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Der Fall von Rotterdam

Begonnen von md11, So, 25. Februar 2007, 19:11

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md11

Es ist X-Zeit und eine halbe Stunde. Der Oberste Befehlshaber der deutschen Wehrmacht, Adolf Hitler, steht mit seinen Generälen vor der großen Lagekarte im Hauptquartier in Münstereifel. Noch einmal ruft er ins Gedächtnis, was jetzt besonders wichtig geworden ist:
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- Die Einnahme des Sperrforts Eben Emael am Albert-Kanal in Belgien, um den Panzerkolonnen der 6. Armee des Generals von Reichenau unbedrohtes Vorrücken zu gewährleisten.
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- Die Einnahme der Brücken von Moerdijk, Rotterdam und Dordrecht über die Mündungsarme des Rheins und der Maas, um freie Fahrt für die Panzer des Generalleutnants Rudolf Schmidt vom XXXIX. Korps zu sichern. Beide Einsätze sind besonders gedrillten Einheiten von Fallschirmjägern anvertraut.
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Zusätzlich sollen die 15.000 Mann der 22. Luftlandedivision wichtige Flugplätze und Straßenverbindungen im Rücken des Gegners besetzen und bis zum Eintreffen der Heeresverbände halten.

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Eine dieser für den Vormarsch der deutschen Truppen wichtigen Verbindungen ist die Straße Den Haag - Rotterdam. Ein Teil der am Morgen des 10. Mai in Richtung Norden gestarteten Ju 52 ist im Anflug auf die Straße, die als Basis weit hinter den feindlichen Linien ausgebaut werden soll. Doch die Maschinen, bis zur Grenze ihrer Belastbarkeit mit den Soldaten der 22. Luftlandedivision, Waffen und Munition beladen, fliegen in einen Hinterhalt. Die von dem Abwehroberst Hans Oster an den holländischen Militärattache in Berlin weitergegebene Nachricht vom bevorstehenden Angriff am 10. Mai hat die Holländer veranlaßt, in letzter Minute Stahlstangen in die Straßen zu rammen. Die landenden Ju's rasen in diese Eisenpfähle, werden zerrissen, geraten in Brand. Holländische Infanterie, an beiden Seiten der Straße in Stellung, feuert in die Trümmer hinein. Nur geringe Teile der Luftlandetruppen können sich einigeln und müssen verbissen um den kleinen Brückenkopf kämpfen. Ein Teil der zur Landung ansetzenden Ju's kann im letzten Moment abdrehen, ein anderer Teil, zum Abflug bereit auf dem Flugplatz Sennelager, wird im letzten Augenblick gestoppt.

Am Flugplatz von Rotterdam-Waalhaven und an den Brücken von Moerdijk verlaufen die Operationen erfolgreich. Nach einem Stuka-Angriff auf die Bunker der Eisenbahnbrücke von Moerdijk springt das II. Bataillon des Fallschirmjägerregiments 1 unter Führung von Hauptmann Prager an der über einen Kilometerlangen Straßenbrücke ab und kann nach kurzem Gefecht diese und die Eisenbahnbrücke besetzen.

Das III. Bataillon des Fallschirmjägerregiments 1 unter dem Kommando des Hauptmannes Karl-Lothar Schulz, dem Generalmajor Kurt Student unmittelbar unterstellt, hat den Auftrag, den Flugplatz Waalhaven im abgekürzten Verfahren, d. h. durch Absprung in das Objekt, zu nehmen. Anschließend sollen die Truppen der 22. Luftlandedivision in Transportmaschinen landen und den Brükkenkopf ausbauen.

Doch die Jäger springen in ein Inferno. Obwohl der Platz gerade bombardiert worden ist, empfängt die Männer ein furchtbares Abwehrfeuer der Holländer. Den größten Verlust unter den Fallschirmjägern verursachen die Deutschen selbst: Eine Ju setzt die Jäger über den Hangars ab, die kurz zuvor von Brandbomben deutscher Bomber getroffen worden sind. Die Jäger treiben in das Feuer hinein.

Nachdem auch Teile eines Vorkommandos der 22. Luftlandedivision gelandet sind, werden die Holländer in die Zange genommen und müssen sich schließlich ergeben.

Die Nordgruppe der 22. Luftlandedivision unter dem Kommando des Generalleutnants Graf Sponeck, soll auf den Flugplätzen Katwijk, Ypenburg und Loosduinen, an der Peripherie von Den Haag, landen, in die Stadt eindringen und das  Königsschloß und die Regierungsgebäude besetzen.

Doch die Holländer sind vorbereitet. Allein auf dem Flughafen Ypenburg gelingt es , ihnen, von dreizehn anfliegenden Transportern elf abzuschießen. Wenig später kommt die zweite Welle der JuTransporter. Es ist die 3. Staffel der Kampfgruppe zur besonderen Verwendung 9, die an diesem Morgen um 6.06 Uhr in Lippspringe gestartet ist. In der zweiten Maschine hinter dem Staffelkapitän fliegt der Feldwebel Aloys Mayer. Und in seiner Ju sitzt der Kommandierende General, Graf Sponeck. In Ypenburg können sie nicht landen, der Platz ist mit den Trümmern abgeschossener und bruchgelandeter Ju's übersät. Also fliegen sie weiter nach Loosduinen. Auch hier das gleiche Bild. Die Ju des Kommandeurs wird von mehreren Flaktreffern durchgeschüttelt.

Mayer weiß nicht, wo er landen soll. General Sponeck meint, er soll es auf einer Wiese versuchen. Der Feldwebel tut es. Die Landung glückt. Andere Maschinen folgen seinem Beispiel. Der General sammelt eine kleine Kampfgruppe um sich. Immer mehr Landser schließen sich der Gruppe an, bis sie etwa 1000 Mann stark ist.

Über ein Tornisterfunkgerät kann man endlich auch schwach die 2. Luftflotte des Generals von Kesselring erreichen. Der Oberbefehlshaber befiehlt Sponeck, den Angriff auf Den Haag abzublasen und statt dessen gegen den Nordteil Rotterdams vorzugehen.

Eine Nachricht ist es ganz besonders, die der Reichsmarschall Hermann Göring an diesem Morgen im Führerhauptquatier in Münstereifel wartet. Es ist ei kleine Operation von großer strategischer Tragweite: Die Besetzung der Willenbrücke über die Nieuwe Maas in Rottf dam. Diese Eisenbahn- und Straßebrücke ist deswegen so wichtig, weil üb sie die deutschen Truppenverbände ü Herz der holländischen Verteidigung vorstoßen sollen.

Das betrifft vor allem di XXXIX. Panzerkorps des Generalleu nants Rudolf Schmidt. Kommen d. deutschen Panzer nicht über die Neu Maasbrücke, haben sie die holländische Truppen der Festung Holland vor sich un die vorrückende 7. französische Arme des Generals Giraud im Rücken.

Zwei hart gedrillte Eliteeinheiten sind da für ausersehen, die Willemsbrücke in Handstreich zu nehmen: Die 11. Kompanie des Infanterieregimentes 16 und die 11. Kompanie des Fallschirmjägerregimentes 1.

Am Abend des 9. Mai sind die Infanteriesoldaten überraschend nach Bad Zwischenahn bei Oldenburg verlegt worden. Auf dem Zwischenahner Meer sind unterdessen zwölf He 59, Wasserflugzeuge älterer Bauart, gelandet. In den frühen Morgenstunden geht die 11. Kompanie, durch eine Pioniergruppe verstärkt, an Bord der Maschinen, die bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit beladen sind.

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Es sind 120 Mann unter der Führung von Oberleutnant Schrader, die sich mit ihren Waffen in die alten Doppeldecker zwängen. Die Maschinen mit dem Kastenrumpf, die früher als Seenotrettungsflugzeuge und Aufklärer eingesetzt worden sind, gelten wegen ihrer geringen Geschwindigkeit als besonders gefährdet. Doch die Flugzeuge kommen unbehelligt an ihr Ziel. Sechs Maschinen von Osten, sechs von Westen, zehn donnern in geringer Höhe mitten nach Rotterdam hinein. Am Nordufer der Willemsbrücke, mitten in der Stadt, wassern die Maschinen. Schraders Männer werfen Floßsäcke aus den Luken. Die Soldaten paddeln an Land. Neben der Willemsbrücke besetzen sie auch gleich noch die Jan-Kuiten- und die Leeuwenbrücke und bringen überall Maschinengewehre in Stellung. Sprengladungen, mit denen die Holländer ihre Brücken haben zerstören wollen, werden von den Pionieren entschärft.

Für die Fallschirmjäger des 1. Regiments ist ein Fußballstadion südlich der Maasschleife als Landeort vorgesehen. Hierzu landen ist schwer. Die Jäger müssen ja fast mitten in der Stadt abspringen. Werden sie abgetrieben, landen sie in den Häuserschluchten Rotterdams oder im eiskalten Wasser der Maas.

Doch als Zugführer Oberleutnant Kerfin nach der Landung seine Männer sammeln läßt, fehlt keiner. Und offensichtlich hat kein Mensch in der Stadt mitbekommen, daß 50 deutsche Soldaten vom Himmel gefallen sind.

Doch noch sind die Männer nicht an ihrem Einsatzziel.

Vom Stadion aus treten sie den Marsch durch den Stadtteil Feijenoord an. Sie gehen in lockerer Formation auf der rechten Straßenseite.

Es ist gegen 6 Uhr 30. Zu dieser frühen Stunde sind nur wenige Menschen unterwegs. Und die wenigen Holländer, die dem deutschen Fallschirmjägertrupp begegnen, halten die Soldaten wohl für Landsleute, jedenfalls gibt es keine Belästigungen.

Doch dem Oberleutnant Kerfin dauert der Weg zur Brücke zu lange.

Er teilt seine Truppe. Die eine Hälfte übernimmt ein junger Leutnant, die andere führt Kerfin selbst. Beide Gruppen sollen versuchen, Fahrzeuge anzuhalten und auf eigene Faust damit zur Willemsbrücke vorzustoßen.

In diesem Augenblick sieht Oberleutnant Kerfin, wie ein leerer Straßenbahnzug aus einem Depot, nur wenige Meter von ihnen entfernt, auf die Straße hinausfährt. Einer der Männer in seinem Zug stammt aus dem niederrheinischen Grenzgebiet und spricht holländisch. Er läuft auf die Straßenbahn zu und hält sie an. Der Bahnfahrer, der wohl nicht genau weiß, wen er vor sich hat, gehorcht.

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An den Uniformen sind die Männer nicht ohne weiteres als Deutsche zu erkennen. Sie tragen den Springerhelm, der im Gegensatz zum Stahlhelm keine Ausbuchtungen hat und ihre Tarnjacken entsprechen auch nicht der Standarduniform der deutschen Wehrmacht.

Doch als die Männer die Bahn besetzt haben, sprechen sie, und diese Sprache kennt der Fahrer der Straßenbahn. Der Mann an der Kurbel bekommt den strikten Befehl, an keiner Haltestelle anzuhalten und direkt zur Nieuwe Maas zu fahren. Unterdessen haben sich die Männer der 11. Kompanie des Infanterieregiments 16 auf der Willemsbrücke verschanzt, so gut das geht: Hinter Brückenpfeilern der Eisenkonstruktion und Mauervorsprüngen. Ein MG-Schütze, der in einer Mauernische der südlichen Brückenauffahrt liegt, sieht die Bahn zuerst kommen. Er fragt einen Feldwebel, der neben ihm liegt: ,,Soll ich sie mal kurz anhalten?" Doch der winkt ab.

Die Bahn kommt laut klingelnd an der südlichen Auffahrt, am Koningshaven, zum Stehen. Aus den beiden Wagen springen deutsche Fallschirmjäger.
Die Infanteristen auf der Brücke können es kaum glauben. Ein Gefreiter witzelt: ,,Wußte gar nicht, daß unsere Fallschirmjäger mit Straßenbahnen ausgerüstet sind."

Wenig später kommt der Leutnant mit dem Rest des Zuges in requirierten Personenwagen zur Brücke. Für die Männer auf der Willemsbrücke beginnen die längsten Tage ihres Lebens. Die Holländer decken die Deutschen mit einem höllischen Feuer ein. Die Besatzung schmilzt von 170 auf 60 Mann zusammen. Aber diese Männer halten den kleinen Brükkenkopf gegen alle Angriffe.

Diese 60 Mann können weder vor noch zurück. Die Holländer schießen aus Hochhäusern an der nördlichen Brükkenauffahrt auf alles, was sich bewegt. Später schlägt sich das III. Bataillon des Infanterieregiments 16, das in Waalhaven gelandet worden ist, bis zur südlichen Brückenauffahrt durch. Die Einheit muß sich von Häuserblock zu Häuserblock unter großen Verlusten vorkämpfen.

Doch die Männer können den Kameraden auf der nördlichen Brückenseite nicht helfen. Die Holländer können das Mittelstück der Brücke mit ihren Waffen bestreichen und jeder Versuch, durchzubrechen, endet mit großen Verlusten.

Drei Tage und Nächte müssen die Männer an der Brücke ausharren.
Schon am zweiten Tag haben sie ihre eisernen Rationen aufgegessen, das letzte Wasser getrunken. Unter ihnen fließt verlockend das Wasser der Maas.

Erst kurz vor Mittag am 13. Mai trifft eine Panzervorausabteilung von Generalmajor Hubickis 9. Panzerdivision an der Willemsbrücke von Rotterdam ein. Doch die 60 Mann am Nordufer können immer noch nicht entsetzt werden. Die Holländer haben die strategisch bessere Position.

Da befiehlt General von Küchler, der Oberbefehlshaber der 18. Armee, am 13. Mai um 18 Uhr 45, den Widerstand von Rotterdam mit allen Mitteln zu brechen. Die Armeeführung befürchtet, daß die Briten sonst starke Verbände in der Festung Holland landen könnten.

Das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Gleichzeitig gibt von Küchler dem Oberbefehlshaber vor Rotterdam, dem kommandierenden General des XXXIX. Panzerkorps den Befehl, ,,nichts unversucht zu lassen, um unnötiges Blutvergießen unter der holländischen Zivilbevölkerung zu vermeiden". Doch der Stadtkommandant von Rotterdam, Oberst Scharroo, sieht sich in einer vorteilhaften militärischen Lage. Außerdem haben seine Unterhändler, die mit den Deutschen wegen einer Übergabe Rotterdams verhandelten, nichts von den deutschen Panzerverbänden gesehen. Bluffen die Deutschen?
Scharroo zögert die Verhandlungen immer mehr hinaus. Verzweifelt versuchen deutsche Kommandostellen, den Holländer davon zu überzeugen, daß deutsche Bomber die Widerstandszonen des holländischen Militärs angreifen und daß damit der Zivilbevölkerung schwere Verluste zugefügt werden. Doch der Holländer zögert.

Auf den Flugplätzen Delmenhorst, Hoya und Quakenbrück startet um 13 Uhr 30 das Kampfgeschwader 54 mit seinen hundert He 111. Die Maschinen sind vollgeladen mit Sprengbomben. Um 15 Uhr soll das Geschwader über dem Zielgebiet von Rotterdam eintreffen.

Die Piloten haben die Anweisung, auf rote Leuchtzeichen zu achten. Sie sollen den Besatzungen der Bomber zeigen, daß die Stadt unterdessen kapituliert hat. Für diesen Fall gibt es einen Ausweichplan des KG 54: Angriff auf zwei britische Divisionen bei Antwerpen.

Genau um 15 Uhr erreichen die Bomber Rotterdam. Kurz vor dem Ziel haben sie sich in zwei Gruppen geteilt. Es ist sehr dunstig. So angestrengt die Piloten auch nach unten blicken, sie sehen kein rotes Leuchtsignal.

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Auf dem Stieltjes Straat steht General Schmidt und ruft:,,Mein Gott, das gibt eine Katastrophe:' Er und Student, der neben ihm steht, greifen selbst zu Leuchtpistolen und feuern sie nach oben ab, obwohl die Stadt noch nicht kapituliert hat, aber sie wollen retten, was zu retten ist.

Der eine Gruppenführer des KG 54, Oberstleutnant Höhne, läßt die ersten Bomben in das festgelegte Planquadrat ausklinken. Da sieht er plötzlich ganz schwach rote Punkte unter sich aufleuchten. Bevor seine restlichen Bomber ins Zielgebiet kommen, schreit er dem Funker hinter sich das Stichwort zu: Abdrehen! Höhne fliegt mit seinen 50 Maschinen das Ausweichziel bei Antwerpen an.

Die Gruppe des Geschwaderkommandeurs, Oberst Lackner, jedoch sieht nirgendwo rote Signale. Rotterdams Altstadt mit den vielen Fachwerkhäusern, die wie Zunder brennen, sinkt in-Schutt und Asche.

Neunhundert Zivilisten sterben bei diesem ersten konzentrierten Großangriff auf eine Stadt.

Oberst Scharroo kapituliert. Und auch sein Oberbefehlshaber, General Winkelman, gibt den Kampf auf. Der Krieg in Holland ist zu Ende.

Grüße
Josef