Autor Thema: Der Luftkrieg um Österreich und die Flaktürme Wiens  (Gelesen 1172 mal)

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Der Luftkrieg um Österreich und die Flaktürme Wiens
« am: Fr, 09. März 2007, 16:14 »
Luftkrieg und Luftabwehr während des Zweiten Weltkriegs im österreichischen Raum
Schon sehr bald nach der Kriegserklärung Italiens an Großbritannien am 10. Juni 1940 begannen nicht nur die Kämpfe zwischen britischen bzw. Commonwealth-Truppen und den italienischen Streitkräften in Nord- und Ostafrika sowie im gesamten Mittelmeerraum, es verlagerten sich auch die Operationen des Bomber Command der Royal Air Force (RAF) auch gegen Ziele in Norditalien, wodurch es im Sommer 1940 zu vereinzelten Überflügen von österreichischem Gebiet kam.

Erste Einflüge und Abwürfe von Flugblättern über österreichischem Gebiet durch britische Bomber der 4. Bomber Group, die von England bzw. Frankreich gestartet waren, lassen sich schon um die Jahreswende 1939/40 nachweisen - bereits ein deutliches Zeichen, dass die "Ostmark" als der "Luftschutzkeller des Deutschen Reiches" auch schon in den Jahren 1940 bis 1942 gegen Einflüge einzelner alliierter Flugzeuge keinesfalls so absolut "sicher" war, wie von der deutschen Luftwaffenführung bei Kriegsbeginn angenommen worden war.

Bei den ersten Luftangriffen der RAF auf süddeutsche und norditalienische Ziele wurde Tiroler und Vorarlberger Gebiet zwischen Mitte Juni und Ende August 1940 von britischen Bombern mehrmals überflogen. Diese Flüge wurden auch von Bombern der 4. Group des Bomber Command der RAF durchgeführt.(Fußnote 1/FN1)

Die Royal Air Force hingegen, die schon seit November 1940 die griechischen Streitkräfte bei ihren Abwehrkämpfen gegen italienische Verbände aller drei Waffengattungen unterstützt hatte, operierte nun bereits von Griechenland aus gegen Bulgarien und flog am 7. April 1941 erstmals schwere Angriffe gegen die praktisch unverteidigte Hauptstadt Sofia.

Im gesamten Kriegsschauplatz des Mittelmeerraumes von 1940 bis 1943, aber auch in Ostafrika 1940/41 und im Nahen Osten 1941 konnten die britischen Luftstreitkräfte (hauptsächlich die Desert Air Force) - unterstützt durch amerikanische Luftwaffenverbände der 9. (aus Ägypten) und 12. Air Force (Marokko, Algerien und Tunesien) - bis zum Mai 1943 wesentlich an der Niederringung der Streitkräfte der Achsenmächte und ihrer Semi-Verbündeten (hierzu müssen auch Teile der Vichy-französischen im November 1942 und die irakischen Streitkräfte im Mai 1941 gezählt werden) bis zur Kapitulation der Achsenstreitkräfte in Tunesien im Mai 1943 mitwirken.(FN2)

Die westalliierten Luft- und Landoperationen richteten sich nach den strategisch-operativen Vorgaben der Konferenz von Casablanca im Jänner 1943 vorerst gegen den "weichen Unterleib" der "Festung Europa".

Die auf dieser Konferenz in ihren Grundzügen festgelegte alliierte "Combined Bomber Offensive" (CBO) sah neben den Angriffen des Bomber Command der Royal Air Force und der amerikanischen 8. Air Force von England aus die schrittweise Errichtung einer "zweiten" strategischen Luftfront gegen das Deutsche Reich im Mittelmeerraum vor.
« Letzte Änderung: Fr, 02. Juli 2010, 20:04 von Ulla »
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Der Luftkrieg um Österreich und die Flaktürme Wiens
« Antwort #1 am: Fr, 09. März 2007, 16:15 »
Der Luftkrieg gegen den österreichischen Raum vom Sommer 1943 bis zum Frühjahr 1945
Die in Nordafrika stationierten britischen und amerikanischen strategischen Luftstreitkräfte flogen ab dem Hochsommer 1943 nicht nur Angriffe zur Unterstützung der eigenen Heeresverbände bei der Besetzung Siziliens und Süditaliens, sondern griffen auch, wie die schweren Bomberverbände der amerikanischen 9. Air Force, bereits am 1. August 1943 die Ölraffinerien in Ploesti/Rumänien und am 13. August 1943 die Messerschmitt-Werke in Wiener Neustadt an.(FN3)

Eine erhebliche Verbesserung für die strategischen Bomberverbände der Alliierten hatte die Besetzung des Raumes Foggia in Apulien bis Ende September 1943 gebracht.

Hier gelang es der effektiven Bodenorganisation der alliierten Luftstreitkräfte binnen weniger Wochen, neben der bereits vorhandenen italienischen Luftwaffenbasis bei Foggia noch dreizehn weitere Großflugplätze neu anzulegen. Von diesen Basen aus begannen nun die am 1. November 1943 in der neu aufgestellten 15. Air Force (ursprünglich unter dem Kommando von Major General James H. Doolittle, ab 3. Jänner 1944 unter Major General Nathan F. Twining) zusammengefassten amerikanischen strategischen Bomberverbände (ausgerüstet mit den viermotorigen Bombern Boeing B-17 Flying Fortress und Consolidated B-24 Liberator) sowie ihre Begleitjägerverbände und schließlich auch die 205 Group der RAF schon ab November 1943 Luftoperationen in verstärktem Ausmaß gegen Ziele im zentraleuropäischen Raum durchzuführen. Nicht nur die Angriffe auf die Flugzeugindustrie im Raum Wiener Neustadt wurden fortgesetzt, sondern auch die Flugzeugindustrie während der "Big Week" vom 20. bis zum 25. Februar 1944 im gesamten Reichsgebiet von sowohl britischen (bei Nacht) und amerikanischen Bomberverbänden (bei Tag) äußerst wirkungsvoll angegriffen.(FN4)

Der planmäßige Aufbau der strategischen Bomber-Streitmacht der USAAF im Mittelmeerraum ging wie bei der 8. Air Force in England bis zum Mai 1944 in sehr raschem Tempo vor sich. Anfang Juni 1944 umfassten die nun 21 Heavy Bombardment Groups der 15. Air Force bereits 741 einsatzbereite viermotorige Bomber (davon 605 B-24 in 15 Bomber Groups und 136 B-17 in sechs Bomber Groups) sowie 341 einsatzbereite Begleitjäger (in sieben Fighter Groups).(FN5) Bis Anfang April 1945 sollten sich diese Stärken auf 811 B-24 und 301 B-17 sowie auf 289 P-51 Mustang und 220 P-38 Lightning erhöhen.

Bei den taktischen Fliegerverbänden war zwischen Juli 1943 und April 1944 der Schwerpunkt der Operationen der RAF und der USAAF im westlichen Mittelmeerraum noch in der taktischen Luftunterstützung der eigenen Kräfte (britische 8. Armee und 5. US-Armee) in Sizilien und Mittelitalien gelegen. Mit den taktischen Fliegerkräften der amerikanischen 12. Air Force und der Desert Air Force wurden nach diesen phasenweise verlustreichen Operationen (die meisten alliierten Flugzeugverluste in Südeuropa traten ab Spätfrühjahr 1944 überwiegend durch die gegnerische Fliegerabwehr auf) ab Sommer 1944 durch die Verlegung einzelner Luftbasen nach Mittelitalien Einflüge taktischer Kampfflugzeuge nach Österreich möglich und speziell gegen Eisenbahnziele (z.B. Bahnanlagen entlang der gesamten Strecke über den Brenner) weiter intensiviert. Die alliierten strategischen Luftoperationen gegen den österreichischen, süddeutschen, ungarischen und tschechoslowakischen Raum wurden daher bis Ende April 1945, als die westalliierten Heeresverbände im Zuge ihrer letzten Offensive die norditalienische Tiefebene erreicht hatten und die Rote Armee zwischen Ende März und Anfang Mai 1945 Teile Ostösterreichs besetzte, mit steigender Wirksamkeit fortgesetzt.
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« Antwort #2 am: Fr, 09. März 2007, 16:16 »
Der Anteil der Royal Air Force am Luftkrieg gegen den österreichischen Raum

Der strategische Luftkrieg der 15. Air Force gegen den österreichischen Raum wurde ab Spätfrühjahr 1944 auch von der bereits im Herbst 1941 aufgestellten und vorerst vorwiegend über Nordafrika eingesetzten 205 Group der RAF unterstützt, die über durchschnittlich acht Squadrons mit einem Sollstand von 120 Bombern verfügte (vorerst ausschließlich zweimotorige Vickers Wellington und einige viermotorige Handley Page Halifax-Bomber, später - ab dem Frühsommer 1944 - wurden die Staffeln schrittweise auf Consolidated B-24 Liberator umgerüstet).

Bereits ab Februar, jedoch im vollen Umfang ab April 1944, begannen die Bomber der 15. Air Force und der 205 Group mit Angriffen auf verschiedene strategische Ziele auf österreichischem Gebiet, die sich vorerst auf die Flugzeug- und Kugellagerindustrie, dann ab 12. Mai 1944 auch auf die Treibstoffindustrie, auf weitere Ziele der deutschen Rüstung und schließlich ab Februar 1945 primär auf Verkehrsziele richteten.

Eine spezielle, mehrere Wochen dauernde Operation der 205 Group bildete die Verminung von mehreren Abschnitten der Donau, um die Öltransporte per Schiff aus Rumänien zu unterbinden.

Allerdings verliefen diese Operationen durch die Einsätze von Nachtjagdverbänden der deutschen Luftwaffe wie auch durch Fliegerabwehr und Unfälle phasenweise (besonders zwischen Juni und Ende August 1944) sehr verlustreich.(FN6)

Mit der Besetzung von italienischen Flugplätzen in Norditalien (v.a. im Raum Rimini und Ravenna) ab Ende 1944 rückten die Absprungbasen der alliierten Luftwaffenverbände noch näher an die Zielgebiete in der "Ostmark" heran. Nun fanden zwischen März und Anfang Mai 1945 auch verstärkte Einflüge von Jägern der RAF (hauptsächlich Staffeln der Desert Air Force, die mit der P-51 D Mustang/britische Bezeichnung: Mustang IV, die an sich schon über einen außergewöhnlichen Aktionsradius verfügte, ausgerüstet waren) bis in den Raum der nördlichen Steiermark und sogar des südlichen Niederösterreichs statt. Dabei erlitten diese auch als Jagdbomber eingesetzten Verbände durch die deutsche Fliegerabwehr v.a. im Raum Graz und Bruck an der Mur einige Verluste.(FN7)

Mit der Kapitulation der deutschen Heeresgruppe C in Norditalien am 2. Mai 1945 fanden jedoch diese Operationen der RAF ein jähes Ende.(FN8
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« Antwort #3 am: Fr, 09. März 2007, 16:18 »
Die deutsche Luftabwehr über der "Ostmark" ab Sommer 1943

Zwischen September 1939 und Hochsommer 1943 lagen nur vorübergehend Jagdverbände der deutschen Luftwaffe auf Flugplätzen auf österreichischem Gebiet, v.a. während des Polen- und Balkanfeldzuges.

Im österreichischen Raum waren erst seit den ersten amerikanischen Luftangriffen Mitte August 1943 nennenswert stärkere Jagdfliegerverbände unter dem Kommando des Jagdfliegerführers Ostmark (Jafü Ostmark), der der 7. Jagddivision unterstand (am 15. September 1943) und der die Jagdfliegerverbände auf österreichischem Gebiet führen sollte, stationiert worden.

Im Durchschnitt lagen zwischen Mitte August 1943 und Juni 1944 vier deutsche Jagdgruppen,(FN10) deren Stärke allerdings kaum mehr als 160 einsatzbereite einmotorige Jäger des Musters Me-109G überschritt, auf Flugplätzen im heutigen österreichischen Staatsgebiet bzw. in Westungarn oder Kroatien (durch zeitweise Verlegungen), von denen sie Einflüge und Angriffe alliierter Bomber auf Ziele in Mitteleuropa zu unterbinden versuchten. Fallweise griffen auch einzelne deutsche Jagdgruppen (z.B. von den Jagdgeschwadern JG 3 und JG 300) aus dem süddeutschen Raum in die Kämpfe ein, wodurch bei einzelnen Abwehreinsätzen im Frühjahr und Sommer 1944 fallweise mehr als 250 deutsche Jagdflugzeuge zum Einsatz kamen.(FN11) Die zweimotorigen schweren Jäger ("Zerstörer") der Type Me-110 und Me-410, deren Stärke im Frühjahr 1944 zwei Gruppen und eine Staffel im österreichischen Raum umfasste (Sollstärke 92 Maschinen), mussten nach einigen Anfangserfolgen schon ab Februar 1944 durch die amerikanischen Jäger derart schwere Verluste hinnehmen, dass sie ab Ende Juli 1944 endgültig vom Einsatz zurückgenommen werden mussten.

Aus dem Jafü Ostmark war am 15. Juni 1944 die 8. Jagddivision (Gefechtsstand am Cobenzl) entstanden, der allerdings zu diesem Zeitpunkt nur noch zwei Jagdgruppen mit einmotorigen Jägern und zwei Zerstörergruppen unterstanden. Deren Verluste im Juli und im August 1944 reduzierten die Zahl der einsatzfähigen Jagdflugzeuge drastisch.

Die in diesem Zeitraum klare zahlenmäßige Überlegenheit der amerikanischen Begleitjäger, von denen vier Fighter Groups (31., 52., 325. und 332., Sollstand je 125 Maschinen) schon seit Mai 1944 mit dem ausgezeichneten Jäger P-51 Mustang ausgerüstet waren,(FN12) der hohe Ausbildungsstand der Piloten und die immer öfter erkennbaren Ausbildungsmängel der immer jüngeren deutschen Piloten führten zu extrem hohen Verlusten unter den deutschen Jägern. Die wenigen verbliebenen deutschen Verbände waren bis Ende August 1944 regelrecht aufgerieben, ihre letzten Reste daraufhin meist nach Nord- und Ostdeutschland zurückgezogen worden. Ab Mitte September 1944 befanden sich keine einsatzbereiten deutschen Jagdfliegerverbände mit einmotorigen Jägern auf dem Gebiet der "Ostmark".(FN13)

Die amerikanischen Verluste an viermotorigen Bombern über dem österreichischen Raum waren zwar zwischen Oktober 1943 und April 1945 bei wenigen einzelnen Angriffen relativ hoch, blieben aber im Durchschnitt erheblich unter 3% der jeweils eingesetzten Bomber. Die Verlustquote der amerikanischen Begleitjäger blieb noch geringer. Insgesamt dürften durch deutsche Jäger und die Fliegerabwehrartillerie mit Sicherheit mehr als 600 westalliierte Bomber und mindestens 200 Jäger über dem österreichischen Raum abgeschossen worden sein.(FN14)

Die Luftabwehr gegen den strategischen Luftkrieg gegen Ziele in der "Ostmark" blieb daher ab Anfang September 1944 nun völlig den deutschen Fliegerabwehrverbänden überlassen.

Diese bis zum Sommer 1942 vorerst relativ schwachen Verbände waren bereits nach dem Luftangriff auf Wiener Neustadt am 13. August 1943 nachhaltig verstärkt worden. Innerhalb weniger Wochen trafen nun aus den anderen Luftgauen 32 schwere und elf leichte Flak-Batterien im Luftgau XVII ein, wo sie die Verbände der im September 1942 aufgestellten 16. Flakbrigade verstärkten. Dadurch konnte Anfang Dezember 1943 die 24. Flakdivision gebildet werden, die im Juni 1944 allein im Großraum Wien in einem Radius von 25 Kilometern über insgesamt 432 Fliegerabwehrkanonen (mit einem Kaliber zwischen 2cm und 12,8cm) verfügte.(FN15)

Zusammenfassung

Zweifellos waren die Stärke, Einsätze und Abschusserfolge der deutschen Jagdfliegerverbände und der Flak-Verbände zwischen August 1943 und Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt in der Lage, die westalliierten Luftangriffe gegen den zumindest bis Sommer 1943 einigermaßen sicheren "Luftschutzkeller des Reiches" in der "Ostmark" zu unterbinden. Dies unterschied sich allerdings kaum vom "Erfolg" der deutschen Luftverteidigung zwischen 1940 und 1945 über dem gesamten Gebiet des Deutschen Reiches, da die alliierten Luftwaffenverbände die deutschen Jagdverbände der Reichsverteidigung spätestens ab Frühjahr 1944 trotz phasenweise empfindlicher eigener Verluste in einem "Abnützungskrieg" aufrieben. Allerdings standen im österreichischen Raum immer wesentlich schwächere Kräfte - sowohl bei der Jagdabwehr als auch bei der terrestrischen Fliegerabwehr - als im übrigen Reichsgebiet zur Verfügung. Letztlich hätte jedoch auch eine Verstärkung beider Elemente nichts Wesentliches am Kraft- und Zeitkalkül und damit am Ergebnis des Luftkrieges geändert.

Interessant bleibt jedoch noch der Versuch, die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung und die unübersehbaren "steinernen Zeugen" des Luftkrieges dieser Jahre in Wien zu untersuchen.
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Der Luftkrieg um Österreich und die Flaktürme Wiens
« Antwort #4 am: Fr, 09. März 2007, 16:20 »
ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1/FN1) In der Nacht zum 17. August 1940 stürzte das vermutlich erste alliierte Flugzeug - ein britischer zweimotoriger Bomber des Typs Armstrong Whitworth "Whitley" der 102 Squadron über dem heutigen österreichischen Gebiet (nahe des Gipfels des Hohen Lichts im Lechtal)ab. Die sterblichen Überreste der Besatzung sind auf dem britischen Soldatenfriedhof in Klagenfurt beigesetzt. Dazu W.R. Chorley, Royal Air Force Bomber Command Losses of the Second World War. Volume One. Aircraft and Crews lost 1939 - 1940. Earl Shilton 1992, S.100; bzw. G.L. Larry Donnelly, The Whitley Boys. 4 Group Bomber Operations 1939 - 1940. New Malden 1991, S.180 und Flugzeug 3/87 und 5/87, S.6. Bereits in der ersten Phase des Balkanfeldzuges der deutschen Wehrmacht im April 1941 griffen in den ersten Tagen der Kampfhandlungen einzelne Bomber der jugoslawischen Luftwaffe (vom britischen Typ Bristol "Blenheim" - daher wurden diese Flugzeuge von der deutschen Luftabwehr fallweise als RAF-Bomber angesprochen) Ziele in Südostösterreich an. Dabei wurde das Stadtgebiet von Graz um den Hauptbahnhof getroffen. Ein weiterer jugoslawischer Bomber drang am 7. April sogar in den Raum Wiener Neustadt vor, stürzte aber im Gebiet nördlich des Hochwechsels bei Pinggau ab. Dazu Christopher Shores and Brian Cull with Nicola Malizia, Air War for Yugoslavia, Greece and Crete 1940 - 41. London 1987. S.202.
(FN2) Zum Überblick dient v.a. John D.R. Rawlings, The History of the Royal Air Force, London 1984. Zur genauen chronologischen Darstellung des Luftkrieges in Nordafrika und im Mittleren Osten sind v.a. Hans Ring/Christopher Shores, Luftkampf zwischen Sand und Sonne, Stuttgart 1974; Christopher Shores /Hans Ring/William N.Hess, Tunesien 1942/43. Luftkämpfe über Fels und Wüste, Stuttgart 1981 sowie Christopher Shores, Dust Clouds in the Middle East. The Air War in East Africa, Iraq, Syria, Iran and Madagascar 1940 - 42. London 1996, zu nennen.
(FN3) Dazu Richard G. Davis, Carl A. Spaatz and the Air War in Europe. Washington - London 1992, S.260-265; sowie Sebastian Cox (ed.), The Official Report of the British Bombing Survey Unit. London - Portland 1998; Kenn C. Rust, Ninth Air Force Story. Terre Haute IN, 1995; Kenn C. Rust, Fifteenth Air Force, Terre Haute IN, 1995; Zum Angriff auf Wiener Neustadt speziell Manfried Rauchensteiner, Der Luftangriff auf Wiener Neustadt am 13. August 1943 (= Militärhistorische Schriftenreihe Heft 49). Wien 1983 und Wernfried Haberfellner und Walter Schroeder, Wiener Neustädter Flugzeugwerke Gesellschaft m.b.H. Entstehung, Aufbau und Niedergang eines Flugzeugwerkes. Graz 1993.
(FN4) Dazu auch Glenn Infield, Big Week. The Classical Story of the crucial Air Battle of WW II. Washington - New York - London 1993. Allein die US-Bomberverbände flogen in dieser Woche über 3.500 Einsätze. Insgesamt betrugen die Verluste durch diese Angriffe in den bombardierten Werken an teilfertigen Jägern und der Produktionsausfall rund 1.000 Flugzeuge, dazu verloren die deutschen Jagdfliegerverbände in Luftkämpfen über 200 Jagdflugzeuge.
(FN5) Zit. nach Olaf Groehler, Bombenkrieg gegen Deutschland, Berlin 1990, S.381.
(FN6) In einer rezenten Darstellung werden die Gesamtverluste der 205 Group zwischen 1. Februar 1944 und 7. Mai 1945 mit 215 vermissten Bombern ("failed to return") und 35 Bruchlandungen bei 228 Missions und 18.139 Sorties angegeben, nach: Maurice C. Lihou, It’s dicey flying Wimpys. Around Italian Skies, New Malden 1992; sowie David Gunby, Sweeping the Skies. A History of No.40 Squadron, RFC and RAF, 1916 - 1956. Edinburgh-Cambridge- Durham - 1995; Kevin Mears, Wise without eyes. 37 Squadron Royal Air Force 1939 - 1945. Walsall 2005. Zum Einsatz der 205 Group gegen Erdölziele in Rumänien im Frühjahr und Hochsommer 1944 vgl. Patrick Macdonald, Through Darkness to Light. Upton upon Severn 1994. Zum Luftkrieg über den österreichischen Bundesländern Kärnten und der Steiermark ausführlich Siegfried Beer und Stefan Karner, Der Krieg aus der Luft. Kärnten und Steiermark 1941 - 1945. Graz 1992.
(FN7) Vgl. dazu Robin Brown, Shark Squadron. The History of 112 Squadron 1917 - 1975. Falmouth 1996. S. 186 - 187 und S.266 sowie Brian Cull, 249 at War. The authorised History of the RAF’s top -scoring Squadron of WW II. London 1997, S.200.
(FN8 Bei Kriegsende waren 88 Squadrons des britischen Commonwealth (davon 67 Squadrons der RAF, 17 der SAAF und vier der RAAF mit fast 1.700 Flugzeugen) im westlichen Mittelmeerraum stationiert. Die Stärke der Desert Air Force, zu diesem Zeitpunkt mit der Masse ihrer Verbände in Norditalien in der Emilia Romagna bzw. schon auf einzelnen Basen im Raum Udine stationiert, betrug Ende April 1945 21.752 Mann mit 16 Fighter Squadrons der RAF, sieben Fighter Squadrons der SAAF, einer SAAF Fighter Reconnaissance Squadron und sechs Light Bomber Squadrons.
(FN9) Zu dieser Phase des Luftkrieges in Norditalien v.a. Nick Beale - Ferdinando D’Amico - Gabriele Valentini, Air War Italy 1944 - 45. The Axis Air Forces from the Liberation of Rome to the Surrender, Shrewsbury 1996; Andrew Brookes, Air War over Italy. Shepperton (Surrey) 2000; sowie Christopher Shores, Pictorial History of the Mediterranean Air War. Volume II: RAF 1943 - 45. London 1973; Christopher Shores, USAAF Fighter Units MTO 1942-45, London 1978. Zum Einsatz der Jagdfliegerkontingente der Luftwaffen der mit dem Deutschen Reich verbündeten Staaten vgl. György Punka, Hungarian Aces of World War 2, Oxford 2002; Dragan Saviv & Boris Ciglic, Croatian Aces of World War 2, Oxford 2002; Jiri Rajlich, Stephan Boshiankov and Petko Mandjukov, Slovakian and Bulgarian Aces of World War 2, Oxford 2004; Dénes Bernád, Rumanian Aces of World War 2, Oxford 2003.
(FN10) Es handelte sich um die I. Gruppe des Jagdgeschwaders (JG) 27 (Sollstand 40 Jagdflugzeuge), der dann die III. und auch die IV. Gruppe des JG 27 folgten. Ebenso wurde die II. Gruppe des JG 301 am 20. März 1944 in den Raum Wien verlegt und ab 29. April 1944 durch die I. Gruppe des Jagdgeschwaders 302
(bis 26. August 1944) abgelöst. Nach der Verlegung der genannten drei Jagdgruppen des JG 27 nach Frankreich zur Abwehr der alliierten Invasion ab 7. Juni 1944 verlegte die II. Gruppe des JG 27 von Süddeutschland nach Fels am Wagram und blieb dort bis 27. August. Dazu Jochen Prien, Peter Rodeike, Gerhard Stemmer, Messerschmitt Bf 109 im Einsatz bei der II./Jagdgeschwader 27. 1940 - 1945. Hamburg 1997; Willi Reschke, Jagdgeschwader 301/302 "Wilde Sau". Stuttgart 1998; Anton Haberfellner, Der Einsatzflughafen Fels/Wgr. Im Tullnerfeld und die Abwehreinsätze der I u. II/JG 27 in den Luftschlachten über Österreich vom August 1943 bis August 1944. Dürnrohr 1996.
(FN11) So z.B. beim Angriff der 15. US Air Force auf Wiener Neustadt am 29. Mai 1944 und auf Linz am 25.Juli 1944.
(FN12) Drei Fighter Groups (1.,14. und 82.) blieben bis Kriegsende mit dem zweimotorigen Jäger P-38 "Lightning" ausgerüstet.
(FN13) Erst ab Ende März 1945 verlegten wieder deutsche Jagdgruppen der Jagdgeschwader JG 51, JG 52 und JG 53, die an der Ostfront, die mittlerweile in Zentraleuropa verlief, eingesetzt waren, in den ostösterreichischen Raum. Sie wurden nun sowohl von sowjetischen wie auch von westalliierten Jagdfliegerverbänden bekämpft und erlitten abermals hohe Verluste.
(FN14) Die Gesamteinsatzverluste der 15. Air Force über Zentraleuropa aus allen Ursachen zwischen 1. November 1943 und 8. Mai 1945 betrugen 3.410 Kampfflugzeuge (davon 1.751 B-24, 624 B-17, 514 P-38, 410 P-51 und 106 Flugzeuge anderer Typen). Nach: Statistical Digest of the Fifteenth Air Force. 1947.
(FN15) Dazu Gustav Holzmann, Der Einsatz der Flak-Batterien im Wiener Raum 1940-1945 (= Militärhistorische Schriftenreihe Heft 14, Hrsg. vom Heeresgeschichtlichen Museum/Militärwissenschaftliches Institut), Wien 1970.

Dr. Wolfgang Etschmann
Geb. 1953; Hofrat; Studium der Zeitgeschichte und Germanistik an der Universität Wien, 1979 Promotion zum Dr. phil.; 1980 Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien; 1981-1982 Offizier auf Zeit (Kompaniekommandant 1. Jägerkompanie[UN]/Landwehrstammregiment 21); 1982-1993 Referent im militärwissenschaftlichen Institut/Heeresgeschichtliches Museum (HGM); seit 1994 Leiter der
militärgeschichtlichen Forschungsabteilung/HGM.
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« Antwort #5 am: Fr, 09. März 2007, 16:21 »
Gefechtsturm Augarten (runder Turm)
Leitturm Augarten

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« Antwort #6 am: Fr, 09. März 2007, 16:24 »
Gefechtsturm Arenbergpark (runder Turm)
Leitturm Arenbergpark
Gefechtsturm Stiftskaserne
Leiturm Esterhazypark wird heut als " Haus des Meeres" genutzt
http://www.haus-des-meeres.at/


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« Antwort #7 am: Fr, 09. März 2007, 16:33 »
Die Wiener Flaktürme

Unübersehbar stehen die sechs Flaktürme im Wiener Stadtbild und dennoch wurden sie seit Kriegsende übersehen: Weder sind sie Denkmale für einen bestimmten Anlass noch Gebäude mit einer bestimmten Funktion.

In welchem historischen Kontext stehen diese einzigen erhaltenen Bauten ihrer Art, welche Erinnerungsaufgaben sind mit ihnen verbunden und welcher Umgang mit ihnen wäre heute wünschenswert?
Baugeschichte
Bereits 1940 - also nach dem ersten Kriegsjahr - begann das NS-Regime mit dem Bau von Flaktürmen in Berlin und Hamburg, zwei Jahre später auch in Wien. Insgesamt 16 Flaktürme wurden bis 1945 errichtet. Sie dienten zur Fliegerabwehr, aber auch als Schutzraum für die Zivilbevölkerung.

Mit der Planung beauftragt wurde der deutsche Architekt Friedrich Tamms. Die Ausführung übertrug man Berliner Großbaufirmen, die der Organisation Todt unterstanden. Sie war 1938 insbesondere für den Bau militärischer Anlagen eingerichtet worden und maßgeblich am Bau des Westwalls, der Reichsautobahn und an Bauarbeiten in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten beteiligt. Fritz Todt, Namensgeber und Leiter der Organisation, war somit der einflussreichste Bauunternehmer des Dritten Reichs, der Genehmigungsbehörden für Bau und Rüstung vereinte und dadurch Entscheidungswege erheblich verkürzen konnte. Der Bau der Flaktürme erhielt die höchste Dringlichkeitsstufe, was die Lieferung von kontingentiertem Material wie Stahl und Beton und die Zuteilung von Arbeitskräften erleichterte.

Der Anteil deutscher bzw. österreichischer Arbeitskräfte am Flakturmbau sank auf Grund der Einberufungen der jüngsten Jahrgänge zur Wehrmacht stetig und wurde durch Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Häftlinge aus den Konzentrationslagern ersetzt. Die Besatzungen der Flakbatterien wurden an die Front geschickt und durch Jugendliche ersetzt, selbst 15-Jährige kamen als so genannte Luftwaffenhelfer auf den Flaktürmen zum Einsatz.

Die Organisation des Wiener Flakturmbaus wurde auch durch Transportprobleme immer mehr erschwert. Lastkraftwägen schieden wegen Treibstoffknappheit aus, und so musste das Baumaterial per Schiff, Bahn und Straßenbahn angeliefert werden. Eigens eingerichtete Feldbahnen brachten Material zu und Aushubmaterial von den Flakturmbaustellen zu den nächstgelegenen Bahnhöfen bzw. zum Donaukanal. Sand und Schotter, die man als Zuschlagstoffe für den Beton benötigte, wurden u.a. auf Schiffen über den Donaukanal transportiert. Zwei den Flakturmbaustellen zugeordnete "Arbeiterlager" befanden sich bei der Nußdorfer Schleuse zwischen Donaukanal und Donau, weitere Arbeiter-Unterkünfte im 4. Bezirk und wahrscheinlich auf den Flakturmbaustellen selbst oder in ihrer unmittelbaren Umgebung.

Lage- und Baustelleneinrichtungspläne, Artikel in NS-Fachzeitschriften über "Großbaustellen im Stadtkern"(Fußnote 1/FN1) sowie die fotografische Dokumentation durch die Baufirma Gottlieb Tesch(FN2) geben heute Aufschluss über Einrichtung und Abwicklung der Flakturmbaustellen. Jeder Turm wurde in etwa einem halben bis dreiviertel Jahr rohbaufertig errichtet.

Die Präsenz der sechs Flaktürme im Zentrum Wiens ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Bedrohung der Zivilbevölkerung im "totalen Krieg" bewusst in Kauf genommen wurde.

Der Luftkrieg wurde als "Zukunftskrieg" schon lange vor Beginn der europäischen und schließlich globalen Auseinandersetzung vom nationalsozialistischen Regime kalkuliert und der Bau von Luftschutzbunkern und Fliegerabwehrtürmen dabei als vermeintliche Fürsorglichkeit propagandistisch inszeniert.

Der Mythos von den Flaktürmen als "Stadtmauer des 20. Jahrhunderts", also von ihrer Errichtung in einem städtebaulichen Dreieck mit dem Stephansdom als Mittelpunkt, hält bei näherer Betrachtung der Erbauungsumstände nicht stand. Für die Standortwahl waren andere Überlegungen ausschlaggebend: Die Bauplätze mussten in den dicht bebauten Stadtzentren ausreichend groß und in der Nähe von Bahnhöfen gelegen sein, um die Zulieferung des Baumaterials zu gewährleisten. Ursprünglich war eine Errichtung der Flaktürme in größerem Abstand voneinander angedacht, sie hätten in Floridsdorf, auf der Schmelz und im Prater errichtet werden sollen. Man rückte sie schließlich näher zur Innenstadt.

Die drei Flakturmpaare sind überdies in einem größeren räumlichen Zusammenhang zu betrachten, waren sie doch Teil der 24. Flakdivision im Großraum Wien, deren Flakstellungen seit 1940 stetig ausgebaut wurden und die 1944/45 circa 60 schwere Batterien zählte. Ihr militärischer Nutzen bestand im Verband dieses dichten Netzes an Flakstellungen im Feld, allein ihre architektonische Aussagekraft war eine gänzlich andere.
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Der Luftkrieg um Österreich und die Flaktürme Wiens
« Antwort #8 am: Fr, 09. März 2007, 16:35 »
Die Architektur der Flaktürme

Mit dem Bau der Wiener Flaktürme wurde um die Jahreswende 1942/43 - also im "Stalingrad-Winter" - begonnen. Die deutsche Fliegerabwehr war den Angriffen der Alliierten nicht gewachsen. Unterstützende Jagdflieger standen ihr seit Herbst 1944 schon nicht mehr zur Verfügung. Im Einsatzzeitraum von August 1943 bis März 1945 konnte die 24. Flakdivision etwa 135 Bomber abschießen,(FN3) das entspricht einem verschwindend kleinen Anteil der tatsächlich geflogenen Einsätze.

Die nationalsozialistische Propaganda benannte die Flaktürme als "Luftwehrtürme" und ordnete den neuen Bautypus damit in die als erhaltenswert geltende Wehrbautradition historischer Festungsanlagen ein. Immerhin stellten die Flaktürme hinsichtlich ihrer Funktion und Form ein Novum dar. Sie waren im Grunde genommen in die Höhe gehobene Flakstellungen, die in den unteren Geschoßen Platz für Luftschutzräume boten. Sie vereinten also militärische und zivile Aufgaben in einem Gebäude.

Ihre Form erfuhr vom ersten, 1940 in Berlin, bis zum letzten, 1944 in Wien errichteten Flakturm eine Weiterentwicklung, da man die Erfahrungen, die man beim Einsatz der bereits arbeitenden Flaktürme gemacht hatte, sogleich architektonisch umsetzte. Auch in ökonomischer Hinsicht suchte man nach Verbesserungen.

Daraus folgt, dass sich die insgesamt 16 Flaktürme in drei Bautypen einteilen lassen, wobei das erst im Jänner 1945 fertig gestellte Flakturmpaar im Wiener Augarten das am weitesten entwickelte und perfektionierte war.

Der Aufbau des ersten Gefechtsturmtyps entsprach noch sehr genau der Flakbatterie im Feld. Vier rund um die Messgeräte aufgestellte Geschütze wurden sozusagen über die Dachfirste auf eine obere Plattform gehoben, was Ausmaße von 75x75 Meter Seitenlänge erforderte. Die Gefechtstürme waren mit je vier, meist 12,8 cm-Zwillings-Flakgeschützen bestückt, die mit ihren sich überdeckenden Feuerbereichen den Luftraum bestmöglich kontrollieren konnten. Wegen der starken Rauchentwicklung durch die Geschütze musste man die Messgeräte auf einem eigenen Turm unterbringen. Daher die technisch bedingte Trennung von Gefechts- und Leitturm.

Auf der oberen Plattform der Leittürme befand sich der "Würzburg-Riese", der Daten über angreifende Flugzeuge maß und an die Gefechtstürme übermittelte.

Die ersten in Berlin und Hamburg errichteten Flaktürme zählten zum Bautyp 1, dessen Baumasse beim zweiten Flakturmpaar - ebenfalls in Hamburg - und bei den in Wien errichteten Türmen im Arenbergpark als Bautypen 2 und 3 optimiert wurde. Die Entwicklung zu einer kompakteren Form war einerseits ökonomisch motiviert: das Volumen sollte verringert werden, um so Material und Kosten zu sparen. Andererseits ergab sich auch eine funktionale Verbesserung im Ablauf der Luftabwehr: Vier Eingänge pro Turm für Flaksoldaten und Zivilbevölkerung genügten dem Andrang bei einem Luftangriff nicht. Die obere Plattform und die zu ihr führenden Aufgänge waren außerdem völlig offen und boten zu wenig Schutz. Auch die Versorgung mit Munition und die Entsorgung der leeren Kartuschen erfolgte nicht rasch genug.

Neben einer reduzierten Grundfläche der Gefechtstürme auf 47x47 Meter ist die nun fensterlose kubische Form mit den zu Tonnen vereinfachten und näher zusammengerückten Geschützständen am Dach das auffälligste Unterscheidungsmerkmal zur ersten Bauart. Ein um den Turm laufender Gang, in den die elf getrennten Eingänge für Wehrmacht und Zivilbevölkerung münden, vergrößert die Abmessungen des Erdgeschoßes um zehn Meter. Auf die unter erheblichem Schalungsaufwand im Beton ausgesparten Öffnungen der Flaktürme erster Bauart, es waren 44 je Geschoß, wurde nun verzichtet. Diese Öffnungen des Bautyps 1 verschloss man mit Panzertüren und mauerte sie später wegen Stahlmangels zu. Das hätte gegenüber den Wiener Flaktürmen eine Nachnutzung der deutschen Türme erleichtert, da man die Ziegel einfach ausbrechen und die Räume so mit Tageslicht versorgen hätte können. Tatsächlich wird heute nur der Gefechtsturm am Heiligengeistfeld in Hamburg genutzt, er dient als Medienzentrum. Die Nordseite des Gefechtsturms am Humboldthain in Berlin ragt aus dem begrünten Trümmerberg und ist als Flakturmruine zu besichtigen.(FN4) Der Gefechtsturm in Hamburg-Wilhelmsburg (Bauart 2) steht ungenutzt im Grünen. Alle übrigen Flaktürme in Berlin und Hamburg wurden in der Nachkriegszeit vollständig abgetragen.

Die durch die Verkleinerung verloren gegangene Nutzfläche des Bautyps 2 wurde durch drei weitere Geschoße bei gleicher Bauhöhe ausgeglichen. Anstelle der auskragenden Bastionen für die leichte Flak sind auf der unteren Plattform zwölf runde Betonsockel montiert.

Die unteren Plattformen der Wiener Flaktürme wurden nie mit Geschützen bestückt, da die in Berlin noch beobachteten Tiefflieger nicht mehr auftraten. Die Alliierten flogen ab Herbst 1943 ihre Ziele in Österreich nun von Flugbasen im süditalienischen Raum an, in Verbänden von durchschnittlich 500 Bombern und in einer Höhe von etwa 6.500 Metern. Dennoch wurden bis zuletzt diese Plattformen errichtet, möglicherweise aus rein gestalterischer Absicht oder um eine vollfunktionsfähige Abwehr zu demonstrieren.

Geschützte Aufgänge im Inneren der Tonnen führten zu den weit gehend überdeckten Geschützen, die nun über Platz sparende Kettenaufzüge mit Munition versorgt wurden. Die Entsorgung der leeren Kartuschen erfolgte durch ein Rohr von der oberen Plattform ins Erdgeschoß.

Für die Zivilbevölkerung und das Flakpersonal gab es getrennte Eingänge, Stiegenhäuser und Aufzüge, sodass sich ihre Bewegungsströme, die bei einem Luftangriff rasch und reibungslos funktionieren mussten, im Turm nicht gegenseitig behinderten.

Die Schriftzüge "Mutter und Kind" oder "Nur Soldaten der Wehrmacht in Uniform" an den Außenwänden der beiden Türme im Arenbergpark sind heute zwar verblasst und efeuumrankt, aber nach wie vor lesbar.

Hatten die Gefechtsturmtypen 1 und 2 noch eine kubische Form, so führte die Entwicklung des Bautyps 3 zu einer beinahe runden Variante. Diese wurde durch eine enger zusammengeführte Geschützaufstellung und Stahlkappen, die die Geschütze voneinander abschirmten, möglich.

Dieser Form entsprachen die Gefechtstürme in der Stiftkaserne und im Augarten. Da das Herstellen von runden Schalungen zu aufwändig gewesen wäre, sind diese Gefechtstürme im Grundriss 16-eckig und in den oberen Geschoßen 32-eckig ausgeführt. Mit einem Durchmesser von 43 Metern haben sie die kleinste Grundfläche unter den Gefechtstürmen. Im Erdgeschoß gab es nur mehr vier Eingänge - zwei für die Zivilbevölkerung, zwei für die Truppe - mit schützenden Vorbauten, die zu den im Kern befindlichen Hauptstiegenhäusern führten. Die Munitionsdepots waren im Dachaufbau näher an den Geschützen untergebracht, was den Schutzraum im Erdgeschoß vergrößerte.

Die Leittürme der dritten Bauart im Esterhazypark und im Augarten sind schlanker als ihre Vorgänger; von der unteren Plattform ragen vier dreiviertelrunde Eckstände für die leichte Flak weit hinaus.

An den ebenfalls fensterlosen Außenseiten der Flaktürme im Augarten sind Betonbalken-Konstruktionen angebracht, die wahrscheinlich zur schnellen Aufstellung von Gerüsten für die Reparatur von Bombenschäden an der unteren Plattform dienten. Diese war nun wieder mit runden "Schwalbennestern" ausgestattet.

Die Öffnungen an den Schmalseiten der Leittürme des Bautyps 3 waren keine Fenster-, sondern Einbringöffnungen für den Innenausbau, die nach Fertigstellung zum Teil verschlossen wurden.

Die überwiegend aus technischen Anforderungen der Fliegerabwehr und des Luftschutzes entwickelte Zweckarchitektur der Flaktürme erfüllte nur einen geringen militärischen Nutzen, ihre symbolische Bedeutung als Schutz- und Wehrbauten war für ihre Realisierung mindestens ebenso wichtig.
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Der Luftkrieg um Österreich und die Flaktürme Wiens
« Antwort #9 am: Fr, 09. März 2007, 16:36 »
Nachnutzung der Flaktürme

Die karge funktionsorientierte Stahlbetonarchitektur der Flaktürme erscheint heute in fast sympathischem Gegensatz zur Prunk- und Parteiarchitektur etwa eines Albert Speer. Wie ist die Architektur der Flaktürme in das Repertoire von NS-Bauten einzuordnen? Für gewöhnlich greift NS-Architektur bei repräsentativen Staatsbauten auf neoklassizistische Fassadenelemente zurück und steigert sie ins Monumentale.

Friedrich Tamms erklärte 1965, er habe die Sichtbetonarchitektur der Flaktürme damals als endgültig angesehen. Von Tamms in der NS-Zeit verfasste Schriften wie etwa "Das Große in der Baukunst" von 1942 sprechen eine andere Sprache. Sehr wohl war an eine Umgestaltung gedacht.

Zahlreiche Artikel der vom Nationalsozialistischen Bund Deutscher Technik (NSBDT) herausgegebenen Zeitschrift "Der Deutsche Baumeister" beschäftigen sich mit der Umgestaltung von Hochbunkern und deren Einbindung in das historische Stadtbild. Leiter des NSBDT war kein anderer als Fritz Todt. In einem Artikel vom Dezember 1940 wird ein oberirdischer Luftschutzbunker aus Stahlbeton explizit als "Rohbau" bezeichnet und die Ausbildung seiner Fassade nach Vorbild eines mittelalterlichen Wehrturms vorgeschlagen.(FN5)

Tatsächlich hatte man für die Berliner und Hamburger Flaktürme Skizzen und Pläne zur nachträglichen Umgestaltung angefertigt, die eine Verkleidung der Stahlbetonbauten mit Natursteinen und die Einbindung von Gefechts- und Leitturm in einen "Aufmarschplatz" vorsahen.

Die immer stärker einsetzenden Luftangriffe ließen bei der Erbauung der Wiener Flaktürme wohl keinen Platz mehr für solch ausgefeilte Überlegungen; man realisierte möglichst rasch die technisch verbesserten und vereinfachten Varianten, die in erster Linie militärischen und weniger formalen Anforderungen entsprachen. Das bestätigen Entwürfe von Tamms für den Gefechtsturm im Arenbergpark vom August 1942, die zwölf runde Bastionen an der unteren Plattform und acht Fensterachsen pro Seite zeigen. Auf beides wurde bei der Ausführung verzichtet.

Für den Gefechtsturm in der Stiftkaserne wurde - wohl auf Grund seiner prominenten Lage nahe dem Zentrum von Wien - eine Umgestaltung für Nachkriegszeiten angedacht. Im Nachlass von Friedrich Tamms(FN6) befinden sich Fotos der Modelle, anhand derer die Eingliederung in den Komplex der Stiftkaserne und eine Fernwirkung und Sichtbeziehung zur Achse zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum bis zur Hofburg studiert wurde. Den markanten Schluss dieser Achse bildet der umgestaltete Gefechtsturm.

Die bis zur auskragenden unteren Plattform annähernd runde Grundform des Flakturms wäre gemäß dieser Umgestaltung zu einer achteckigen Form reduziert, darüber ganz abgerundet worden, die "Schwalbennester" fänden sich in Halbsäulen wieder. Die vier Vorbauten, in denen sich die Zugänge für Wehrmacht und Zivilbevölkerung befanden, wären durch die Umbauung nicht mehr sichtbar. Vier flache Kuppeln am Dach des Gebäudes entsprechen den vier mit Panzerkuppeln überdeckten Geschützständen auf der oberen Plattform. Die geplante Funktion dieses neu gestalteten Gefechtsturms ist nicht mehr feststellbar.

Im Vergleich zu den diesbezüglichen Entwürfen für die Berliner und Hamburger Flaktürme ist dieser wesentlich weniger detailliert; Tamms beschäftigte sich hier ausschließlich mit dem Volumen und seiner Wirkung im städtischen Komplex, bringt aber noch keine Vorschläge zu Material oder Fassadengestaltung.

Dieser Entwurf von Friedrich Tamms aus der bereits aussichtslosen, einer Realisierung des Projektes widersprechenden Endphase des Zweiten Weltkriegs zeigt seine Arbeitsweise als Architekt des Nationalsozialismus, der im Sinne eines "Niemals-Aufgeben" auch hier noch die architektonischen Vorbilder der deutschen Kunstgeschichte anwendet.

20 Jahre nach Kriegsende bezeichnet Tamms die Wiener Flaktürme als "Schieß-Dome" und lobt ausdrücklich ihren im Gegensatz zu den deutschen Flaktürmen unangetasteten Zustand.(FN7)

Die scheinbar alle Zeiten überdauernde Stahlbetonarchitektur der sechs Wiener Flaktürme wäre sicherlich im Sinne der NS-Ideologie umgestaltet worden, wäre dafür Zeit geblieben; unklar bleiben lediglich konkrete Form und Verwendung.

Auch die ersten Entwürfe der Nachkriegszeit, die sich mit einer Nachnutzung der Flaktürme beschäftigten, versuchten die ursprüngliche Gestalt der Türme zu ummanteln und ihren einstigen Verwendungszweck durch neue Nutzung als Lager, Garagen oder Wohnbauten unkenntlich zu machen. Erst in den 60er-Jahren mit dem Aufkommen der "architecture brute" finden die einfachen geometrischen Volumen in Sichtbeton Gefallen. Die bautechnischen Besonderheiten und ästhetischen Qualitäten der Wiener Flaktürme sind zumindest in Architektenkreisen gern zitierte Argumente für ihre Unantastbarkeit. Dennoch thematisieren die bisherigen Flakturm-Projekte triviale Nutzungen ohne jeglichen historischen Bezug.

So wurden bisher jene Projekte umgesetzt, die ohne architektonischen Anspruch etwas im Inneren der Flaktürme bunkern: Das

"Haus des Meeres" stellt Fische im Leitturm im Esterhazypark aus, das Museum für angewandte Kunst (MAK) Kunst im Gefechtsturm im Arenbergpark, und der Gefechtsturm in der Stiftkaserne wird vom Bundesheer genutzt.

Der 1991 im Zuge der Wiener Festwochen am Leitturm im Esterhazypark angebrachte Schriftzug von Lawrence Weiner "Smashed to pieces (in the still of the night) / Zerschmettert in Stücke (im Frieden der Nacht)" bildet hier die einzige Ausnahme. Er wurde dieses Jahr durch die Stadt Wien renoviert und ist eine weithin sichtbare Friedensbotschaft. Abgesehen davon hat sich auch im "Gedankenjahr" 2005 niemand zu einer Positionierung der Flaktürme als Mahnmale durchgerungen. Im Gegenteil: Der Denkmalschutz für den Gefechtsturm im Augarten wurde vom Bildungsministerium im Oktober 2005 aufgehoben - auf Ansuchen des künftigen Betreibers, eines Datencenters. Als Bauten im Eigentum des Landes bzw. Bundes stehen die Flaktürme unter Denkmalschutz "kraft gesetzlicher Vermutung". Eine Baubewilligung für die mehrgeschoßige Aufstockung von Büroflächen auf den Gefechtsturm im Augarten wurde noch nicht erteilt.

Was macht diese Architektur mit "Ewigkeitsanspruch" erhaltenswert, und welche Argumente könnten nach 60 Jahren ihre Beseitigung rechtfertigen?

Hat man 1945 noch eine Sprengung der Flaktürme durch die Alliierten für möglich gehalten,(FN8 glaubt später niemand mehr an diese Option. Im Gegensatz zu den deutschen Türmen befinden sich die Wiener Türme in zu dicht bebauter Umgebung. Tatsächlich könnte man die Stahlbetontürme mittels modernster Methoden und eines enormen Kostenaufwandes beseitigen.

Keiner der sechs Wiener Flaktürme trägt eine seine Entstehung erläuternde Tafel. Großteils baulich unverändert sind die Stahlbetontürme selbstverständlicher Bestandteil des Wiener Stadtbildes geworden. Ihre Sprachlosigkeit wird inmitten der sonst reichen Gedächtnislandschaft Wiens nicht als Verlust empfunden. Der Umgang mit ihnen ist vorwiegend indifferent, wohl deshalb, weil es nicht leicht ist zu entscheiden, welchen Teil der NS-Vergangenheit sie repräsentieren und woran sie erinnern: an die Bombenangriffe, die dadurch entstandenen Leiden und Zerstörungen, die Befreiung vom NS-Regime durch die Alliierten oder an die Vernichtung und Entwürdigung von Menschen durch den Nationalsozialismus, die Opfer des Dritten Reichs insgesamt. Diese Erinnerungsaufgaben leisten vorwiegend Ersatzdenkmale.

Dagegen stellen die sechs Wiener Flaktürme authentische Erinnerungsträger dar. Durch ihre prägnante Architektur und Lage haben sie weit reichende Signalwirkung. Das allein genügt allerdings nicht, um sie auch als Bestandteil der offiziellen Gedenkkultur wahrzunehmen.
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