Autor Thema: Sewastopol !  (Gelesen 5341 mal)

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Re: Sewastopol
« Antwort #20 am: So, 13. Mai 2007, 17:12 »
Um 16 Uhr traf beim Stab der Heeresgruppe ein Schreiben Generaloberst Jaeneckes ein, das über den Ernst der Lage keinen Zweifel ließ. Es werde „alles versucht werden, den Durchbruch der Russen in den freien Raum zu verhindern", es müsse aber damit gerechnet werden, „daß der Zeitpunkt nahe sein kann, in dem von einer Stunde zur anderen der Rückzug auf Sewastopol befohlen werden muß, um die Vernichtung der ganzen Armee zu verhindern".

Er beantrage da - her, „sich damit einverstanden zu erklären, daß die vorbereitenden Maßnahmen (Vorwarnung „Adler") von ihm getroffen würden, und ihm die Vollmacht zu geben, im letztmöglichen Augenblick den Rückzug auf Sewastopol zu befehlen.

Generaloberst Schörner rief daraufhin um 19.00 Uhr den Chef des Gen.St.d.H. an, schilderte die Lage und bat, den OB der 17. Armee die erbetene Freiheit der Operationsführung zu geben, „Wenn die erbetene Ermächtigung gegeben werde, bedeute das die Räumung der Krim. Trotzdem werde sie erteilt werden müssen." Der OB der 17. Armee und sein Chef des Generalstabes seien „durchaus optimistische und aktivistische Persönlichkeiten, die die Gewähr dafür böten, daß sie keinen vorzeitigen Entschluß faßten. Er habe von beiden vorgestern den besten Eindruck gehabt. Der Angriff sei völlig überraschend gekommen. Es sei der Großangriff gegen die Krim... Deshalb schlage er „in voller Bedeutung der Angelegenheit" vor, „dem Armeeführer, der die Verhältnisse auf das genaueste kenne, die erbetene Freiheit der Operationsführung zu erteilen.

Trotz dieser eindeutigen Befürwortung des Antrages der 17. Armee durch Schörner, der das uneingeschränkte Vertrauen Hitlers besaß und daher im allgemeinen - im Gegensatz zu den meisten Generalen - mit seinen Vorschlägen bei ihm durchdrang, lehnte dieser in einem direkten Ferngespräch mit Schörner um 23.05 Uhr die Handlungsfreiheit für die 17. Armee ab. Zur Überprüfung der Lage wolle er am nächsten Tage Zeitzler nach Galatz schicken.

Die sich überstürzende Entwicklung an der Nordfront der Krim ging jedoch über den Willen Hitlers hinweg. Am folgenden Tage (10. April) gelang den Sowjets der Durchbruch aus der Tomaschewka-Enge in den freien Raum der Krim. Die 10. rum. I.D, flutete in völliger Auflösung nach Süden. Sowjetische Panzer näherten sich der Bahnlinie Dschankoj-Perekop und bedrohten damit den Ishun-Abschnitt in der tiefen Flanke, während ein weiter östlich vorgehender sowjetischer Panzerverband am 11. April mittags in Dschankoj selbst, den wichtigsten Verbindungs- und Nachschubknotenpunkt an der Nordfront, eindrang. Damit war der Studie „Adler" vollends die Grundlage entzogen. Nur ein beschleunigter, risikovoller Rückzug auf Sewastopol konnte die 13. Armee von der Vernichtung bewahren.

Als sich am Vormittag des 10. April diese Gefahr abzeichnete, meldete Jaenecke um 10.00 Uhr der Heeresgruppe, daß  e r aus eigener Verantwortung das Unternehmen „Adler" „mit dem heutigen Tage" anlaufen lasse, daß das V.A.K. in die Parpatsch-Stellung und die 19. rum. I.D. von der Tschongary-Halbinsel zurückgenommen würden, während die Gruppe Konrad (XXXXIX. [Geb.] A.K.) die Nordfront „unter allen Umständen bis zum 12. April abends" halten  müsse.

Denn es kam entscheidend darauf an, diesen Abschnitt wenigstens einigermaßen so lange zu halten, bis das V. A.K. von der Kertschfront aus das 240 km entfernte Festungsgelände von Sewastopol erreicht hatte. Schörner billigte den Entschluß des AOK 17, der die Armee vor der völligen Vernichtung im Großraum der Krim bewahrte.

In der Besprechung zwischen Zeitzler und Schörner von 11.30 bis 13.00 Uhr, zu der ursprünglich auch Oberst i. G. Ritter v. Xylander, der Chef des Generalstabes der 17. Armee, auf Wunsch Zeitzlers hinzugezogen werden sollte, der jedoch die Teilnahme mit der Begründung ablehnte, daß „die augenblickliche Lage der Armee seine Abwesenheit nicht zulasse", bezeichneten sowohl Schörner als auch sein Chef des Generalstabes, Generalmajor Wenck, den Entschluß Jaeneckes für richtig und notwendig. Hitler, den Zeitzler darauf anrief, erklärte sich - nach wie vor in seinem Wunschdenken befangen, zu einem Zeitpunkt, als die Entscheidung auf der Krim tatsächlich längst gefallen war - „nach langer Erörterung" damit einverstanden, daß die Vorbereitungen getroffen werden", betonte aber ausdrücklich, „daß die Nordfront nicht nur bis zum 12. April, sondern überhaupt gehalten werden müsse".

Dieses wiederholte Hitler in einem Ferngespräch an die Heeresgruppe um 15.30 Uhr und in einem späteren Fernschreiben noch einmal. Er gab darin „seinem Erstaunen über die Entwicklung der Lage an der Nordfront Ausdruck und bemängelte, daß die 17. Armee nicht unverzüglich die Verlegung von Teilen der Sturmgeschützbrigade 191 an die Nordfront befohlen habe". Um 21.30 Uhr gab die Heeresgruppe der 17. Armee, dem ASM, der Luftflotte 4 und dem I. Fliegerkorps von der Entscheidung Hitlers Kenntnis, „daß die Nordfront der Krim mit allen zur Verfügung stehenden Kräften zu halten ist, daß die Kertschfront ab 10. April abends beginnend in die Parpatsch-Stellung zurückzunehmen ist und daß Vorbereitungen zu „Adler" anlaufen können. Währenddessen schwankte Hitler, beeindruckt durch die Darlegungen des von seinem Besuch bei der Heeresgruppe zurückgekehrten Chefs des Gen.St.d.H, und durch die Meldung Schörners, daß Marschall Antonescu mit der Räumung der Krim „durchaus einverstanden sei", vorübergehend, ob er die Räumung verbieten oder doch freigeben solle. Um 23.50 Uhr teilte Zeitzler Schörner mit, daß die Entscheidung „bis morgen" vertagt worden sei.

Der dramatische Tagesablauf des 11. April führte indessen zu einem offenen Ausbruch der - latent schon seit Oktober 1943 schwelenden - seit den ersten Meldungen von den Erfolgen der sowjetischen Offensive hervorgetretenen V e r trauenskrise zwischen Hitler und dem OKH einerseits und dem AOK 17, das von der Heeresgruppe weitgehend gedeckt wurde, andererseits. Die Vertrauenskrise erweiterte sich in den folgenden Wochen schließlich zum offenen Bruch zwischen Hitler und Generaloberst Jaenecke.

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Re: Sewastopol
« Antwort #21 am: Do, 17. Mai 2007, 20:21 »
In einem in der Nacht zum 11. April eingehenden Funkspruch meldete die 17. Armee der Heeresgruppe, „daß sie zur Bereinigung des Einbruchsraumes an der Nordfront nicht mehr in der Lage sei". Die dort eingesetzten Kräfte seien zerschlagen worden und kämen für einen Gegenangriff nicht mehr in Frage. Um 12.30 Uhr erhielt die Heeresgruppe einen weiteren Funkspruch von der Armee, „daß der Russe nach Überwalzung des Gebirgsjägerregiments Krim mit seinen Panzerspitzen bereits um 9.00 Uhr 15 km westlich Dschankoj stand und d a ß daher der Befehl zur Zurücknahme der Armee in großen Sprüngen in die Gneisenaulinie gegeben wurde. Diese Rückzugsbewegung war der einzige noch mögliche operative Gegenzug, nachdem die Schlacht an der Perekop-Enge und am Siwasch verloren war.

Die „Gneisenau-Stellung" war eine Feldbefestigung, die nur dann Wert hatte, wenn sie rechtzeitig, planmäßig und ausreichend besetzt wurde. Sie war wertlos, wenn der Gegner bereits das Gesetz des Handelns besaß. Die Befehle, die das XXXXIX. (Geb.) A.K. erhielt, kamen für die Truppe zu spät. Denn sie wurden erst dann gegeben oder genehmigt, wenn der Gegner sie bereits erzwungen hatte.

Bei dem Zurückkämpfen war es ein Glück für die Truppe, daß der Kommandierende General, General d. Geb.Tr. Konrad, vorausschauend auf eigene Verantwortung schon früher die Gedankengänge für eine solche Operation koordiniert hatte. Infolgedessen konnte mit Stichworten geführt werden, die zwischen dem Korps, den Divisionen und den Regimentern vereinbart waren. Die Fernmeldeverbindungen waren weitgehend zerstört.

Die am 11. April um 13.15 Uhr an die Operationsabteilung des Gen.St.d.H. weitergegebene Meldung des AOK 13 von 12.30 Uhr führte zu einer scharfen Reaktion des Chefs des Gen.St.d.H. Um 19.20 Uhr rief Generaloberst Zeitzler „sehr erregt" bei der Heeresgruppe an und erklärte dem Ia der Heeresgruppe, Oberstleutnant i, G. v. Trotha, daß das befohlene Zurückgehen auf die Gneisenau- Stellung „bewußter Ungehorsam gegen den Befehl des Führers sei. Gestern abend habe er genau befohlen, was die Heeresgruppe bzw. die Armee dürfe, und sich selbst alle weiteren Maßnahmen vorbehalten".  Schörner solle nach Rückkehr von seinem Frontbesuch bei der 6. Armee am Dnjestr sofort beim OKH anrufen. „So könne nicht geführt werden. Wenn irgendwo 20 Panzer erschienen, könne nicht eine ganze Armee zurückgehen, Der Führerbefehl bleibe aufrechterhalten." Zwanzig Minuten später befahl der Chef der Operationsabteilung des Gen.St.d.H., Generalleutnant Heusinger, Schörner solle veranlassen, daß die eingeleiteten Maßnahmen rückgängig gemacht würden. Trotha erwiderte, „daß beides schon geschehen sei", und äußerte, „daß nach seiner persönlichen Auffassung es kein Ungehorsam sei, wenn der OB der 13. Armee den Befehl zum Zurückgehen auf die Gneisenau-Stellung gegeben habe. Die 17. Armee habe selbst das größte Interesse daran, so lange wie möglich vorn zu halten, wenn sie einigermaßen vernünftig nach Sewastopol zurückkommen wolle. Daher werde die Kampflage so sein, daß die Armee gar keine andere Entscheidung habe fassen können. Um 18.00 Uhr gab der von der Front zurückgekehrte OB der Heeresgruppe, Generaloberst Schörner, dem Chef des Gen.St.d.H. ein Bild von der Lage auf der Krim: Die Nordfront sei in zwei Teile gespalten. Eine Schließung sei nach der Zerschlagung der herangeführten Reserven, darunter insbesondere des Gebirgsjägerregiments Krim, nicht mehr möglich. Auf Anforderung Zeitzlers sandte daraufhin Schörner um 20.30 Uhr ein Fernschreiben an das OKH, das den formellen Antrag enthielt, die Nordfront der Krim zurückzunehmen.

Um 21.50 Uhr rief Zeitzler nochmals an und erklärte Schörner, Hitler mache Jaenecke den Vorwurf, „daß er die Nerven verloren habe". Schörner betonte demgegenüber, daß dies nicht zutreffe. Er bat Zeitzler, sich dafür einzusetzen, daß Jaenecke das Vertrauen Hitlers behalte, und legte dringend nahe, „den Feind nicht weiter das Gesetz des Handelns diktieren zu lassen. Wenn die Entscheidung nicht sofort falle, bedeute das nicht eine Verzögerung, sondern könne zur Vernichtung der 17. Armee führen.

Jetzt endlich rang Hitler sich auf Zeitzlers Vorstellungen hin zu einem - halben - Entschluß durch. Um 22.45 Uhr teilte Heusinger Schörner mit, daß Hitler den Antrag der Heeresgruppe auf Ausweichen in den Raum von Sewastopol genehmigt habe. Der Abtransport der Masse der nicht mehr benötigten deutschen und rumänischen Versorgungstruppen und rückwärtigen Dienste sowie der Verwundeten, d. h. aller nunmehr im engen Festungsbereich überflüssigen Truppen, konnte eingeleitet werden.General der Panzertruppen Henrici wurde als „Führer des Festlandsstabes Krim" in Rumänien eingesetzt, um die auf dem Festland eintreffenden Teile der 17. Armee im Auffangraum um Buzau zu sammeln und unterzubringen. All dies war natürlich kein echter „Entschluß" Hitlers, der führungsmäßig von Bedeutung gewesen wäre. Es war eine nachträgliche Sanktionierung von Realitäten, die die Sowjets und das von ihrem Angriff bestimmte Handeln verantwortungsbewußter deutscher Befehlshaber an der Front geschaffen hatten, die dabei um Kopf und Kragen spielten. So wurde General der Geb.Tr. Konrad, der Kommandierende General des XXXXIX. (Geb.) A.K., am 10. April von Hitler seines Postens enthoben, was jedoch zunächst keine unmittelbare Auswirkung hatte, da Konrad sein Korps weiterführte. Unklar blieb aber, ob der Rückzug auf Sewastopol der Beginn der allgemeinen Räumung der Krim sei oder ob die Festung Sewastopol gehalten werden sollte.

In Erkenntnis der Bedeutung Konstanzas als einzigem verbliebenen Aufnahmehafen bei der Räumung der Krim griff indessen die sowjetische Luftwaffe am 11. April abends diesen wichtigsten Stützpunkt mit stärkeren Kräften an. Eine Fortführung dieser Angriffe - sie wurden nur noch am 17. und 18. April wiederholt - hätte die Durchführung des Abtransports über See entscheidend beeinträchtigt, wenn nicht unmöglich gemacht. Sie unterblieb jedoch trotz der Gewinnung günstiger Flugplätze auf der Krim.


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Re: Sewastopol
« Antwort #22 am: Do, 17. Mai 2007, 20:40 »
Der Entschluß Hitlers, Sewastopol „auf die Dauer" zu halten, und der Rückzug der deutschen Truppen auf die Festung

Am 12. April mittags fiel die schwerwiegendste Entscheidung auf deutscher Seite: Generalleutnant Heusinger teilte um 14.15 Uhr dem Chef des Gen.St, der Heeresgruppe, Generalmajor Wenck, den Befehl Hitlers mit, „ daß Sewastopol auf die Dauer zu halten ist und daher keine Kampftruppen abzutransportieren sind". Am 13. April 0.25 Uhr traf der Führerbefehl im Wortlaut bei der Heeresgruppe ein, Er besagte, „daß Sewastopol so lange wie möglich zu halten und deswegen an Menschen und Material nur das abzutransportieren sei, was zur Durchführung der Verteidigung nicht unbedingt notwendig sei". Die Heeresgruppe solle melden, in welcher Linie die Verteidigung geführt werde.

In einem Schreiben an den Chef des Gen.St.d.H. um 0.45 Uhr stellte die Heeresgruppe dazu eindeutig fest, „daß nach ihrer Auffassung die eingeleitete Absetzbewegung den Beginn der Räumung der Krim bedeute ... Es sei noch nicht zu übersehen, welche Kräfte endgültig zur Verteidigung von Sewastopol zur Verfügung stünden." Wesentlich für die Heeresgruppe sei die Bedrohung von Konstanza und der anderen Schwarzmeerhäfen unabhängig von Sewastopol, was starke eigene Kräfte, auch von Luftwaffe und Kriegsmarine, binde. „Die Kräfte der Kriegsmarine seien im übrigen im Hinblick auf die zu erwartenden Ausfälle nicht ausreichend. Endlich würden die Kräfte der 17. Armee dringend auf dem Festland gebraucht. Ziel des Feindes sei die Erkämpfung des Balkanraumes. Die Kräfte der Heeresgruppe, die das verhindern sollten, seien außerordentlich schwach, und die Divisionen der 17. Armee seien, da mit einer Zuführung namhafter neuer Kräfte nicht zu rechnen sei, die einzige Kraftreserve der Heeresgruppe.  Dies letzte Argument war allerdings insofern sehr fragwürdig, als die abgekämpften, z. T. zerschlagenen Kampfgruppen der 17. Armee - von „Divisionen" konnte keine Rede mehr sein - keine wirkliche Heeresgruppenreserve darstellten.
In einem Gespräch mit Generalmajor Wenck um 10.50 Uhr erklärte Generaloberst Zeitzler, daß er die Auffassung der Heeresgruppe teile, daß Sewastopol nicht auf die Dauer gehalten werden könne. „Im Augenblick sei das aber beim Führer nicht zu erreichen." Der Befehl zur Durchführung des Unternehmens „Adler" müsse daher von der Heeresgruppe aufgegeben werden. Die Kriegsmarine sei aber verständigt worden, daß sie so viel fahren solle, wie nur irgend gehe.  Wenck erwiderte, daß Sewastopol auch bei Durchführung von „Adler" etwa drei Wochen gehalten werde, daher könne die Frage später entschieden werden.

Auf der Krim selbst hatte sich indessen die Lage in immer bedrohlicherer Weise entwickelt. Während die 19. rum. I.D. am 12. April auf dem Marsch nach Süden ostwärts der Bahnlinie Dschankoj - Simferopol begriffen war, stand die Gruppe Konrad, die noch am Abend des 11. April weit im Norden bei Nowo Iwanowka gekämpft hatte und damit in ihrer tiefen rechten Flanke von Dschankoj aus bedroht wurde, mit ihren zusammengeschmolzenen Kräften am 12. und 13. April in der „Gneisenau"-Stellung, die jedoch den vordringenden sowjetischen Panzerverbänden nur unter dem Einsatz von Luftwaffenkräften und Flakeinheiten vorübergehend Halt gebot.

Der Kommandierende General des I. Fliegerkorps, Generalleutnant Deichmann, der am 12. April auf seinem Korpsgefechtsstand in Focsani in Rumänien die Nachricht vom Durchbruch erhalten hatte, ordnete die beschleunigte Überführung von Munition zur Panzerbekämpfung an, die mangels Lufttransportverbänden von Kampfgruppen des K.G. 27 nach der Krim geflogen wurde, und begab sich sofort selbst nach Sarabus auf die Krim. In der Erkenntnis, daß es unbedingt darauf ankam, den Panzervorstoß der Sowjets zu verzögern, entschloß er sich, vorübergehend selbst die Führung zu übernehmen, hielt eine Gruppe des K.G. 27, die gerade Munition gebracht hatte, an, ließ sie mit Bomben beladen und im Tiefflug die sowjetischen Panzer angreifen. Die dadurch erzielten erheblichen Erfolgels (Abschuß von 23 sowjetischen Panzern mit Sicherheit, von 21 weiteren mit Wahrscheinlichkeit) verzögerten den Vormarsch für einige - entscheidende - Stunden.

Am 13. April mittags standen die Sowjets jedoch in Simferopol, aus dem heraus der Gefechtsstand des AOK 13 am Vortage nach Sewastopol verlegt worden war. Eine bewußt in Sarabus stehengebliebene, aus zusammengewürfelten Einheiten (darunter Flak) bestehende, mit dem Sonderauftrag zur Verteidigung des Flugplatzes organisierte Kampfgruppe unter Generalleutnant Sixt konnte sich in der folgenden Nacht zur Masse der Gruppe Konrad durchschlagen.

Die bisher nicht angegriffene Gruppe Allmendinger (V. A.K.), die sich am Abend des 10. April planmäßig und anfangs ohne Feinddruck aus ihren Stellungen an der Kertschfront gelöst hatte - die sowjetische Küstenarmee drängte erst später (ab 11. April) nach und verwickelte besonders die 98. I.D. in verlustreiche Kämpfe -, setzte sich in der Nacht vom 12./13. April aus der Parpatsch-Stellung ab, ging aber nicht, wie ursprünglich in der Studie „Adler" vorgesehen, auf der Straße Feodosia - Simferopol zurück, sondern drehte mit Rücksicht auf die Feindlage im Raum Sarabus - Simferopol mit der Masse ihrer Kräfte aus dem Raum hart westlich Stary Krim auf Sudak ab, während schwache Teile die Küstenstraße Feodosia - Sudak benutzten. Die sowjetischen Partisanenverbände im Jaila-Gebirge, die den ganzen Winter über ohne durchschlagenden Erfolg vom I. rum. Geb. Korps bekämpft worden waren, erwiesen sich im Gegensatz zu den deutschen Befürchtungen als keine allzu ernste Gefahr für das zurückmarschierende V. A.K., verzögerten jedoch den Rückmarsch aus dem Raum Sudak in Richtung Jalta ebenso wie die schlechten Straßenverhältnisse. Zur Beschleunigung der Rückzugsbewegung wurden daher Teile des Korps (etwa 10 000 Mann) von Aluschta, Sudak und auch von der offenen Steilküste mittels schnell geschlagener behelfsmäßiger Landungsbrücken auf MFP der 1. L.-Flottille unter Kptlt. Giele nach Balaklawa und Sewastopol gebracht, der Seetransport dabei durch Fahrzeuge der 3. A.-Träger-Flottille geschützt. Währenddessen landete am 13. April die sowjetische Schwarzmeerflotte mit Unterstützung von Kreuzern und Zerstörern stärkere Verbände der „Küstenarmee" an der bereits geräumten Küste bei Feodosia.

Von einem Frontbesuch auf der Krim am 12. April berichtete Schörner am gleichen Tage um 20.00 Uhr dem Chef des Gen.St.d.H.: „Er habe den Eindruck, daß der OB der 17. Armee hart und der Situation durchaus gewachsen sei. Dagegen sei die Haltung einzelner Truppenteile und Truppenführer nicht so, wie es sein solle ... Fast alle Verwundeten seien von der Krim abtransportiert worden. Der Lufttransport verdiene besondere Anerkennung. Am folgenden Tage (13. April) abends gab Zeitzler Schörner gegenüber offen seiner Befürchtung Ausdruck, „daß der Russe mit seinen Panzern schneller in Sewastopol sei als wir". In der Tat war dies die größte Sorge von Armee und Heeresgruppe an den beiden folgenden Tagen.

Am 14. April erreichten jedoch die vordersten Teile der Gruppe Allmendinger (V. A.K.) Sewastopol, während das Gros noch in der Gegend von Aluschta stand.


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Re: Sewastopol
« Antwort #23 am: Do, 17. Mai 2007, 21:02 »
Das nach Sewastopol hineingezogene I. rum. Geb. Korps übernahm zunächst die Verteidigungsstellungen an der für das V. A.K. vorgesehenen Ostfront der Festung. Die Masse der Gruppe Konrad (XXXXIX. [Geb.] A.K.) gelangte mit 50. I.D., 336. I.D. und Teilen der 111. I.D. sowie der gesamten schweren Artillerie des Korps (der einzigen, die es dann in Sewastopol gab) am 14. April in den Nordteil der Festung, nachdem die zum Durchbruch ansetzenden sowjetischen Panzer bei Bachtschissarai durch einen Sperrverband des Festungskommandanten von Sewastopol, Oberst Beetz, mit Unterstützung von Schlachtfliegerverbänden abgewiesen worden waren, wodurch 12 entscheidende Stunden für das Einrücken in die Festung gewonnen wurden. Hierbei erzielte der gleiche Flakzug, der bereits Ende Oktober 1943 am Tatarengraben entscheidend eingegriffen hatte, einen erneuten großen Abschußerfolg. Die sowjetischen Panzer, die frontal den von Simferopol nach Bachtschissarai zurückgehenden deutschen Truppen folgten und so auf den deutschen Sperrverband „aufliefen", hätten bei Umfassungsmanövern den Weg nach Sewastopol frei gefunden. Die 50. LD. erreichte planmäßig und kämpfend, dabei mehrmals Einschließungen des Gegners kampfgruppenweise durchbrechend, die befohlene Stellung im Ostteil der „Festung". Ein Plan des XXXXIX. (Geb.) A.K., Teile der Division mit sich bei Eupatria einigeln zu lassen und dann über See nach Sewastopol zu kommen, wurde von der Division abgelehnt, da sie sich durchaus in der Lage fühlte, sich zurückzukämpfen.

Das rumänische Kavalleriekorps war inzwischen fast vollständig, die 10. rum. I.D. mit etwa 4 500 Mann, von der 19. rum. I.D. allerdings nur eine geringe Zahl von Versprengten in Sewastopol eingetroffen. Auch am 15. April scheiterten die Versuche der Sowjets, gleichzeitig mit den eigenen Truppen nach Sewastopol einzudringen. Die Gruppe Allmendinger erreichte mit ihrer Masse, jedoch ohne schwere Waffen, den Festungsraum. Am 16. April trafen die letzten Teile der 13. Armee in Sewastopol ein. Der Rückzug, der am 16. April mit der Räumung des Hafens Balaklawa abgeschlossen wurde, war trotz härtester Kämpfe und unter erheblichen Verlusten besonders an den eigentlichen Kampfverbänden, d. h. an Infanterie, durch Aufbietung aller Kräfte gelungen!

Das AOK 17 gab daher am 16. April folgende Abendmeldung an die Heeresgruppe: „Die Armee hat mit allen Teilen Sewastopol erreicht und steht dort abwehrbereit. Das Hereinführen in die Festung, das nach dem Durchbruch des in Stärke und Beweglichkeit weit überlegenen und mit über 500 Panzern angreifenden Feindes in den freien Raum der Krim unvermeidlich war, gelang gerade noch rechtzeitig vor der einen Einbruch in Sewastopol anstrebenden Verfolgung. Die Divisionen der Armee haben Unerhörtes in Gefecht und Marsch geleistet. 30 % der Artillerie und knapp ein Viertel der Panzerabwehr kamen in die Festung. Der Feind ist im Aufschließen mit den 3 herangeführten Angriffsarmeen. Sofortiges Zuführen personellen und erheblichen materiellen Ersatzes für die angeschlagenen Divisionen ist dringend erforderlich. Die Armee wurde in vorbildlichster Weise von den anderen Wehrmachtteilen unterstützt. Der Einsatzstab des I. Fliegerkorps hat in 2390 Einsätzen den Durchbruch des Feindes entscheidend verzögert, die 9. Flak-Division im Einsatz gegen Luftziele und in der Panzerabwehr Vorzügliches geleistet. Der Seekommandant Krim hat durch den rücksichtslosen Einsatz von MFP eine 10 000 Mann starke Gruppe des V. A.K. und Teile ihrer Waffen und Geräte von der Südküste nach der Festung überführt. Abgeschossen wurden: 464 Panzer, 232 Flugzeuge des Feindes. Das V. A.K. ist mit den letzten Teilen in die Festung eingerückt und im Einrichten im südlichen Abschnitt der Landfront. Vor dem XXXXIX. (Geb.) A.K. zeigte sich sehr .dichte Bereitstellung des Feindes. Am Mittag begonnene, bis 20.00 Uhr fortgesetzte Angriffe des Feindes bis zu Regimentsstärke wurden unter Abschuß von 6 Panzern abgewehrt."

Es besteht kein Zweifel, daß das Gelingen dieser Operation - wenn auch unter wesentlicher Materialeinbuße - möglich wurde, weil die sowjetische Führung aller Wehrmachtteile die ihr gebotene Chance, die 17. Armee vor Erreichen des Festungsraumes von Sewastopol zu vernichten, nicht wahrnahm. Weder kam es zu der von deutscher Seite befürchteten Landung an der Südküste - sie begann erst am 13. April bei Feodosia, nachdem das V. A.K. bereits in Sicherheit war! -, noch konzentrierte sich die sowjetische Luftwaffe an den entscheidenden Tagen auf die Bekämpfung der dicht gedrängten deutsch-rumänischen Kolonnen, die auf den beiden Straßen von Simferopol und am Südrand des Jaila-Gebirges an der Küste entlang nach Sewastopol hineinströmten, ganz abgesehen davon, daß die sowjetische Schwarzmeerflotte außer einem etwas verstärkten U-Booteinsatz die deutschen Nachschubtransporte von Konstanza nach Sewastopol ungestört ließ. Auch bei den Landoperationen ließen die Sowjets jegliche Kühnheit vermissen. Nachdem der Durchstoß auf Dschankoj gelungen war, hätte das Schicksal der Gruppe Konrad in der Steppe der nordwestlichen Krim besiegelt werden können. Die Sowjets zogen allerdings einen Teil ihrer Angriffsverbände schon frühzeitig wieder von der Krim ab. Daß es nicht zu der Katastrophe in der Krimsteppe kam, lag entscheidend an dem tapferen Einsatz der deutschen und rumänischen Soldaten sowie der „Hilfswilligen" und an der Tatsache, daß die verantwortlichen Befehlshaber trotz der nachträglichen „Entschlüsse" Hitlers ihre Befehle operativ und taktisch vernünftig und rechtzeitig gaben. Die Truppe wußte, daß, wenn die Sowjets in Dschankoj waren, es nur eines gab: Rückzug und Festklammern bei Sewastopol. Das war der Motor, der die verzweifelte Lage immer wieder - und sei es nur um Stunden - meistern half. Daß die Soldaten „ihre" Krim kannten und wußten, worum es ging, war vor allem das Verdienst von General d. Geb.Tr. Konrad.

Die Gesamtgefechtsstärke der 17. Armee  war indessen nach dem Rückzug auf Sewastopol auf 19.591 Mann (9 231 deutsche, 10 360 rumänische Soldaten) abgesunken. An Waffen waren noch vorhanden: 666 MG, 54 Granatwerfer, 35 schwere Pak, 84 leichte Feldhaubitzen, 85 schwere Feldhaubitzen, 12 Werfer, 24 Marinegeschütze. Die deutschen Verluste umfaßten 13 131 Mann (davon 1 253 Gefallene, 4 125 Verwundete, 6 986 Vermißte, 763 Kranke), die rumänischen insgesamt 17 652 Mann. Die Verpflegungsstärke der 17. Armee, die am 9. April 235 000 Mann betragen hatte, war bis zum 18. April auf 124 233 Mann zurück gegangen (davon waren 78 000 Deutsche, 46 000 Rumänen). Bis zum 20. April waren seit Beginn des Abtransports am 12. April auf dem Seeund Luftwege 67 000 Mann übergesetzt worden, darunter befanden sich 36 000 Deutsche, 16 000 Ostlegionäre, 3 800 Kriegsgefangene, 1 600 Zivilisten, 9 600 Rumänen. Das personelle Fehl betrug am 20. April bei der 50. I.D. 22%, bei der 73. I.D. 79%, bei der 98. I.D. 43%, bei
der 111.I.D. 63 % , bei   der 336.I.D. 23 %. Entscheidend dabei war, daß praktisch keine der ursprünglichen Kampftruppen, d. h. keine Infanterie, mehr da war .

Die Armee betonte in einer Meldung vom 16. April, daß der Kampfwille der Rumänen so erschüttert sei, daß sie für die Verteidigung der Festung fast völlig ausfielen. Sie sollten daher auf das Festland abtransportiert werden. Dies entsprach auch den Absichten der obersten deutschen Führung, die aus politischen Erwägungen für einen gesicherten Rücktransport der Rumänen auf das Festland eintrat. Bereits am 12. April hatte Schörner dem Deutschen General beim Oberkommando der rumänischen Wehrmacht, General d. Kav. Hansen, mitgeteilt, daß die 13. Armee angewiesen sei, „besonders dafür zu sorgen, daß die Rumänen gut von der Krim herunterkämen". Am 13. April drängte der Kommandierende General des I, rum. Geb. Korps, General Schwab, seinerseits auf den sofortigen Abtransport seiner rumänischen Verbände.

Karte-Der Rückzug der 17.Armee auf Sewastopol

Quelle-Die Räumung der Krim 1944 (A.Hillgruber,1959)

Gruß
Josef
« Letzte Änderung: Di, 22. Juni 2010, 21:30 von six.darkness »

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Re: Sewastopol
« Antwort #24 am: Sa, 27. Oktober 2007, 22:45 »
Trütgen Bernhard

gef.am 10.06.1942 in Sewastopol

http://http://www.stimbergstadt.de/Krieg/Gefallene-T/Truetgen-Bernhard.htm


mfg
Josef
« Letzte Änderung: Sa, 27. Oktober 2007, 22:46 von md11 »

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Re: Sewastopol
« Antwort #25 am: Do, 05. März 2009, 19:42 »
Hallo,
hier zur Geschichte der Küstenbatterie Nr.35 "Maxim Gorki II":

Küstenbatterie Nr.35
« Letzte Änderung: Sa, 05. Januar 2013, 07:15 von md11 »

 


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