß zu bringen."

Kaltenbrunner: " Ich fühle mich nicht schuldig an irgendwelchen Kriegsverbrechen, ich habe nur meine Pflicht als Sicherheitsorgan getan und weigere mich, als Ersatz für Himmler zu dienen."

Dönitz: "Keiner dieser Anklagepunkte betrifft mich letzten Endes. Typischer amerikanischer Humor."

Keitel: "Für einen Soldaten sind Befehle Befehle."

Ribbentrop: " Die Anklage richtet sich gegen die verkehrten Leute."

Speer: "Der Prozess ist notwendig. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung für so schreckliche Verbrechen - auch unter einem autoritären System."

Heß: "Ich kann mich nicht erinnern."

Göring läßt einen Geistesblitz los: "Der Sieger wird immer der Richter und der Besiegte stets der Angeklagte sein!" (9)

Es gab nur einen, der unter der Wucht der Anklageschrift zusammenbrach: Dr. Robert Ley, einst mächtiger Führer der Deutschen Arbeitsfront und als Antisemit höchstens noch von Streicher übertroffen. Ley erhängte sich am 25.10.1945 in seiner Zelle.

Leys Platz auf der Anklagebank war allerdings nicht der einzige, der leer blieb. Zwei weitere Männer blieben dem Gericht fern. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und Martin Bormann. Mit Krupp wollte die Anklagebehörde symbolisch die deutsche Rüstungsindustrie erfassen. Die Anklageschrift warf dem Industriellen vor:"... daß er die Machtergreifung der Nazi-Verschwörer förderte und ihre Kontrolle über Deutschland stärkte und festigte; er förderte die Vorbereitung für den Krieg. Er nahm teil an den militärischen und wirtschaftlichen Plänen und Vorbereitungen der Nazi-Verschwörer für Angriffskriege; er genehmigte und leitete Kiegsverbrechen und Verbrechen gegen die Humanität, besonders Ausbeutung und Mißbrauch von Menschen für Arbeit in der Führung von Angriffskriegen, und nahm an diesen Verbrechen teil". (10) Gustav Krupp war jedoch nicht verhandlungsfähig. Anträge der Anklagevertretung, gegen ihn in Abwesenheit zu verhandeln oder an seine Stelle Sohn Alfried zu setzen, wurden von den Richtern abgewiesen. Krupps Platz auf der Anklagebank blieb leer. Leer blieb auch der Platz des Angeklagten Martin Bormann, Hitlers Privatsekretär. Gegen ihn wurde in Abwesenheit verhandelt.

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Die Nürnberger Prozesse 1945-1949
« Antwort #34 am: Sa, 02. Dezember 2006, 15:48 »
Der Prozeß wurde am 20.11.1945 mit dem Verlesen der Anklageschrift durch Lordrichter Geoffrey Lawrence, dem Vorsitzenden des Internationalen Militärgerichtshofes in Nürnberg eröffnet. Nach dem die Anklageschrift im vollen Wortlaut vorgetragen worden war, wurden die Angeklagten aufgefordert, sich für "schuldig oder nicht schuldig" zu erklären. Alle Angeklagten mit Ausnahme des abwesenden Bormann erklärten sich für "nicht schuldig". Darauf folgte Robert Jacksons Eröffnungsrede für die Anklagebehörde. Diese Rede wurde weithin gerühmt, häufig abgedruckt und wird oft zitiert. Hier ein kurzer Auszug:

" ...Die Untaten, die wir zu verurteilen und zu bestrafen suchen, waren so ausgeklügelt, so böse und von so verwüstender Wirkung, daß die menschliche Zivilisation es nicht dulden kann, sie unbeachtet zu lassen, sie würde sonst eine Wiederholung solchen Unheils nicht überleben. Daß vier große Nationen, erfüllt von ihrem Siege und schmerzlich gepeinigt von dem geschehenen Unrecht, nicht Rache üben, sondern ihre gefangenen Feinde freiwillig dem Richterspruch des Gesetzes übergeben, ist eines der bedeutsamsten Zugeständnisse, das die Macht jemals der Vernunft eingeräumt hat." Wenig später stellte sich Jackson offen der Frage der "Siegerjustiz":" Bevor ich auf die Einzelheiten des Tatbestandes eingehe, müssen noch einige allgemeine Überlegungen freimütig erwogen werden, die das Ansehen des Prozesses in der Meinung der Welt beinflussen könnten. Ankläger und Angeklagte sind in einer sichtlich ungleichen Lage zueinander. Das könnte unsere Arbeit herabsetzen, wenn wir nicht bereit wären, selbst in unbedeutenden Dingen gerecht und gemäßigt zu sein. Leider bedingt die Art der hier verhandelten Verbrechen, daß in Anklage und Urteil siegreiche Nationen über geschlagene Feinde zu Gericht sitzen. Die von diesen Männern verübten Angriffe, die eine ganze Welt umfaßten, haben nur wenige wirklich Neutrale hinterlassen. ... Wir dürfen niemals vergessen, daß nach dem gleichen Maß, mit dem wir die Angeklagten heute messen, auch wir morgen von der Geschichte gemessen werden. Diesen Angeklagten einen vergifteten Becher reichen, bedeutet, ihn an unsere eigenen Lippen zu bringen. Wir müssen an unsere Aufgabe mit so viel innerer Überlegenheit und geistiger Unbestechlichkeit herantreten, daß dieser Prozeß einmal der Nachwelt als die Erfüllung menschlichen Sehnens nach Gerechtigkeit erscheinen möge." (11) Und an anderer Stelle: "Die Gefahr, die wir im Angesicht des sittlichen Urteils der Welt zu gewärtigen haben, besteht darin, daß die Welt diese Verhandlungen als politischen Prozeß betrachtet, den der Sieger dazu benutzt, sich an den Besiegten zu rächen. "...wir müssen allen Deutschen klar machen, daß das Übel, für das ihre geschlagenen Führer vor Gericht stehen, nicht die Tatsache ist, daß sie den Krieg verloren haben, sondern daß sie ihn begonnen haben."

Einen Großteil seiner Rede widmete Jackson anschließend einem Überblick über das Beweismaterial, auf das sich der Vorwurf der Verschwörung zur Einleitung und Durchführung eines Angriffskrieges stützte.

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Die Nürnberger Prozesse 1945-1949
« Antwort #35 am: Sa, 02. Dezember 2006, 16:05 »
In den nächsten Sitzungstagen wurde dazu eine Fülle von Beweisdokumenten zitiert. Eines der Schlüsseldokumente in diesem Zusammenhang ist das "Hoßbach-Protokoll" vom 5. November 1937. Was geschah an diesem Tag? An diesem Tag, noch fast ein Jahr vor dem Anschluß Österreichs, fast zwei Jahre vor Kriegsbeginn, enthüllte Hitler die ganze Reichweite seiner Pläne. Während das deutsche Volk und die Welt noch immer mit Friedensbeteuerungen beschwichtigt wurden, fand in Berlin eine geheime Sitzung statt. Die Teilnehmer, die sich um Hitler versammelten, waren Reichskriegsminister Werner von Blomberg, Generaloberst Werner von Fritsch als Oberbefehlshaber des Heeres, Generaladmiral Erich Raeder als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Generaloberst Hermann Göring als Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Reichsaußenminister Constantin von Neurath und der persönliche Adjutant Hitlers, Oberst Friedrich Hoßbach. Hoßbach fertigte über den Inhalt dieser Sitzung ein Protokoll an. Es überdauerte den Krieg, wurde von den alliierten Truppen gefunden und lag nun auf dem Tisch der Anklagevertretung in Nürnberg. "Das Schriftstück", sagte der amerikanische Ankläger Aldermann, "zerstört jeden nur möglichen Zweifel an den wohlüberlegten Plänen der Nazis bezüglich ihrer Verbrechen gegen den Frieden. Dieses Schriftstück ist von so ungeheurer Bedeutung, daß ich mich verpflichtet fühle, es in seinem vollen Wortlaut vorzulesen." Das Hoßbach-Protokoll ist eines der wichtigsten Beweisdokumente im ganzen Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß. Es zeigt fünf Dinge mit aller Deutlichkeit: 1. Hitlers Aufrüstung war nicht, wie er immer wieder betonte, eine Frage von nationaler Würde und Gleichberechtigung, sondern die erste Stufe seiner Angriffsabsichten. 2. Seit jener Besprechung vom 5. November 1937 wußten Wehrmachtsführung und Auswärtiges Amt, wußten die Angeklagten Göring, Keitel, Raeder und von Neurath,daß Hitler den "unabänderlichen Entschluß" gefaßt hatte, spätestens 1943/45 Gewalt anzuwenden und Krieg zu führen. 3. Hitler ist entschlossen, auch seine Gesinnungsfreunde Mussolini und Franco zu verkaufen. Es geht ihm nicht um seine Blutsverwandten, Österreicher und Sudetendeutsche, sondern um Rohstoffe und Menschenmaterial für neue Divisionen. 4. Alle Beteuerungen Hitlers gegenüber dem deutschen Volk und gegenüber der Welt sind bewußte Täuschungen: "Wir haben keine territorialen Forderungen in Europa", "Wir wollen nur den Frieden", "Wir wissen, daß Spannungen in Europa nicht durch Krieg gelöst werden können." 5. Hitler, der von seinem Propagandaminister Goebbels als "der größte Feldherr aller Zeiten" gepriesen worden ist, hat die militärische Lage vollkommen falsch eingeschätzt. Mit den Vereinigten Staaten von Amerika hat er überhaupt nicht gerechnet. (12) (Das Protokoll ist im vollen Wortlaut im Anhang abgedruckt)

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« Antwort #36 am: So, 03. Dezember 2006, 09:55 »
Dann folgten im Gerichtssaal Filme über die Konzentrationslager Buchenwald, Bergen-Belsen und Dachau. Sie wurden in dem Zustand gezeigt, in dem amerikanische und britische Truppen sie vorgefunden hatten. Selbst für jene, die wie Telford Taylor schon eine frühere Besichtigung mitgemacht hatten, waren diese Bilder kaum zu ertragen. Der furchtbare Zustand der Lebenden und die Berge nackter Leichen, die von Bulldozern in ein gewaltiges Massengrab geschoben wurden, boten einen erschütternden Anblick

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« Antwort #37 am: So, 03. Dezember 2006, 09:58 »
Nach der amerikanischen Anklagevertretung, für die ungefähr 50 Personen vor Gericht auftraten, erhielt die britische Anklagevertretung das Wort. Ihr Vorsitzender, Kronanwalt Sir Hartley Shawcross schilderte unter Anklagepunkt 2 "Verbrechen gegen den Frieden" die Besetzung von Polen, Dänemark, Norwegen, Belgien, Holland, Luxemburg, Griechenland, Jugoslawien und der Sowjetunion. Die britische Präsentation des Beweismaterials beanspruchte knapp 4 Tage und belastete Ribbentrop, Keitel, Rosenberg, Raeder und Jodl schwer. Zu den Beweisdokumenten gehörte eine Zusammenstellung und Auslegung der von den Nazis verletzten zwischenstaatlichen Nichtangriffspakte. Ferner befaßte sich Shawcross mit der Planung und Ausführung der tatsächlichen Angriffe gegen einzelne Länder: Neben dem schon zitierten Hoßbach-Protokoll berief er sich auf die sogenannten "Schmundt-Notizen", die bereits von den Amerikanern in den Prozeß eingeführt worden waren und die ein weiteres Schlüsseldokument im Nürnberger Verfahren waren. Es handelte sich um das Protokoll einer Konferenz, die am 23.5.1939 im Arbeitszimmer des "Führers" in der neuen Reichskanzlei stattfand. Hitlers Adjudant Schmundt (Nachfolger von Hoßbach) hat die Aufzeichnungen angefertigt. Von den Angeklagten waren anwesend: Göring, Raeder und Keitel. Letzterer hat die Echtheit des Dokuments bestätigt. Entscheidend ist das Datum: der 23. Mai 1939. Zwei Monate nach Hitlers Einmarsch in Prag, zwei Monate nach Beendigung des spanischen Geheimkrieges der Legion Condor, und nicht viel mehr als drei Monate vor Beginn des 2. Weltkrieges fiel die Entscheidung über das Leben von Millionen Menschen. "Es heißt, die Umstände den Forderungen anzupassen", erklärte Hitler den Teilnehmern der Berliner Geheimkonferenz. "Ohne Einbruch in fremde Staaten oder Angreifen fremden Eigentums ist dies nicht möglich. Die zurückliegende Zeit ist wohl ausgenützt worden. Alle Schritte waren folgerichtig auf das Ziel ausgerichtet. Nationalpolitische Einigung der Deutschen ist erfolgt. Weitere Erfolge können ohne Bluteinsatz nicht mehr errungen werden". Dann entwickelt Hitler seine Pläne: "Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um die Arrondierung des Lebensraumes im Osten und Sicherstellung der Ernährung. In Europa ist keine andere Möglichkeit zu sehen. Zwingt uns das Schicksal zur Auseinandersetzung mit dem Westen, ist es gut, einen größeren Ostraum zu besitzen. Es entfällt also die Frage, Polen zu schonen, und bleibt der Entschluß, bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen...". (13)Gleichsam als Resümee zu Anklagepunkt 1 und 2 wurde am 11.12. ein Dokumentarfilm über den Nationalsozialismus in den Jahren von 1921 bis 1944 im Gerichtssaal vorgeführt.

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« Antwort #38 am: Mi, 06. Dezember 2006, 22:53 »
Nach der Weihnachtspause eröffnete der französische Hauptankläger Francis de Menthon am 17.1.1946 die französische Klage. Er warf den Angeklagten hauptsächlich und in erster Linie Kriegsverbrechen vor und wandte sich nun den Beweisen für die Begehung derartiger Verbrechen in den besetzten westeuropäischen Ländern zu. (Es gab eine Arbeitsteilung: Rudenko, der sowjet. Hauptankläger konzentrierte sich auf die osteuropäischen Länder). De Menthon teilte die den Angeklagten zu Last gelegten Kriegsverbrechen in 3 Hauptkategorien ein: "die Zwangsarbeit, die wirtschaftliche Ausplünderung und die Verbrechen gegen die menschlichen Lebensgrundlagen". (14) Sauckel, der "in Verbindung" mit Göring und Speer handelte, trug laut Anklage die schwerste Last der Schuld für das Zwangsarbeitsprogramm. (Sauckels Programm ist im Anhang abgedruckt). Unter "wirtschaftlicher Plünderung" verstand de Menthon "sowohl die Wegnahme von Gütern aller Art wie die Ausbeutung der nationalen Reichtümer an Ort und Stelle zugunsten des deutschen Krieges". Im Zusammenhang mit den "Verbrechen gegen physische Personen" behandelte de Menthon die "Exekutionen von Geiseln, die Verbrechen der Polizei, die Deportationen, die Verbrechen gegen Kriegsgefangene sowie die Terroraktionen gegen die Widerstandsbewegung und die Massaker an der Zivilbevölkerung". (15) In seinem Resümee hielt de Menthon fest: " .. der Krieg war von langer Hand vorbereitet und geplant, und bis zum letzten Tag wäre es ein leichtes gewesen, ihn zu vermeiden, ohne auch nur im geringsten etwas von den berechtigten Interessen des deutschen Volkes zu opfern. Und die Greueltaten sind im Laufe des Krieges nicht unter dem Einfluß einer wilden Leidenschaft oder eines kriegerischen Zornes oder aus einem Gefühl der Rache begangen worden, sondern aus kalter Berechnung, in bewußter Anwendung von Methoden und einer schon früh vorhandenen Lehre." (16) Nach de Menthons Eröffnungsrede begann der stellvertretende französische Hauptankläger Edgar Faure mit der Präsentation des Beweismaterials. Beweismaterial bezüglich der "Arbeitspflicht" und der "Ausplünderung der Wirtschaft" wurde für die Länder Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich vorgelegt. Allein die Zahlen waren niederschmetternd. Über 150.000 Belgier, 430.000 Holländer und 2,6 Millionen Franzosen waren gezwungen worden, "für die Kriegsanstrengungen des nationalsozialistischen Deutschlands zu arbeiten". (17) .Über 875.000 französische Arbeiter waren nach Deutschland deportiert und fast eine Million Kriegsgefangene zur Unterstützung militärischer Zwecke herangezogen worden. In der Beweisführung über die "Ausplünderung der Wirtschaft" stellten die Franzosen dar, wie Fabriken, Maschinen und andere Produktionsgüter beschlagnahmt und nach Deutschland geschafft wurden. Noch schädlicher aber wirkte sich die Beschlagnahme von Lebensmitteln sowie von Holz und anderen Brennstoffen aus. Im Laufe des Krieges gingen die französischen Lebensmittelrationen auf 1.800 bis 1.300 oder weniger Kalorien pro Tag zurück, ein Niveau, das sogar nach Ansicht der deutschen Regierung "eine Aushungerung bedeutet, die langsam zum Tode führt". Im nächsten Schritt präsentierte die französische Anklagevertretung Beweismaterialien über die deutschen Konzentrationslager und über die Tötung von Geiseln. Allein in Frankreich wurden fast 30.000 Geiseln umgebracht. In den Niederlanden waren es insgesamt 3.000 und auch in den anderen westeuropäischen Ländern verhielt es sich ähnlich. Viele Tausende wurden eingesperrt oder in Konzentrationslager deportiert. 40.000 Franzosen starben in französischen Gefängnissen unter deutscher Kontrolle. Dubost legte Beweise für viele Einzelfälle vor, bei denen es vor der Tötung zu unaussprechlichen Folterungen gekommen war.

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« Antwort #39 am: Sa, 09. Dezember 2006, 17:17 »
Eine der Zeuginnen, die die französische Anklagevertretung aufrief, war Madame Vaillant- Couturier. Sie war eine mehrfach ausgezeichnete Abgeordnete der Konstituierenden Versammlung von Frankreich. Als Mitglied der Resistance war sie von den Deutschen Anfang 1942 in Paris verhaftet worden und hatte fast ein Jahr in deutschem Gewahrsam verbracht. Im März 1943 war sie dann mit einem Konvoi von 230 Französinnen nach Auschwitz gebracht und hier sowie im Lager Ravensbrück bis Kriegsende festgehalten worden. In Auschwitz waren die Französinnen unter derart entsetzlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen worden, daß nur 49 dieses eine Jahr überlebten. Madame Vaillant-Couturier beschrieb nun vor dem Internationalen Militärgerichtshof das Selektionsverfahren für diejenigen, die in die Gaskammern von Auschwitz geschickt wurden. Auch beschrieb sie die mit den Häftlingen veranstalteten medizinischen Experimente. Bei beiden Tätigkeiten tauchte der Name von Dr. Josef Mengele zum erstenmal im Prozeßprotokoll auf.

 


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