Vor genau 60 Jahren kam das Zwangsarbeiter-Kinderlager nach Rühen
RÜHEN. Ein trauriges Kapitel der Geschichte jährt sich am Montag zum 60. Mal: Am 14. Juni 1944 wurde das Zwangsarbeiter-Kinderlager von Wolfsburg (Schachtweg) nach Rühen verlegt. Etwa 300 Säuglinge kamen dort um.
Es war eine Anweisung des Personalchefs des Kraft-durch-Freude-Werkes in Wolfsburg, dass das Lager in das vormalige Lager des Reichsarbeitsdienstes in Rühen umzog – unter den polnischen und sowjetischen Zwangsarbeitern sollte durch eine räumliche Trennung ein Aufruhr verhindert werden. Das Lager hatte die Neugeborenen der Arbeiterinnen aufzunehmen, damit die Mütter so schnell wie möglich wieder zur Arbeit zurückkehren konnten. Monatlich starben aber vier bis sechs Kinder. Der Grund waren katastrophale hygienische Bedingungen: Läuse, Fliegen, Wanzen, Krätze, Ausschlag, Geschwüre.
Die Rühener Baracken standen am Ortsrand an der B 244 zwischen Rühen und Kanalbrücke. Durchgehend waren dort etwa 130 Kinder. Zwar betreute der Werksarzt Dr. Körbel zusammen mit einer Oberschwester auch die Kinder in Rühen weiter, dennoch brach eine Epedemie nach der anderen aus, weil die hygienischen Zustände nicht besser waren. Die Kinder bekamen Durchfall, erbrachen und nahmen keine Nahrung auf, die das Hilfspersonal – ebenfalls Zwangsarbeiter – füttern wollte. Diagnose: Gastroenteritis. Körbel sah offensichtlich keine Möglichkeiten, die Zustände zu verbessern, und ließ sich ab Dezember 1944 kaum mehr blicken. Er unterschrieb nur noch die Sterbeurkunden – für etwa 300 Kinder bis April 1945. Die Todesquote in Rühen betrug nahezu 100 Prozent.
Anfänglich wurden die Säuglinge noch in hölzernen Kindersärgen am Rühener Friedhof bestattet, später nur noch – zu dritt oder mehreren – in Pappkartons oder ohne jedes Behältnisses. Heute erinnert an dieser Stelle des Friedhofes eine Gedenktafel an das Schicksal der polnischen und sowjetischen Kinder. Dr. Körbel wurde bei den Kriegsverbrecherprozessen zum Tode durch den Strang verurteilt und am 7. März 1947 hingerichtet.
Quelle-Wolfsburger Nachrichten (Newsclick.de) 12.06.2004
mfg
Josef