Autor Thema: Die k.u.k. Armeeschießschule bei BRUCK a.d. LEITHA  (Gelesen 2098 mal)

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Die k.u.k. Armeeschießschule bei BRUCK a.d. LEITHA
« am: Fr, 06. Februar 2009, 20:41 »
Die k.u.k. Armeeschießschule bei BRUCK a.d. LEITHA

von Feldmarschallleutnant  RUDOLF  STÖGER-STEINER, Edler von Steinstätten


Der Feldzug in Böhmen im Jahre 1866, dem unsere Armee, ausgerüstet mit dem Vorderlader, dem preussischenZündnadelgewehr gegenüberstand, bedeutete den endgültigen Bruch mit der bisherigen Linear- und Sturmtaktik. Diese konnte sich wohl in der hohen und dichten, oft nur wenige Schritte Ausschuss bietenden oberitalienischen Kultur bewähren, nicht aber im Manövergelände Nordböhmens, wo sie einem besser bewaffneten Gegner gegenüber versagen musste, der vom Feuer ausgiebigeren Gebrauch machte.

Die nächste Folge dieses Umschwunges der auf kriegerischen Erfahrungen basierenden Ansichten war die Neubewaffnung der Armee mit dem Hinterladgewehr System „Werndl“ (1869) und die Erkenntnis der Notwendigkeit, das Schiesswesen intensiver zu pflegen. – Diese Erkenntnis sowie die Forderung, die Behandlung und Handhabung des neuen Gewehrmodells der Armee noch vor dessen Ausgabe zu vermitteln,  führte im Jahre 1868 zur Errichtung der „Armeeschützenschule“.

Wie schon der Name sagt, diente diese Anstalt vorwiegend der Hebung persönlicher Schiessfertigkeit, sowie der Kultivierung des Einzelschusses und der Vermittlung waffentechnischer Kenntnisse.

In dieser Hinsicht leistete die Anstalt Hervorragendes, denn mit der Hebung der Schiessfertigkeit einzelner, steigerte sich die Schiessfreudigkeit, und diese löste ganz von selbst eine gesunde Konkurrenz in der gesamten Infanterie- und Jägertruppe aus.

Eine lange Reihe von Jahren blieb die Armeeschützenschule auf diesem Standpunkte. – Schützen- und Waffenwesen war ihr Programm.Mit den Fortschritten auf dem Gebiete des Gewehrwesens und den dadurch bedingten grösseren Schuss- (Gefechts-) Distanzen, reifte immer mehr die Erkenntnis von der überwiegenden Wichtigkeit des Abteilungsfeuers gegenüber dem Einzelschusse.

Im Jahre 1886 begann die Ausrüstung der Armee mit dem Repatiergewehr System „Mannlicher“.
Mit der Handhabung und Konservierung dieses Gewehres. sowie mit den Grundsätzen des Abteilungsfeuers musste die Armee rasch vertraut gemacht, die Studien und Erprobungen fortgesetzt,  reglementarische Bestimmungen neu geregelt und auch die Ausrüstung des Mannes teilweise geändert werden.. – Dieser intensiven und umfassenden Tätigkeit entsprach die Anstalt in der bestehenden Form nicht mehr, weshalb sie im Jahre  1887 reorganisiert und ihr Titel in „Armeeschiessschule“  umgeändert wurde.

In ganz richtiger Erkenntnis, dass gutes, wirkungsvolles Abteilungsfeuer die gründlichste Durchbildung des Einzelschützen zur Voraussetzung hat, es aber noch an einer genügenden Zahl von Instruktoren in der Armee mangelte, blieb die Kultivierung des Einzelschusses auch weiter ein hervorragender Programmpunkt dieser hervorragenden Anstalt.

In dem Masse als man erkannte, dass vom Abteilungsfeuer ein Erfolg nur dann zu erwarten ist, wenn es im richtigen Momente gegen das richtige Ziel und in angemessener Stärke (Lebhaftigkeit) abgegeben, also entsprechend geleitet wird, erweiterte sich von selbst die Tätigkeit und das Unterrichtsprogramm an der Armeeschiessschule. Eine gründliche, praktische Schulung in der Feuerleitung war geboten.
Die Richtigkeit des Grundsatzes:  „Die Stärke einer Armee liegt vornehmlich im Grade ihrer Schiessausbildung"“  kann wohl kaum angezweifelt werden.

In dieser Richtung können wir – durch finanzielle Rücksichten im Ausbau unserer Armee beengt – dank der vielen natürlichen Veranlagungen, welche unser Soldatenmaterial für das Schiesswesen mitbringt, und dem grossen Interesse, das unserem pflichttreuen Offizierskorps innewohnt,  gewiss Hervorragendes leisten und Unterschiede in der Zahl teilweise wettmachen.

Im Jahre 1908 wurde nach langjährigen und umfangreichen Erprobungen an der Armeeschiessschule das Maschinengewehr  System  „Schwarzlose“ eingeführt. So gering die Zahl der damals formierten Maschinengewehrabteilungen auch war, so fehlten doch die für die Fühung und Bedienung dieser neuen Waffen vorgeschulten Offiziere und Mannschaften vollkommen.
Die politische Situation war gespannt, die Armee musste in äussester Anstrenung nachholen, was bisher wegen der zur Verfügung gestandenen kargen Mittel versäumt wurde. Da war es wiederum die Armeeschiesschule, die im Winter 1908/09  unter den denkbar schwierigsten Verhältnissen in  ad hoc  organisierten Kursen das nötige Personal für diese Waffe ausbildete.
Dies alles führte zu fortgesetzten Erweiterungen dieser Anstalt, die endlich im Jahre 1909 ihre dermalige Organisation erhielt. - . So sehen wir die Armeeschiessschule sich zu einer ausserordentlich praktischen Schule, einer Versuchs- und Forschungsanstalt entwickeln,  welche die Erfahrungen, die ihr durch Verfolgung der Fortschritte des Waffen- und Schiesswesens in allen Staaten, durch eingehende Studien und Erprobungen zur Verfügung stehen, praktisch vermittelt und so als ein befruchtendes Organ für die ganze Armee auf dem Gebiete des Waffen- und  Schiesswesens wirkt.
In verschiedenen Lehrkursen werden jährlich nahezu 1000 Offiziere in der Feuerleitung intensiv und praktisch geschult und zu Waffenoffizieren teilweise vorbereitet, zirka 50 Stabsoffiziere für ihren umfangreichen hochwichtigen Dienst bei der Truppe  herangebildet und eine Anzahl von Truppenkommandanten über die Neuerungen auf allen Gebieten des Waffen- und Schiesswesens informiert.

Die Lehrer der Taktik und die des Schiess- und Waffenwesens an den Kadetten- und Korpsoffiziersschulen werden für ihre Lehrtätigkeit vorbereitet, die Frequentanten des Hochbaukurses in der Anlage und Sicherung von Elementarschiessplätzen praktisch unterwiesen. Die eingehende Belehrung, verbunden mit praktischer Anleitung bei Ausmittlung, Einrichtung und Sicherung von Gefechtsschiessplätzen und Zieldarstellung auf diesen,  hat bei den Truppen die schönsten Erfolge gezeitigt. –

Im Instruktionsbataillon und an der Maschinengewehrschule, werden jährlich an 1000 Unteroffiziere der Fusstruppen und der Kavallerie zu tüchtigen, praktischen Instruktoren im Schiess- und Waffenwesen, Turnen, Bajonettfechten, Leiten von Turnspielen und sportlichen Veranstaltungen herangebildet.

Reges Leben und Treiben herrscht in der Sommerperiode auf dem Gebiete der Armeeschiessschule;  man kommt gar nicht zum Bewusstsein, dass neben all diesen Kursen, zur Besichtigung kommenden Schulen, neben all den übenden und schiessenden Offizieren und Unteroffizieren auch die Versuchsabteilung eine intensive Tätigkeit entfaltet. –
Auf dem ihr zugewiesenen Versuchsplatze oder in ihren Laboratorien und Kanzleien obliegt sie oft tief einschneidenden Versuchen und Studien auf allen Gebieten, welche das Waffen- und Munitionswesen, die Ausrüstung des Mannes und der Truppe betreffen, vertieft sich in ballistische Fragen und zieht Schlüsse aus dem vorliegenden reichen statistischen Material. – Ihre Erprobungen und Versuche, die sehr oft zunächst nur auf wissenschaftlichen Studien und Berechnungen aufgebaut sind,  führt die Versuchsabteilung in alle Teile der Monarchie.
Bald sehen wir sie im Hochgebirge über 3000 Meter Höhe, bald am Meere, dann wieder im Karste oder in der ungarischen Tiefebene, in grösster Hitze und strengster Kälte tätig,  stets Erfahrungen sammelnd,  das Erforschte, Errechnete überprüfen, um es dann  der Truppe in einfacher Form zu übermitteln.
Vorstehende Skizze soll annähernd ein Bild über den Umfang der Tätigkeit der Armeeschiessschule liefern,  sie soll zeigen, welche Bedeutung der Anstalt für die Armee zukommt.

Die Erkenntnis der Wichtigkeit des Schiesswesens, der Eifer, der allen an dieser Anstalt wirkenden Offizieren innewohnt, die Liebe zur Sache und für unsere schöne Armee liess die Schule bei Erfüllung der ihr vorgezeichneten Pflichten nicht haltmachen. – Es genügte ihr nicht, dass alljährlich nur die vorgeschriebene Anzahl von Offizieren dort Anregung schöpfen und über Neuerungen unterrichtet werden.

Im Jahre 1909 wurde daher die Anstalt publizistisch tätig und vermittelte ihre Erfahrungen in den „Mitteilungen der Armeeschiessschule“. -  Dieser Schritt in die Öffentlichkeit hat die Schule auch im Auslande bekannt gemacht, und viele Staaten streben uns in der Organisation ähnlicher Anstalten nach. – Zahlreich werden die Veröffentlichungen in fremden militärischen Blättern und Zeitschriften übersetzt und besprochen, und vielfach werden im Auslande Stimmen nach ebensolchen Publikationen laut.

Es kann behauptet werden, dass durch die „Mitteilungen der Armeeschiessschule“ manche Anregung gegeben,  manche Fragen geklärt,  das Interesse geweckt und so die Sache wesentlich gefördert wurde.

Dankbar gedenkt die Schule der Fürsorge, die sie von allen berufenen Faktoren geniesst. – Begeisterten Ausdruck aber findet die Dankbarkeit am Schlusse eines jeden Lehrkurses für die erhabene Person unseres Obersten Kriegsherrn, der durch munifizente Zuwendungen das Schiesswesen fördert, so das Interesse für diese Anstalt dokumentiert, ihre Leistungen anerkennt und dadurch alle Angehörigen der Schule, getreu dem Allerhöchsten Wahlspruch  „Viribus unitis“ zu erneuerter intensivster Tätigkeit anspornt.

Auszug aus dem Buch " Die Wehrmacht der Monarchie"
« Letzte Änderung: Di, 19. Oktober 2010, 08:08 von Adjutant »
" Tradition ist die Flamme hüten und nicht die Asche bewahren "
Grüße aus Wien

 


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