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Frauen im Geheimdienst

Begonnen von md11, Sa, 01. März 2008, 19:22

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md11

Am 16. September 1940 stieg Mathilde Carree, 33, aus einem dreckigen, übelriechenden, überfüllten Personenzug. Sie sah sich nicht lange um auf dem Bahnsteig in Toulouse, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn Aufmerksamkeit erregte sie ohnehin zur Genüge: Sie hatte langes, schwarzes Haar, war mandeläugig, brünett, leicht mollert, was aber durch eine makellose Figur und sehr schöne, lange Beine wettgemacht wurde.

Im Prinzip gehörte Mathilde nicht zu den Frauen, die sich scheuten, ihre Reize zu zeigen und zu nutzen. Aber heute wollte sie unangefochten ihr Ziel erreichen. Und ihr Ziel in der Stadt Toulouse, im von Deutschen nicht besetzten Teil Frankreichs, war ein englischer Journalist, den sie aus früheren Zeiten kannte. Ihn wollte sie fragen, wie sie einen Weg finden könnte, für die in England sitzende französische Widerstandszentrale zu arbeiten.

Es war dies alles auf frauliche Intuition gegründet- und auf eine Portion Abenteuerlust, die in Mathilde bei Kriegsbeginn wachgeworden war. Mathilde hatte Nachholbedarf.
Als Tochter eines deutschfeindlichen, patriotischen Ingenieurs in Paris geboren, heiratete sie bereits mit 18 Jahren, durch aus standesgemäß, einen Lehrer. Aus , Pflichtgefühl, nicht aus Abenteuerlust ging er mit seiner jungen Frau nach Algerien, in ein verlassenes Wüstennest, um dort französischen Siedlerkindern Schulunterricht zu erteilen. Lehrer Carree war ein farbloser Typ, langweilig, stur, pedantisch. Die Ehe ging nur gut, weil Mathilde auf Wüstenstation keine Möglichkeit hatte, auszubüchsen.

Am ersten Kriegstage waren die Carrees wieder in Paris, denn der Ehemann war einberufen worden. Mathilde meldete sich noch am gleichen Tage zum freiwilligen Kriegseinsatz, um Krankenschwester zu werden. 14 Jahre Wüstenleben - Schluß damit! Nach kurzer Ausbildung kam sie in ein Kriegslazarett. In Beauvais zeigte sie sich als tapfere Frau. Unerschrocken, immer hilfsbereit und, wenn es sein mußte, kaltblütig versah sie ihren Dienst - auch als die Deutschen im Juni 1940 den Ort angriffen.

Katzenhaft  verschwand sie aus dem Lazarett, als die Deutschen Beauvais besetzt hatten, und kehrte ins Elternhaus nach Paris zurück. Dort überfiel sie alsbald Langeweile: An den langen Abenden am Radio zu sitzen und mit den Eltern die verbotene ,,Stimme Londons" zu hören, genügte ihr nicht. Sie reizte wieder das Abenteuer.

Die Radionachrichten fand sie miserabel. Ihre Landsleute ,,drüben" und die Engländer schienen schlecht informiert über den besetzten Teil Frankreichs. Sie wollt, das besser machen. Sie setzte sich in de Kopf, Agentin zu werden. Mathilde packt ihre Koffer. Der englische Journalist in Toulouse war ihr eingefallen. Der Freund lebte noch in Toulouse und war tatsächlich bereit, sie mit einem Widerstandskämpfe in Toulouse zusammenzubringen. Es war nicht irgendeiner: Armand, wie er sich nannte, war in Wirklichkeit der polnisch Hauptmann Roman Czerniawski. Er hatte sich, Gott weiß wie, nach dem für sein Heimat verlorenen Krieg nach Frankreich durchgeschlagen und dort gemeldet, und mit polnischen Freiwilligen weiter gegen die Deutschen zu kämpfen.

Anfang 1940 fand man ihn in Luneville, im Privatquartier bei einer jungen Witwe Renee Borni. Die hübsche, zarte Frau verliebte sich sofort in den gut aussehende polnischen Offizier. Sie teilten fortan nicht nur die schönen Stunden miteinander. Sie gab ihm die Personalpapiere ihre verstorbenen Mannes. So wurde er ,,Armand". Dann gingen sie nach Toulouse wo Armand schon im Juli 1940 einen gegen Deutschland gerichteten Geheimdienst aufzog.

An einem späten Septemberabend 1940 saßen sich Armand und Mathilde zum erstenmal gegenüber. Armand vertraute ihr ,,Wie wollen wir Sie nennen?" fragte Armand. ,,La Chatte," die Katze, antwortet Mathilde.

Das Duo baute zunächst das südfranzösische Agentennetz aus. Die Katze gewann mehrere neue Mitarbeiter. Armand bewunderte die Katze, wie mutig sie, unter  Ausnutzung ihrer Eltern in Paris, Informationen über die deutschen Besatzer sammelte. Schon Ende Oktober genügte ihr diese Arbeit in Toulouse nicht mehr ,,Wir müssen nach Paris. Dort können wir mehr leisten!"

,,Reseau Interallie" nannten sie ihr Netz das sie Mitte November in der besetzten Seinemetropole aufbauten. Die Katze besorgte die Kontakte außerhalb der Zentrale. Armand versah den Innendienst, denn er mußte vorsichtig sein: Er sprach noch immer nicht akzentfrei französisch. Außerdem sollten nur wenige, leitende, Erfahrene Untergrundkämpfer von seiner Anwesenheit erfahren - eine Grundlage erfolgreicher Geheimdienstarbeit.

Armand konzentrierte sich ganz auf die Auswertung der Nachrichten. Und das wurden immer mehr. Denn die Katze war unermüdlich. Furchtlos warb sie unter ihren Freunden immer neue Agenten; bedenkenlos setzte sie ihren Charme ein, und das Leben genießend überzeugte wackere Männer, für sie zu arbeiten rücksichtslos benutzte sie ihre Eltern Sammeladresse. Eines Tages  standen in  Paris zwei Funkgeräte für die Gruppe ,,Reseau Interallie" bereit. Der britische Intelligence-Service hatte sie eingeschmuggelt. Zwei Funker stellte ebenfalls der englische Geheimdienst.

Von nun an war die Gruppe direkt mit dem War-Office in London, Zimmer 55, verbunden. Zweimal täglich liefen die chiffrierten Meldungen über deutsche Truppenstärken, Bewaffnungen, Verlegungen, Übungen, Befestigungen, Flugplätze, U-Boot-Bunker, Schiffsreparaturen und Rüstungsproduktionen.

Längst hatte die Katze auch Armand besiegt. Dennoch - oder gerade deshalb? - ließ der erfahrene Leiter der ,,Reseau Interallie" seine Geliebte Renee Borni aus Toulouse nach Paris kommen und machte sie zu seiner engsten Mitarbeiterin. Reaktion der Katze: Sie stürzte sich nun erst recht in die Arbeit, in die Gefahr, ins Abenteuer.

Im August 1941 landete eine englische Lysander-Maschine auf einer Wiese bei Paris, in der Nachtdirigiertvon blinkenden Taschenlampen, vorher avisiert durch Funkspruch vom War-Office. Armand wurde zur Lagebesprechung nach London abgeholt. Die Katze leitete an seiner Stelle die Zentrale.

Die Abwehr schlägt zu

Im November 1941 flog das über ganz Frankreich verbreitete Agentennetz auf: Ein kleiner Agent aus dem Departement Calvados in Nordfrankreich, der dem gleichnamigen Schnaps allzusehr zusprach, schwätzte in seiner Kneipe zuviel, ein deutscher Gefreiter hörte mit, machte Meldung, und die Fahndung begann. Nach ein paar Tagen hatte die deutsche Abwehr den Chefagenten von Calvados, einen ehemaligen französischen Unteroffizier, Deckname Paul, in Gewahrsam. Paul begann zu singen.

In der Nach zum 17. November1941 fand im Hause Rue Villa Leandre Nr. 8a ein Fest statt. Armand und La Chatte hatten ihre Freunde, zumeist Agenten oder Helfershelfer, eingeladen, das Fest ihrer erfolgreichen einjährigen Tätigkeit zu feiern. Ein Trupp der Abwehr bereitete dem Fest ein jähes Ende.

Doch die Geschichte der Katze und Armands ist nicht zu Ende. Armand wurde vom Chef der Abwehr, Ressort Gegenspionage, Oberstleutnant Reile persönlich übernommen und vorsichtig ,,umgedreht". Unter dem Vorwand des gemeinsamen Kampfes gegen den Kommunismus, mit dem schriftlichen Versprechen, alle seine 66 verhafteten Reseau Interallie-Agenten am Leben zu lassen, erklärte sich Armand bereit, nach einer fingierten Flucht nach England zu gehen und von dort aus für die Deutschen zu arbeiten. Die Flucht wurde arrangiert- und Armand meldete sich nach einiger Zeit tatsächlich auf der verabredeten Frequenz. Die Meldungen waren von zweitrangiger Wichtigkeit, offensichtlich jedoch niemals falsch.

Die Abwehr schloß daraus, daß Armand sich bei den zuständigen Stellen gemeldet hatte und die Deutschen mit Spielmaterial versorgte, um seine gefangenen 66 Kameraden nicht dem Henker auszuliefern. Sie überlebten tatsächlich. So viel Macht hatte die Canaris-Abwehr damals noch, ihre Gefangenen vor der schießwütigen Gestapo und dem SD zu schützen. Armand blieb in England; er wurde nach dem Kriege britischer Bürger und Offizier in der Army.

La Chatte ließ sich schnell ,,umdrehen". Sie verriet zunächst alle ihr noch bekannten, über ganz Frankreich verstreuten Mitarbeiter von ,,Reseau Interallie" - im ganzen fast hundert. Sie erklärte sich bereit, mit dem Abwehrmann Hugo Bleicher persönlich durch Frankreich zu fahren und die Leute einzufangen. Tag und Nacht war sie mit Bleicher unterwegs. Danach nahm die Katze, gemeinsam mit Armands Exfreundin Renee (diesmal aber für deutsche Rechnung) Funkkontakt mit dem War-Office auf. Sie meldete, es sei ihr gelungen zu flüchten, ein Funkgerät zu retten, und nun wolle sie eine neue Gruppe ' aufbauen.

Während Armand noch im Kerker saß und die Abwehr sich mühte, ihn ,;umzudrehen", war La Chatte schon wieder emsig. Hugo Bleicher hieß ihr neuer Chef und der gab ihr reichlich Spielmaterial für das War Office. Die Meldungen waren zwar sorgsam ausgewählt und frisiert, doch größtenteils echt.

Das War-Office dankte den Fleiß der Katze mit dem Angebot, Waffen, Geld, neue Geheimsender und ausgebildete Agenten einzuschleusen. Die ,,Widerstandsgruppe" in St. Germain-en-Laye funkte alsbald einen sicheren, von deutschen Truppen unbesetzten Anlegeplatz für ein britisches Schnellboot in einer kleinen Felsenbucht der bretonischen Küste bei Morlaix-Lannion.


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Die Katze wird lästig

Monsieur Jean, wie sich Hugo Bleicher in seiner Rolle als ,,Widerstandsmann" nannte, klagte in einem seiner Funksprüche über den Mangel an gut ausgebildeten Agenten - worauf die Engländer sich bereit erklärten, bei ihrem Landeunternehmen einen verläßlichen Spion an Bord des Schnellbootes zu nehmen, nach England zu bringen und dort in der ,,hohen Schule" der Agentenkunst auszubilden. Die Wahl fiel auf die Katze selber. Sie war raffiniert, betörte noch immer fast jeden Mann, und war unersättlich auch im Agentengeschäft. Außerdem wurde sie in Paris  allmählich lästig: sie verdrehte deutschen  Abwehrleuten die Köpfe; was sie verraten konnte, hatte sie verraten; und sie begann doppelgleisig zu fahren, also Kontakt zur Resistance aufzunehmen und wieder gegen die Deutschen zu arbeiten.

Die Katze brannte darauf, nach England zu gehen, obwohl sie sich gerade in einen ehemaligen französischen Geheimdienstoffizier, genannt Lucas, verliebt hatte. Der Geliebte wurde im Bett ausgeforscht und den Deutschen verraten. Die aber wollten Lucas nicht verhaften, bevor sie nicht sein ganzes Netz kannten.

Der mit der Überwachung der Schnellboot-Aktion betraute Abwehrhauptmann Eckert staunte nicht wenig, als La Chatte am Morgen des 11. Februar 1942 nicht nur mit Pelzmantel und rotem Hut, sondern auch mit ihrem neuen Geliebten Lucas auf dem Bahnhof Montparnasse erschien und beide den Zug nach Brest bestiegen. Eckert schaltete schnell, setzte sich ins Nebenabteil und verließ mit dem Paar in Morlaix den Zug. Die für die Landung vorgesehene Stelle wurde von allen deutschen Soldaten still und heimlich geräumt.

Die Nacht kam, und kurz vor Mitternacht kam La Chatte mit ihrem Geliebten - und einem dritten Mann! Wo dieser geheimnisvolle Dritte herkam, ist bis heute ungeklärt. Es war, so wird vermutet, ein Leibwächter, den Lucas zu seiner Sicherheit bestellt hatte.
Um 0.30 Uhr entzündete die Katze ihr Feuerzeug-das vereinbarte Lichtzeichen Nr. 1. Wenige Augenblicke später glitt ein schwarzer Schiffskörper lautlos in die
' Bucht. Lichtzeichen Nr. 2: Die Katze  machte einen kräftigen Zug aus ihrer Zigarette. Darauf ruderten zwei kleine Boote dem Ufer entgegen. Das erste Boot legte an, zwei Matrosen und zwei Zivilisten warfen eine Anzahl von Gepäckstücken an den Strand.

In diesem Augenblick drehte die Katze durch: Sie rannte zum Strand, sprang in großen Sätzen durch das seichte Wasser und ließ sich in das Boot fallen, das sofort kenterte. Lucas lief ihr nach und fischte sie aus dem Wasser.

Alles hätte seinen Gang nehmen können. Aber nun drehte der Abwehrhauptmann Eckert durch: Er gab ein verabredetes Zeichen, hinter allen Büschen und Felsen tauchten deutsche Soldaten auf und nahmen La Chatte und Lucas fest. Der unbekannte Dritte entkam. Es flüchteten auch die beiden Zivilisten aus dem Boot - sie wurden am nächsten Morgen gefaßt.

Das zweite Landungsboot wurde kräftig zum Schnellboot zurückgerudert und zwei Minuten später glitt der dunkle Schiffskörper aus der Bucht.

Lucas, dem echten Agenten, mußten spätestens jetzt Bedenken über die Ehrlichkeit des Unternehmens kommen. Die Abwehr versuchte die Spuren zu verwischen, so gut sie konnte, indem die Katze ihrem Lucas beibrachte, sie seien irgendwie verraten worden. (Der glaubte die Legende jedoch nicht, wie sich später herausstellen sollte.)

Das War-Office bedauert

Das Unwahrscheinliche geschah: Das War-Office nahm wieder Funkkontakt auf, bedauerte den Fehlschlag des Unternehmens und bot seine Wiederholung an. Diesmal gaben die Engländer Termin und Landungsort an: 23. Februar, 23.30 Uhr, eine Felsenbucht nahe der ersten Landungsstelle.

Wieder erschien die Katze mit Lucas, wieder kam das Schnellboot auf die Minute genau. Diesmal legte ein großes Ruderboot, besetzt mit 20 schwerbewaffneten Matrosen, am Strande an. 14 Matrosen sprangen an Land, nahmen die Katze und Lucas in ihre Mitte und liefen zum Boot. Abwehrhauptmann Eckert konnte aus seinem Versteck nur beobachten, wie die Katze an Bord gehievt wurde.

Aber beide kamen heil in England an. Während der Widerstandskämpfer Lucas zu neuen Kommandounternehmen ausgebildet wurde, nahm man die Katze drei Tage lang in hochnotpeinliche Verhöre. Der geheimnisvolle ,,Dritte Mann" des ersten, mißglückten Schnellbootunternehmens war über Spanien und Portugal nach England gelangt und hatte die Katze als Doppelagentin enttarnt. Lucas bestätigte den Verdacht. Und auch Armand, der alsbald eintraf, ließ die Katze fallen.

Ein Gericht in Paris verurteilte die Katze nach dem Kriege wegen Landesverrats zum Tode. Das Urteil wurde in. eine Freiheitsstrafe umgewandelt. Nach sechs Jahren, 1955, wurde Mathilde Carree überraschend freigelassen. War sie eine zweite Mata Hari? Während ihres Prozesses ließ ihr Auftreten noch die Faszination ahnen, die sie auf Männer ausgeübt und in den Dienst ihrer Sache gestellt hatte. In ihrer Biographie finden sich auffallende Parallelen zur Mata Hari. Wie sie war Mathilde Carree eine enttäuschte Ehefrau über dreißig, als sie sich dem Geheimdienst verschrieb, und wie Mata Hari hat sie einige Jahre außerhalb ihres Landes in Kolonienverbracht. In einem Punkt gibt es jedoch einen entscheidenden Unterschied: Mata Hari hat sich nach ihrer Verhaftung nicht ,,umdrehen" lassen und hat keinen Verrat begangen.

Sicher gab es an der geheimen Front wenige Frauen, bei denen ein Vergleich mit der legendären Mata Hari angebracht ist. Der Einsatz von Frauen in der genauso dubiosen wie brutalen Welt der Spionage ist sehr umstritten. Allan Dulles soll geäußert haben: ,,Es ist heute wesentlich leichter, in jemandes Zimmer eine Abhöranlage einzubauen, als ihm eine Spionin ins Bett zu legen." Und Frauenverächter MWD-Chef Lawrenti Berija meinte, der Erfolg eines Mannes hänge davon ab, wie weit es ihm gelänge, Frauen aus seinem Leben fernzuhalten. Das hielt ihn aber  nicht davon ab, weibliche Agenten einzusetzen. Für Geheimnisträger, die durch ein gezielt zufälliges Sexabenteuer mit einer Prostituierten vom gegnerischen Geheimdienst erpreßt werden, trifft Berijas Meinung zu. In Ostblockstaaten soll es angeblich Scharen einschlägiger Damen geben, die auf westliche Besucher angesetzt werden. Zur Klasse der Agentinnen , kann man sie wohl kaum zählen.


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pro und contra

Für den Einsatz weiblicher Agenten sprechen folgende Gründe:

Frauen sind für Kurierdienste und Gesellschaftsspionage in Kriegszeiten weniger verdächtig als Männer im wehrpflichtigen Alter.

Die weiblichen Waffen vom harmlosen Flirt bis zum Sexabenteuer mit anschließender Erpressung funktionieren immer wieder.

In kritischen Momenten haben Frauen bessere Chancen zu entkommen. Auch harte Burschen müssen psychologische Schranken überwinden, bevor sie auf eine Frau schießen oder sie verhaften.

Gegen eine Verwendung von Frauen im Geheimdienst spricht:

Frauen verquicken Job mit Gefühl. Aus  enttäuschter Liebe werden sie ,,arbeitsunfähig" oder laufen auf die andere Seite  über.

Sie verdrehen auch Männern des eigenen Dienstes den Kopf, was zu Unbesonnenheit oder mangelnder Wachsamkeit führt. Aus Angst vor Gewalt und vor Strafe sind Frauen schneller zu einem Geständnis bereit oder lassen sich ,,umdrehen".

Die unterschiedliche Beurteilung dieser Problematik bei den verschiedenen Geheimdiensten führt auch zu unterschiedlichen Praktiken. Die deutsche Abwehr unter Admiral Canaris lehnte es ab, Frauen , zur Nachrichtenbeschaffung anzuwerben. Der SD und die Auslandsabteilung des RSHA verlegten sich hauptsächlich auf das ,,Umdrehen" feindlicher Agentinnen. Das RSHA lenkte ein Netz weiblicher Agenten, die vom Auslandsnetz der NSDAP gestellt wurden. Der russische Geheimdienst setzte Agentinnen der kommunistischen Parteien aus aller Welt ein, setzte aber keine Sowjetfrauen für den Auslandsdienst ein.

Die französische Resistance benutzte patriotische Frauen gerne, um Kontakte zu deutschen Soldaten und Offizieren aufzunehmen, und für Kurierdienste.

Die Berliner Gruppe der Roten Kapelle ist geradezu ein  Schulbeispiel für die Verquickung von Sex und Spionage. Harro Boysen, der ,,Motor" der Organisation, unterhielt ein  Verhältnis mit der Agentin Oda Schottmüller, aber ebenso und teils gleichzeitig mit zwei Sekretärinnen des Reichsluftfahrtministeriums, wobei er nicht vergaß, seine Geliebten über interessante Nachrichten auszuforschen. Seine Frau Libertas hatte zahlreiche Affären mit Mitgliedern ihrer Gruppe und verriet als erste alles, was sie wußte, um ihren Kopf zu retten. Vergeblich.

Mildred Harnack, die Frau des geistigen Führers der Organisation, hatte ein Verhältnis mit dem Abwehr-Oberleutnant Gollnow, den sie bei intimen Treffen systematisch ausforschte. Gräfin Erika von Brockdorff war die Skandalnudel der Roten Kapelle und schlief während ihrer anderthalbjährigen Agententätigkeit fast mit jedem Mann, der ihre Wohnung betrat. Eine solche Dame ist für eine Widerstandsgruppe eine permanente Gefahr. Die ,,sexuelle Gier der Landesverräter", wie sie der Ankläger Dr. Röder den Mitgliedern der Roten Kapelle unterstellte, galt aber nur für wenige. Eine ganze Anzahl der weiblichen Mitglieder hatte an den sexuellen Ausschweifungen keinen Anteil. ,,Gesungen" haben aber alle, mit einer Ausnahme: Frau Greta Kuckhoff. In der Brüsseler Zentrale des Moskauer Nachrichtendienstes war es die deutsche Kommunistin Rita Arnould, die nach ihrer Verhaftung fast alles verriet. Sie trieb ,,Kent", den stellvertretenden Leiter der sowjetischen Europaspionage, der übrigens auch das flotte Leben liebte, der Gestapo ins Netz. Letztlich kommt auch Leopold Trepper der ,,Grand Chef" auf ihr Konto, von dem sie ein Bild an die Gestapo gab. Sie wurde trotzdem hingerichtet.


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#3
Mann oder Frau?

In der Nachfolgeorganisation der Roten Kapelle, genannt ,,Rote Drei", mit Sitz in der Schweiz, gab es eine,, Lucy" und eine ,,Dora". Hinter beiden Decknamen verbargen sich zwei Männer, die beiden sowjetischen Spitzenagenten Rudolph Rösler und Alexander Rado. Sie lieferten Nachrichten in geradezu gigantischem Umfang und vermutlich kriegsentscheidender Bedeutung nach Moskau. Ihr Hauptinformant war ein geheimnisvoller ,,Werther", dessen Identität nie geklärt wurde und von dem man annimmt, daß er im Führerhauptquartier gesessen hat.

So wenig ,,Lucy" und ,,Dora" Frauen waren, soll nach neuesten Enthüllungen ,,Werther" ein Mann gewesen sein. Hinter dem Decknamen Werther versteckten sich angeblich zwei Nachrichtenhelferinnen aus der Fernschreibzentrale des OKH. Sie lieferten bis Ende 43 insgesamt über 7000 Fernschreiben im Wortlaut oder im Gedächtnisprotokoll an ihre Auftraggeber. Truppenstärken, Bewaffnung, Rüstung, Planung, Verlustzahlen, Feldpostnummern usw. Wahrlich zwei Super-Mata-Haris. Sie haben nur den Schönheitsfehler: ihre Existenz ist nicht bewiesen. Ein ehemaliger Vorgesetzter dieser beiden, der sich Ruland nennt, hat angeblich ein von beiden unterschriebenes Protokoll über ihre Tätigkeit in der Schweiz hinterlegt, das er erst samt dem Namen der zwei Agentinnen - nach deren Tode veröffentlichen will.

,,Gräfin" und ,,Herzogin"

Die wenigen Agentinnen, mit denen die deutsche Abwehr arbeitete, waren keine Glückstreffer. Mysteriöseste Erscheinung unter ihnen war die ,,Gräfin", Tochter eines zaristischen Marineoffiziers, in Kopenhagen aufgewachsen und nach einer enttäuschenden Liaison mit einem Franzosen in den Slums am Pariser Mont Parnasse gestrandet. Dort wurde sie in den Dreißiger Jahren von dem deutschen Agenten Drücke aufgegabelt, der nicht wußte, daß die Dame bereits für Sowjetagenten gearbeitet hatte. Drücke machte sie zu seiner Geliebten und nahm sie mit nach Brüssel. Dort stellte er sie seinem Kollegen Dierks vor, der ebenfalls ihrem Charme verfiel. Die ,,Gräfin", wirklicher Name Vera de Witte, arbeitete kurze Zeit als Agentin in England, wurde vor dem Krieg aus dem Verkehr gezogen und diente der Abwehr in Hamburg eine Zeitlang als Lockvogel. Im September 1940 sollte sie mit Drücke und Dierks über Norwegen nach England geschleust werden. Die Abschiedsfeier in Hamburg verlief sehr feucht und Dierks verunglückte am Steuer seines Wagens tödlich. Die Gräfin unternahm darauf einen Selbstmordversuch, konnte sich aber bald wieder fangen und startete mit Drücke und dem schweizer Staatsbürger Wälti, der an Dierks Stelle getreten war, erneut zu dem Unternehmen. Alle drei wurden kurz nach ihrer Ankunft in England verhaftet. Drücke und Wälti wurden hingerichtet. Gegen die Gräfin wurde nie Anklage erhoben. Sie stand, wie auch die beiden Agentinnen, ,,Lady May" und ,,Die Herzogin", die an dem Unternehmen beteiligt waren, längst in englischen Diensten.

Bild:Mathilde Carree,die Katze saß 1949 in Paris auf der Anklagebank

Quelle:Aus einer Unbekannte Zeitschrift von 1968

mfg
Josef