Autor Thema: Kriegsende in Franken 1945!  (Gelesen 8939 mal)

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Kriegsende in Franken 1945
« Antwort #20 am: Sa, 13. Januar 2007, 08:16 »
Vor 60 Jahren eröffneten die westalliierten Streitkräfte die größte Luftoffensive des Zweiten Weltkriegs. Unter dem Decknamen „Clarion" (Weckruf) zerstörten 10 000 Bomber Verkehrseinrichtungen in ganz Deutschland. Ziele dieser vernichtenden Angriffe waren am 22. und 23. Februar 1945 auch Ansbach, Neumarkt und Treuchtlingen.

ANSBACH/NEUMARKT - Der erste tödliche Schlag trifft am 22. Februar Ansbach. An diesem sonnigen Vorfrühlingstag heulen um 11.45 Uhr die Sirenen. Wie in anderen kleineren Städten flüchten nur wenige Ängstliche in die Luftschutzkeller, denn bisher hatten alle Luftangriffe vor allem den Großstädten und kriegswichtigen Industrieanlagen gegolten. Passanten beobachten neugierig die fast in Parade-Formation von Nordwesten her anfliegenden Bombergeschwader.

Der Bomberstrom scheint langsam zu versiegen, als eine Gruppe von Flugzeugen im Südosten plötzlich wendet und Kurs auf Ansbach nimmt. Die jungen Flakkanoniere am Bahnhof feuern mit ihren Zwillings- und Vierlingsflaks auf die anfliegenden Staffeln, was das Zeug hält.

Um 12.10 Uhr öffnen sich über dem Bahngelände von Ansbach die Bombenschächte und Hunderte von 250und 500-Kilo-Bomben hageln mit infernalischem Geheul in die Tiefe. Als die Flugzeuge nach 20 Minuten abdrehen, steht über dem Süden der Stadt eine riesige schwarze Rauchwand, aus der haushohe Flammen schlagen. Das ganze Bahnhofsgelände gleicht einer Mondlandschaft.

Schauriges Bild

Den Wehrmachtsangehörigen, Luftschutzhelfern, Feuerwehrleuten und Rotkreuzlern bietet sich ein schauriges Bild: Ganze Häuserreihen liegen in Trümmern, die Bahngleise ragen wie Streichhölzer aus dem Boden. Dazwischen liegen Leichen, stöhnende Verwundete und auch Kranke, denn auch das Krankenhaus ist beschädigt. Für die Einsatzkräfte beginnt ein Wettlauf mit dem Tod, als sie sich bemühen, die Verschütteten aus den Trümmern zu bergen. Die Hilfskräfte werkeln auch am folgenden Tag noch, als der deutschsprachige BBC-Sender eine Fortsetzung der Bombardements ankündigt. Tausende Ansbacher fliehen daraufhin schwer bepackt in nahe gelegene Felsenkeller oder benachbarte Dörfer.

Am 23. Februar um 10.30 Uhr taucht ein einzelnes US-Flugzeug über Ansbach auf und setzt Rauchzeichen für die nachfolgenden Bomberstaffeln. Die kommen eine Stunde später. Und wieder hagelt es. Sprengbomben schweren Kalibers. Sie treffen Bahnhof, Postamt und Hofgarten, pflügen sogar den Friedhof um und hinterlassen in den benachbarten Straßen eine Spur der Verwüstung.

Flucht in den Bunker

Fast zur gleichen Zeit ist Treuchtlingen an der Reihe. In der kleinen „Eisenbahnerstadt" an der Altmühl verlässt gerade ein Munitionszug den Bahnhof, als sich die erste Bomberwelle nähert. Gleichzeitig fährt ein Fronturlauber-Schnellzug ein. Als der erste Bomberpulk Ziel auf das Bahnhofsgelände nimmt, flüchten Soldaten und zivile Fahrgäste in die Unterführungen und in den Bahnhofsbunker.

Die Bomben der ersten Flugzeuggruppe zerpflügen hauptsächlich die Altmühlauen. Dafür trifft die zweite Angriffswelle umso gründlicher: 150 Sprengbomben detonieren im Bahngelände, zerschlagen die Bahnunterführungen und den Bunker und begraben Hunderte von Menschen unter den Trümmern. Kurz darauf verwüstet
eine dritte Gruppe US-Bomber Straßenzüge zwischen Bahnhof und dem Gasthaus zur Krone.

Die Hilfskräfte finden in den Unterführungen zum Teil nur noch im Tod zu Klumpen geballte Menschengruppen vor, die sie nur mit äußerster Kraft aus den Trümmern bergen können. Noch Jahre später werden Opfer dieses Bombenteppichs bei Ausgrabungsarbeiten entdeckt.

Um 11.20 Uhr erlebt auch Neumarkt sein erstes Bombendrama. Hier greifen 74 viermotorige US-Bomber vom Typ B 17 (Fliegende Festung) der 8. Luftflotte die Bahnanlagen und angrenzenden Industriebetriebe an. In drei Wellen werfen die Flugzeuge innerhalb von zwölf Minuten 845
Bomben mit je 250 Kilo Sprengsatz auf das Gelände zwischen Bahnhof, Galgenhügel und Ingolstädter Straße ab.

Sie treffen Bahnhof, Gleisanlagen, Expreßwerk, eine Holzfirma und bringen zwei Gaskessel der Stadtwerke zur Explosion: 3.000 Kubikmeter Wasser ergießen sich wie eine Sturzflut auf die angrenzenden Häuser. Die Bomben walzen auch Baracken von ausländischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen nieder. Die schlimmste Tragödie spielt sich auf dem Bahnhofsvorplatz ab. Dort werden ungarische Flüchtlinge, deren Zug im Neumarkter Bahnhof steht, in einem Splittergraben verschüttet.
Die Rettungskräfte können die meisten der Verschütteten nicht mehr
lebend bergen. Da die rund 400 ungarischen Flüchtlinge nicht registriert waren, lässt sich die Zahl der Toten von Neumarkt nicht genau feststellen.

Die Bilanz der vier Angriffe vom 22. und 23. Februar 1945 auf die drei Städte: Über 1.600 Tote und mehr als 2.500 Verletzte. In Ansbach sterben 522 Menschen, in Treuchtlingen verlieren 586 Menschen ihr Leben, darunter 117 Einheimische. In Neumarkt finden etwa 500 Menschen ihr Grab, darunter 25 Stadtbewohner und deutsche Reichsbahn-Fahrgäste.
Einige Tage später kreist ein US-Aufklärer über Neumarkt, fotografiert die Schäden und meldet in einem „Geheimbericht" stolz: „Sehr gute Resultate".

Quelle-Nürnberger-Zeitung

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Kriegsende in Franken 1945
« Antwort #21 am: Sa, 27. Januar 2007, 20:52 »
In den Bunkern wohnt das Grauen

Wer das Bomben-Elend ganz erschauen will, muß in diesen Tagen durch die Bunker gehen. Es darf ihn nicht verdrießen, wenn er die 70 Stufen am Webersplatz hinabsteigen und wieder hochklettern und diese in die Oberschenkel gehende Prozedur am Paniersplatzbunker, in den Bunkern am Lorenzer Platz und am Laufer Tor wiederholen und schließlich auch die fünfzig Treppen im eiskalten Bierkeller der Tucherbrauerei an der Bayreuther Straße nehmen muß.

In diesem unterirdischen Nürnberg wohnt das Grauen. Hier fristen die Ausgebombten der letzten Großangriffe ihr nacktes Leben. Hier müssen sie wohnen, hausen, schlafen, essen. Sie sind zu Höhlenmenschen geworden. Vielfach in ganzen Familien, Frauen mit Kindern und Männern, die keine Beziehungen zum flachen Lande haben und es nicht übers Herz bringen, um Asyl bettelnd von Haus zu Haus zu gehen. Auch solche Nürnberger findet man hier, die die alte Heimat um keinen Preis der Welt verlassen, weil sie hier zu Hause und im Schatten der Lorenzkirche und der Kaiserburg aufgewachsen sind. Manche, die gerne fort wollen, dürfen auch nicht fort. Man läßt sie nicht weg, weil sie - wenn auch in untergeordneter Position - bei der wenigen Arbeit, die noch zu leisten ist, unentbehrlich sind.

Andere allerdings haben es leichter. Allabendlich schlurcht heimlich und lautlos eine lange Autokolonne aus der zerschlagenen, mißhandelten Stadt. Sie fährt in westlicher Richtung. In den schnittigen Wagen und Omnibussen sitzen die Potzöbersten. Sie haben keine Lust, ihr teures Leben im Bombenregen aufs Spiel zu setzen. In Schloß Schwarzenberg bei Oberscheinfeld steigen sie ab. Dort verbringen sie von Sirenengeheul und krepierenden Minen nicht gestörte Nächte. Die Bauern der am Fuße des Schloßberges liegenden Dörfer sprechen und klagen ganz offen darüber, daß man droben im Schloß trotz der Schwere der Zeit manchmal noch durchaus „zeitgemäße" Orgien feiert.

Daher die im Volksmund umgehende, mitten ins Schwarze treffende Wendung: „Das Auto des Gauleiters nähert sich dem Stadtgebiet - es ist mit baldiger Entwarnung zu rechnen... !"

Nicht einem einzigen frischen Gesicht begegnet man in den Bunkern. Man hört kein Lachen, sieht kein Lächeln. Freude und Frohsinn sind erstorben. Im Antlitz dieser Menschen spiegelt sich das Grauen. Ihre Züge sind zerfurcht - zerfurcht wie die Straßen und Plätze und Gassen der Altstadt und neuerdings auch der Vorstädte. Entsetzen, Furcht, Angst, Entbehrung, unsägliche Not und Sorge stehen in aller Augen geschrieben.

Es riecht nach Menschen in den Bunkern. Trotz Ventilation. Kein Wunder ... ! Seit Wochen sind diese Nürnberger nicht mehr aus den Kleidern gekommen. Sehr häufig tritt eine besondere Erscheinung auf: Der Schreck beim Sirenengeheul geht vielen nicht nur in die Ohren, sondern auch in die Hosen. Die Darmnerven vertragen es nicht mehr. Und die Bunkermenschen haben kaum ein zweites Hemd zum Wechseln, Körperpflege ist Luxus geworden. Wer kann heute noch ein Bad nehmen ... ? Wer hat soviel Holz oder Kohlen übrig? Wer hat überhaupt noch eine Badewanne ... ? Im Bunker lebende Frauen führen ihre Kinder jetzt in den ersten Märztagen hinunter zur Pegnitz, um ihnen wenigstens wieder einmal die Dreckkruste von der Haut ohne Seife wegschaben zu können. Gottlob, die vom Himmel lachende Sonne macht schon etwas warm... !

Diese Atmosphäre wirkt sich aus. Sie ist für viele nicht mehr tragbar. Immer wieder trägt man einen Toten die 70 Stufen hoch, erzählen die Bunkerwarte. Aber manch neuer Nürnberger erblickt auch hier unten das Licht der Welt. Und dort ... ! Das Ehepaar aus der ... straße hat sich in den fünf Dezennien seines Ehelebens wohl kaum jemals träumen lassen, daß es das Fest der „Goldenen Hochzeit" einmal viele Klafter tief unter dem Nürnberger Pflaster feiern werde ... !

Ober diese Goldene-Hochzeits-Feier brachte die Streicherzeitung sogar einen Bericht, in dem gesagt ist, daß dem jubelpaar kleine Geschenke überreicht wurden und daß sie mit „Heil Hitler" ihren Abschluß fand.

Angesichts der herrschenden Zustände wächst die Erbitterung zusehends. Die Volksseele kocht, aber sie läuft nicht über. Dem Gauleiter aber geht die Galle über. Noch immer spricht er vom unausbleiblichen Endsieg und von der sagenhaften kriegsentscheidenden Wunderwaffe. Daran glaubt keine alte Katze mehr.

Die Nürnberger lassen sich mit diesem Endsieg- und Wunderwaffenmärchen keinen Bären mehr aufbinden und sprechen es offen aus, daß es sich um nichts anderes handelt als um eine kriegsverlängernde Propaganda.   
In den letzten Tagen bogen draußen in Herrnhütte viele mit hohen Luftwaffen-Offizieren besetzte Autos von der Bayreuther in die Ziegelsteinstraße ab. Man spricht davon, daß in der Buchenbühler Barackenkaserne Görings Luftwaffenministerium Unterschlupf gefunden habe.

Quelle-"Ich sah wie Nürnberg unterging!(Tatsachenberichte)von F.Nadler

Bild-Ganz im Hintergrund erkennt man den Sinwellturm.Die Aufnahme zeigt den vorderen Spitalhof gegen Norden.

Grüße
Josef
« Letzte Änderung: Mo, 21. Juni 2010, 21:25 von six.darkness »

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Kriegsende in Franken 1945
« Antwort #22 am: Sa, 27. Januar 2007, 21:58 »
Nürnberg ist vollkommen eingeschlossen. Die Städte Lauf und Altdorf wurden am 17. April von den Amerikanern kampflos besetzt, die - über die Autobahn kommend - am Tag vorher schon Leinburg und Fischbach eingenommen hatten. Doch in Neumarkt tobten erbitterte Kämpfe. Diese Stadt wechselte wiederholt den Besitzer und ging dabei in Schutt und Asche auf. Dabei kamen die Amerikaner vorübergehend in eine kritische Situation. Sie wurden wiederholt zurückgeschlagen.

In Oberferrieden gingen im Verlauf erbitterter Kämpfe 65 Häuser in Flammen auf. Auch in Ochenbruck leistete SS erbitterten Widerstand. Tiefflieger wurden eingesetzt und verwandelten die Ortschaft in ein Meer von Rauch und Flammen.

Auch in Burgthann gab es harte Kämpfe. Das untere Dorf verbrannte. Sechs Burgthanner verloren das Leben. Diese Ortschaft war am 16. April von den Amerikanern besetzt worden. Sie hatten beim Angriff die Panzersperren mit sechs Spähwagen zusammengewalzt. Dann befahlen sie dem Bürgermeister Andreas Fischer dafür zu sorgen, daß im Dorf vorhandene Waffen abgeliefert und weiße Fahnen gehißt werden. Der Befehl wurde vollzogen.

Anderntags besetzten Teile der SS-Division „Götz von Berlichingen" die Ortschaft wieder, deren Offiziere den Einzug der weißen Fahnen befahlen und erklärten, daß der Bürgermeister aufgehängt werde. Dieser verteidigte sich und brachte zum Ausdruck, daß es eine Schande sei, einen Mann aufzuhängen, der nur das Beste gewollt und seinen einzigen Sohn für das Vaterland geopfert habe. Der SS-Führer aber erwiderte, der Bürgermeister hätte das Dort verteidigen müssen, dann wäre er eines heldischen Todes gestorben, jetzt müsse er eines schändlichen Todes sterben. Fischer hauchte unter einem Bauch- und drei Kopfschüssen sein Leben aus.

Damit war also die grauenhafte Drohung des Gauleiters und Reichsverteidigungskommissars Karl Holz in unmittelbarer Nähe Nürnbergs in die Tat umgesetzt worden. Von der Propaganda aber wurden die militärisch eigentlich nichtssagenden kleinen Erfolge bei Neumarkt, Oberferrieden und Burgthann weidlich ausgenutzt. Es ging von Mund zu Mund, von Ohr zu Ohr: „SS-Divisionen sind von Neumarkt her im Anmarsch und werden mit Wunderwaffen Nürnberg entsetzen... " Und tatsächlich: In Nürnberg standen geländekundige Männer zur Verfügung, die den SS-Formationen die Wege zeigen sollten. Angesichts dieser Gerüchte sattelten viele Nürnberger, die ähnliches auf dem Kerbholz hatten wie der Bürgermeister von Burgthann, ihre Räder, um rechtzeitig abhauen zu können, falls der Entsatz Nürnbergs tatsächlich zur Wahrheit werden sollte.

(Anmerkung: Der für die Erschießung des Burgthanner Bürgermeisters verantwortliche SS-Obersturmbannführer Karl Heinz Müller aus Saarbrücken stand 1956 in Nürnberg vor Gericht und wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Bei der 1958 ebenfalls in Nürnberg durchgeführten Revisionsverhandlung wurde er freigesprochen. - Im Laufe dieser Verhandlung verriet eine ganz einfache Burgthanner Bäuerin, wie sie das Problem der weißen Fahnen" ganz einfach löste. Sie hängte weiße Windeln zum Fenster hinaus. Damit hatte sie den Anforderungen der Amerikaner entsprochen. Und als dann wieder die SS kam und den Einzug der weißen Fahnen anordnete, ließ die Frau unbekümmert die weißen Flecke vor dem Fenster hängen, mit dem Hinweis, daß das ja die Windeln ihres Säuglings seien. Weder "Ami" noch SS-ler merkten, daß sie von der listigen Bauersfrau an der Nase herumgeführt wurden.)

Gruß
Josef

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Kriegsende in Franken 1945
« Antwort #23 am: Mo, 05. Februar 2007, 20:30 »
Doch das, mit dem man nicht gerechnet hatte, wurde Ende Februar 1945 zur traurigen Wirklichkeit. Ansbach geriet als einer der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte Süddeutschlands unter den Bombenhagel und wurde Ziel des strategischen Luftkrieges. Dieser wurde vorwiegend mit schweren viermotorigen Bombergeschwadern geflogen, den sogenannten „Fliegenden Festungen", und stand im Gegensatz zum „taktischen Luftkrieg" in keinem direkten Zusammenhang mit den Aktionen des alliierten Landheeres.

Genau am Donnerstag, den 22.2.1945, zugleich 213. Geburtstag von George Washington, begannen die Alliierten unter dem Kennwort „Clarion" ihre gewaltige Luftoffensive gegen das deutsche Verkehrsnetz, wie man es in diesem Ausmaß bisher noch nicht erlebt hatte. Ungefähr 10.000 Bomber beteiligten sich insgesamt von Stützpunkten in Großbritannien, Frankreich, Belgien, Holland und Italien aus an dem Zerstörungswerk. Ansbach sollte bereits am 22.2.1945 angegriffen werden, obwohl der Hauptschlag gegen die nordbayerischen Bahnhöfe erst am 23.2.1945 erfolgte.

1. Bombenangriff

Es war um die Mittagszeit, als Voralarm in Ansbach gegeben wurde. Zu Beginn des Jahres 1945 war dies schon eine alltägliche Sache und hat so gut wie niemanden mehr in Aufregung versetzt. Beobachtete man doch schon jeden Tag die anglo-amerikanischen Bomber, die wie zur Parade über die Stadt flogen, um in Nürnberg, München und Augsburg ihre Ladung abzuwerfen. Einen Angriff auf Ansbach hielt man für ausgeschlossen. Der 22. Februar war ein Vorfrühlingstag wie im Bilderbuch. Am strahlend blauen Himmel glänzten die „Fliegenden Festungen" der US-Streitkräfte mit ihren Begleitjägern über sich wie Silberfische. Um 11.38 Uhr registrierte der vom örtlichen Luftschutz auf dem Herrieder Tor eingesetzte Beobachter die ersten Pulks Feindflugzeuge (ca. 12-18 Stück) über der Stadt. Gegen 11.40 Uhr rückten weitere starke Verbände an. Es war unschwer zu erkennen, dal3 sie ihre verderbenbringende Last noch nicht abgeladen hatten. Was auffiel war, dal3 sie außerordentlich niedrig flogen; kaum mehr als 2.500 Meter über dem Boden. Sie kamen nahezu alle aus Nordwest und flogen nach Südost in Richtung München. „Die fliegen herum, als wären sie hier zu Hause" hieß es unter der Bevölkerung gelegentlich. Inzwischen wurde gegen 11.45 Uhr Fliegeralarm gegeben; die Sirenen heulten von den Dächern. In dem Glauben, daß die Bomber ohnehin München oder Nürnberg anfliegen würden, gingen nur einige Leute in die Luftschutzkeller. Ein Bomberpulk nach dem anderen zog über Ansbach hinweg und plötzlich kehrte einer um und flog in enger Angriffsformation mit der Sonne im Rücken entlang der Bahnlinie.

Der Angriff wurde generell von Osten her geflogen, damit die Piloten durch die Sonne nicht geblendet wurden.

Dabei hatte Ansbacb noch Glück im Unglück, daß sich die Bahnlinie von Ost nach West erstreckte. Die Verbände konnten so ihre Bombenlast in Reihenwürfen ziemlich genau plazieren. Bei süd-nördlich verlaufender Bahnstrecke - wie z.B. in Kitzingen - wären die Zielgebiete sehr klein gewesen und die Stadt selbst in weit größerem Maße in Mitleidenschaft gezogen worden.

Die Kanoniere mit der 2cm-Flak auf gepanzerten Güterwaggons - zumeist blutjunge Kerle - nahmen den ungleichen Kampf gegen die herannahenden Bomber auf; von der deutschen Luftabwehr war weit und breit nichts zu sehen. Bei den sich im Anflug befindenden Kampfmaschinen waren die Bombenklappen bereits geöffnet und die Uhr stand auf 12.10 Uhr, als die ersten Bomben fielen. Der Boden erbebte, das Krachen und Bersten war unvorstellbar. Die ersten Bomben fielen im Gebiet der Würzburger Vorstadt, im Schmetzer-Viertel und in der Nähe der Hindenburgkaserne. Etwas später dienten Krankenhaus, Fleischwerke Schafft, Güterbahnhof, Bekkenweiher, Bleidornkaserne und Schalkhausen als Angriffsziele. Danach erfolgten Einschläge in Steinersdorf, auf dem Bocksberg und am Bahngleis zwischen Ansbach und Wasserzell.

Im Archiv der 8. US-Luftflotte in Washington DC sind Planung und Verlauf des Angriffs auf Ansbach genauestens dokumentiert. Insgesamt beteiligten sich 143 Bomber mit vollständigem Jagdflieger-Geleit der 8. US-Luftflotte aus dem Verband der 3. US-Luftdivision. Der Angriff selbst verlief in 2 Wellen in einem Abstand von ca. 20 Minuten. Er dauerte genau von 12.13 Uhr bis 13.15 Uhr. Amerikanischen Berichten zufolge zählten ihre Beobachter während der 1. Welle fast -150 Explosionen bei 1680 abgeworfenen Bomben. Man hielt sogar genau fest, wo die einzelnen Explosionen gesichtet wurden. Dies liest sich dann so: „Bahnhof: Zwei Schwerpunkte, im ganzen mindestens 150 Explosionen 150 yards östlich, die sich nördlich und südlich des Bahnhofs ausdehnen, fünf Treffer auf den Schienen Lind mehrere Einschläge auf benachbarte fabrikähnliche Gebäude und Straßen". Danach war eine Aufzeichnung wegen der dichten Rauchentwicklung nicht mehr so präzise möglich. Primär waren sie auf Bahnhof und Schienenstränge gerichtet.

In einer Stunde war alles vorbei, Viele glaubten, es wären Stunden vergangen, als sie sich aus den Luftschutzkellern quälten. Was sich ihnen dann bot, war ein Bild des Schreckens. Der ganze Süden Ansbachs war eine schwarze Wand, dazwischen haushohe Flammen. Überall sah man enorme Rauchwolken zum Himmel aufsteigen. Bombenkrater taten sich auf, in denen ein Einfamilienhaus Platz gehabt hätte. Das Bahnhofsviertel glich einer Mondlandschaft. Durch zielsichere Bombenwürfe am westlichen und östlichen „Kopf" des Bahngeländes und auf die Brücken in und außerhalb der Stadt war die wichtige Nachschublinie Nürnberg-Crailsheim blokkiert. Es gab kein „Ein" noch „Aus" für die Unzahl an Vieh-, Munitions-, Militär-, Verpflegungs- und Güterzügen. Entlang der Bahnlinie war alles nahezu verwüstet. Etliche Menschen lagen tot auf der Straße: ein kleiner Säugling in blauem Strampelanzug, eine Frau mit dein Kochlöffel voll Teig noch in der Hand. Von den Flaksoldaten am Bahnhof war nichts mehr übrig; Sie Wurden von einem Volltreffer zerrissen. Unter den Blindgängern, die in den Straßen und Häusern herumlagen, fanden sich auch deutsche Beutebomben in der afrikabraunen Farbe.

Jetzt galt es, zu retten, was noch zu retten war. Feuerwehr, Rotes Kreuz, Luftschutz, Militär und Polizei rückten aus, um Verschüttete vor einem qualvollen Erstikkungstod zu bewahren. Die Geretteten wurden in den Keller der Luitpoldschule gebracht, der als Ausweichspital diente, weil auch das Krankenhaus einen schweren Treffer abbekommen hatte. Die Lösch- und Aufräumungsarbeiten sowie das Bergen der Verschütteten und das Versorgen der Verwundeten dauerten noch den Tag über und die ganze Nacht. Es wurde gearbeitet bis zum Umfallen. Was viele zu diesem Zeitpunkt noch nicht wußten war, daß der schlimmste Angriff noch bevorstand.

Quelle-Stadt Ansbach (D.Fitz)

Gruß
Josef

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Kriegsende in Franken 1945
« Antwort #24 am: Fr, 09. Februar 2007, 19:56 »
2.Bombenangriff

Am Morgen des 23. Februar um 6 Uhr früh gab der BBC-London in deutscher Sprache die Bombadierungen vom Vortag bekannt. Es hieß, daß Bahnanlagen im nord-, mittel- und süddeutschen Raum mit großem Erfolg bombardiert wurden. In der langen Aufzählung der bekannten Knotenpunkte war namentlich auch Ansbach erwähnt. Die Meldung schloß mit den Worten: „Die Angriffe werden heute fortgesetzt". Es war wohl eines der wenigen Luftunternehmen, die vorher angekündigt wurden. Obwohl es sicher nicht allzu viele waren, die Feindsender abhörten und dafür Kopf und Kragen riskierten, verbreitete sich diese Nachricht wie ein Lauffeuer. Auch die, die BBC nicht gehört hatten, wußten bald: Die Bomber kommen heute noch einmal und werden ganz Ansbach zerstören. Mag man dies interpretieren als eine aus humanitären Gründen erfolgte Warnung für die Bevölkerung oder als psychologische Kriegsführung der Alliierten mit dem Ziel, Schrecken zu verbreiten und das Chaos durch eine eventuelle Entvölkerung der Stadt noch größer zu machen. Dieselbe Frage stellt sich bei dem mysteriösen Ereignis ca. 1 Stunde vor dem 2. Bombenangriff auf Ansbach, als ein feindliches Flugzeug mit Kondensstreifen eine riesige „8" am tiefblauen Himmel „malte" und zudem durch Rauchbomben Markierungen in bestimmten Gebieten der Stadt setzte. Wenn auch vielleicht heute dies noch viele als weitere Warnung an die Einwohner deuteten - „Das soll Achtung heißen" hörte man überall - so ist doch wahrscheinlicher, daß es sich dabei um einen sogenannten „Pfadfinder" gehandelt hat, der Ansbach als Ziel markierte. Dies ist naheliegend, da die zu hunderten auf sogenannten Bomberstraßen in das Reichsgebiet einfliegenden Bomber dann genau wußten, welches Ziel sie anzusteuern hatten. Bei Nacht verwendete man als Zielmarkierung die sogenannten „Christbäume", die man von Ansbach aus oft bei Angriffen auf Nürnberg beobachten konnte. Tatsache ist jedenfalls, daß der, der nicht unbedingt zum Bleiben gezwungen war, die Stadt so schnell wie möglich verließ. Tausende zogen auch mit Sack und Pack in die Felsenkeller zwischen Ludwigshöhe und Nußbaumberg. Die Stadt glich einem Ameisenhaufen. Der größte Teil jedoch floh mit Handgepäck Lind Leiterwagen in die Wälder und Dörfer der Umgebung. Allen voran die Parteibonzen.

Die Brände entlang der Bahnlinie glommen noch, viele Tote lagen noch ungeborgen unter den Trümmerhaufen, als um 10.50 Uhr erneut Fliegeralarm ausgelöst wurde. Die „8", die immer noch deutlich über Ansbach auszumachen war, wies den 109 angreifenden Bombern den Weg.

Sie flogen von Südosten an und schwenkten dann schnurgerade in die Bahnlinie ein. Volle 30 Minuten lang - von 11.13 Uhr bis 11.46 Uhr - prasselten die silbrig blitzenden 250- und 500-Kilo-Sprengbomben auf Ansbach. Immer wieder flogen neue Verbände an, warfen zuerst Abwurfzeichen und danach Bomben. Dazwischen war Maschinengewehrfeuer zu hören und vereinzelt lieferten sich „eine Hand voll" deutsche Abfangjäger vom Typ FW und Me 109 an der Peripherie der Stadt Luftkämpfe mit den alliierten Maschinen. Die Begleitjäger waren meist sofort da und drängten die deutsche Luftwaffe schnellstens ab. Die Bomber zerpflügten den Bahnhof, den Hofgarten und große Teile des Stadtfriedhofs. Besonders zerbombt wurde die Bahnhofstraße. Das Postamt war nur noch ein Trümmerhaufen. Getroffen wurden auch Karlsplatz, Bischof-Meiser-Straße, Schalkhäuser Straße und das „Beamtenviertel".

Man mag sich kein Bild von der Verwüstung machen, die sich den in Ansbach gebliebenen Bewohnern beim Verlassen der Luftschutzkeller bot. Es waren zwar fast 500 Bomben weniger abgeworfen worden als am Vortag, doch trafen die anderen 1188 Sprengkörper aus amerikanischer Sicht wesentlich besser. Über dem Bahnhofsgelände befand sich eine riesige Rauchwolke. Überall loderten Brände. In diesem Gebiet zählte man allein 300 Bombentrichter. So furchtbar wie hier sah es nirgendwo aus. Vom Bahnhof war so gut wie nichts mehr da. Die hunderte von Waggons, die mit Lebensmitteln, Vieh, Waffen und Munition beladen waren, stellten ein Gewirr von Planken, glühendem Stahl und Eisen dar. Die Eisenbahnschienen hatten sich wie Haarspangen verbogen oder standen meterhoch in den Himmel. In den zerbombten sechs Splitterschutz- und Deckungsgräben kamen eine Vielzahl von Einheimischen und vielen anderen Reisenden ums Leben, für die der Bahnhof Ansbach im wahrsten Sinne des Wortes zur „Endstation" wurde. Das Befehlsstellwerk sowie der gesamte Gleisanlagenkomplex waren vernichtet, ca. 500 Güter- und Personenwagen unbrauchbar gemacht. Für die Instandsetzung wenigstens eines der ehemals insgesamt 18 Personenzug-, Güterzug-, Abstell- und Ladegleise sollte man schließlich eine ganze Woche benötigen. Von den Treppenaufgängen, Unterführungen und Bahnsteigen war überhaupt nichts mehr zu sehen. Ein Augenzeuge meinte hierzu: „Wer das nicht miterlebt hat, kann sich die Verheerungen nicht im mindesten vorstellen ( ... )

Personenwagen standen senkrecht in die Höhe ...
Güterwagen lagen schwerbeschädigt übereinander ...
Gleisstücke waren weit weg geflogen` . . . Eine Weiche war auf ein Haus in der Nähe geschleudert worden ...
vom Bahnhof keine Spur mehr . . ..

Nach Meinung von Experten hatte Ansbach nach Hamm in Westfalen den schwerstzerstörten Bahnhof ganz Deutschlands. Die Bahnhofstraße war vollkommen zerstört. Die Bomben waren bis zum Beckenweiher und zum Tonwerk gefallen. Alle Wohngebiete entlang der Gleisanlagen waren schwer getroffen. Die Industriebetriebe Oechsler, Schmetzer und Bächner sowie das Fränkische Überlandwerk erlitten Totalschäden. In den Kellern der komplett vernichteten Post kamen 17 Angestellte ums Leben. In der Kraterlandschaft des Hofgartens steckten wie Streichhölzer 15 Meter lange Eisenbahnschienen. Sie müssen mit ungeheurer Wucht mehr als hundert Meter durch die Luft geschleudert worden sein. Eine Zeitzeugin erzählte, daß die Leute, die dort Schutz suchten, regelrecht auf die Bäume „geflogen" sind. Am Heilig-Kreuz-Friedhof wurden halbverweste Leichen und Skelette aus ihren Gräbern gerissen. Sargtrümmer und Leichenteile lagen überall verstreut. Kränze und Schleifen fand man sogar in der Triesdorfer Straße. Es kursierte damals der Spruch, daß die Toten zweimal beerdigt wurden.

Die Altstadt und das Markgrafenschloß blieben zwar von den Bomben verschont, jedoch forderten die beiden Angriffe auch unter den geschichtlich bemerkenswerten Bauten der Residenzstadt Tribut. Teile der von Leopold Retty und Johann David Steingruber im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts geplanten und erbauten „Neuen Anlage" wurden erheblich getroffen. Totalverluste entstanden in der Karolinenstraße und Bischof-Meise-rStraße, deren Gebäudebestand noch in das erste Drittel des 18. Jahrhunderts zurückreichte. Das Haus Nr. 6 am Karlsplatz, dem städtebaulichen Mittelpunkt der „Neuen Anlage" und Sitz der Kreisleitung, erlitt schwere Schäden. Jedoch konnte der Platz unter Wahrung der architektonischen Geschlossenheit wiederhergestellt werden. Die Zerstörung des Zocha-Schlößchens bedeutete den vielleicht größten Einzelverlust. Auch die Orangerie erlitt erhebliche Beschädigungen. Die 1724 angepflanzte Lindenallee im Hofgarten mußte zum Teil neu angelegt werden. Die beiden Rundtürme an der Südbegrenzung des Hofgartens (Ecke Bahnhofstraße/Bischof-Meiser-Straße und weiter unten in der Bahnhofstraße) aus dem frühen 16. Jahrhundert wurden vollständig vernichtet. Im Volksmund trugen sie die Bezeichnung „Runder Turm" oder „Dicker Turm" sowie „Hundsturm". Der Luitpoldbrunnen stand auch nicht mehr. Damit sind aber noch lange nicht alle Verluste und Schäden an historischen Bauten aufgezählt"'.

Die gesamte Strom-, Gas- und Wasserzufuhr war zunächst unterbrochen und blieb in den am stärksten betroffenen Stadtteilen auf Monate gesperrt. Die Zeitung hatte ihr Erscheinen vorübergehend eingestellt, auch der Radioapparat funktionierte nicht. Man war sozusagen von der Außenwelt total abgeschnitten. Und täglich überflogen neue Bomberschwärme die Stadt. Was vorher die schrillen Sirenen nicht fertigbrachten, vermochten jetzt „wehklagende Handsurren". Beim ersten Ton griff jeder zu seinem Handgepäck und verschwand im Bunker.

Die Verluste an Menschenleben waren diesmal nicht so groß wie am Vortag, als das Inferno unerwartet über Ansbach kam; diesmal war man gewarnt. Dennoch haben die beiden Bombenangriffe ganze Familien hinweggerafft. Am meisten kamen in der Bahnhofstraße 37, am Bahnhofsplatz 4, Crailsheimstraße 12, Kraußstraße 8 und Karolinenstraße 12 ums Leben. Allein in der Gneisenaustraße waren 18 Tote zu beklagen. Bombentote wurden insgesamt in folgenden Straßen registriert: Bahnhofstraße, Bahnhofsplatz, im Bahnhof selbst, Beckenweiherallee, Bischoffstraße, Charlottenstraße, Crailsheimstraße, Draisstral3e, Überlandwerk, Dombachstraße, Endresstraße, Falkenweg, Feuchtwanger Straße, Fischerstraße, Gneisenaustraße, Hardenbergstraßc, IleiligKreuz-Straße, im Hofgarten, Innere Oberhäuserstraße, Bischof-Meiser-Straße, Karolinenstraße, Knebelstraße, Kraußstraße, Markgrafenring, Oberhäuscrstraße, Quaststraße, Schalkhäuser Straße, Schenkstraße, Stahlstraße, Thomasstraße, Turnitzstraße. Darüberhinaus gab es noch verschiedene Fundorte mit zum Teil nicht identifizierten Leichen. Nach den Angaben eines Zeitzeugen sollen die Jagdbomber einen Tag später, am 24.2.1945, nochmals zurückgekommen sein und in der Gartenstadt Schaden angerichtet haben .
Quelle-Stadt Ansbach (D.Fitz)
Bild 1.Die ehemalige Faun-Werke an der Draisstraße

Bild 2.Die Oechsler Fabrik in der Bahnhofstraße
Gruß
Josef
« Letzte Änderung: Mo, 21. Juni 2010, 21:26 von six.darkness »

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Kriegsende in Franken 1945
« Antwort #25 am: Fr, 09. Februar 2007, 20:29 »
Insgesamt wurden bei den beiden Luftangriffen ca. 3.000 Bomben geworfen, von denen lediglich 25 Blindgänger gewesen sein sollen. In der Mehrzahl wurden 250-Kilo-Bomben verwendet; es sollen aber auch 2-Tonnen-Bomben gefallen sein. Die traurige Bilanz am Ende waren 453 Tote; mindestens ebenso viele erlitten Verletzungen. Mehr als 1/4 der Bevölkerung wurde obadachlos. Unter den Opfern befanden sich neben den 410 Einheimischen auch Soldaten, Flüchtlinge, Durchreisende, Fremdarbeiter und Kriegsgefangene (25 deutsche Soldaten, 17 Russen, 6 Polen, 6 Ungarn, 1 Jugoslawe, 1 Italiener, 6 Franzosen u. 2 Belgier). Auch fanden viele Saarländer, die nach Ansbach evakuiert worden waren, dabei den Tod.

Die Gebäudeschäden waren zuerst kaum zu überblicken. Von den insgesamt 2.845 Häusern der Stadt wurden 835 in Mitleidenschaft gezogen. 93 (3,2'%) wurden total zerstört, 67 (2,3 %) schwer und 675 (23,75 %) leicht beschädigt. Dies machte nahezu 30 % der Gesamtzahl an Ansbacher Wohngebäuden aus. Die Verwüstung wirkt um so eindringlicher, wenn man bedenkt, daß sie sich nicht auf die ganze Stadt erstreckte, sondern sich auf die entlang der Bahnlinien erbauten Straßenzüge konzentrierte. Zudem fielen rund 75 % der ohnehin kärglichen Industrie in Ansbach der Zerstörung zum Opfer.

Zur Bekämpfung der Brandherde und zu den Aufräumungsarbeiten waren in den kommenden Wochen rund 1.500 Mann in drei Schichten eingesetzt. Mit Riesenbaggern, Panzerwagen und Schweißtrupps wurde Tag und Nacht gearbeitet. Neben Bahnpersonal, Wehrmacht, Volkssturm und anderen Organisationen waren zusätzlich einige Hundertschaften an Häftlingen hinzugezogen worden, von denen mindestens 56 den Tod fanden. Auch die Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten forderten noch ihre Opfer.

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Kriegsende in Franken 1945
« Antwort #26 am: Fr, 09. Februar 2007, 20:48 »
Von Würzburg-Uffenheim kommend rückte der rechte Flügel der 12. US-Panzerdivision und, zu diesem Verband gehörend, das 8. US-Infanterie-Regiment, heran. Der linke Flügel dieser Division durchbrach die dünnen deutschen Linien bei Neustadt/Aisch und hielt direkt auf Nürnberg zu, wo am 17. April im Stadtkern bereits heftige Straßenkämpfe tobten. Panzerkeile mit aufgesessener Infanterie der Kampfgruppe B der 12. US-Panzerdivision zweigten vor Nürnberg ab und nahmen am 17. April Heilsbronn ein, von wo man auf Ansbach vorrückte. Mit einem Vorstoß von Osten her hatte die Rezatstadt allerdings wahrhaftig nicht gerechnet, sondern mehr von Nord und West. Die deutsche Verteidigungslinie verlief daher ungefähr im Halbkreis von Kurzendorf im Südwesten bis zum Urlas im Nordosten. Der Osten der Stadt und der Süden als Hinterland sowieso war also ohne Verteidigung und gerade hier kam der Gegner mit seinen Hauptstreitkräften. Dadurch war die Verteidigung Ansbachs regelrecht aus den Angeln gehoben, jeder Widerstand war zwecklos geworden. Zeitlich aufeinander abgestimmt, griffen am 18. April die beiden Kampfgruppen (Combat Commands) B und R der 12. US-Panzerdivision von Norden und Osten an. Im Nordwesten drängte die 8. US-Infanteriedivision gegen den Stadtrand vor. Am 17. April hatten sich die amerikanischen Panzertruppen von Feuchtwangen her bis zum Geisengrund und von Röshof bis zum Weinberg der Stadtgrenze genähert. Nur zögernd bewegte sich der Gegner auf die „Festung Ansbach" zu. Als die Bewohner noch Proviant hamsterten, hatte sich der Feind schon bis zum Geisengrund, dem Zeilbergwald und dem äußeren Teil der Dombachstraße, auf der anderen Seite bis zum Wein- und Strüther Berg vorgearbeitet. Bereits in der Nacht und schließlich in den Morgenstunden des 18. April erschreckten vereinzelte Artillerie-Einschläge die Bewohner des Reuter-Viertels.

Von nahezu überall her hörte man in den Vormittagsstunden des Tages des Einmarsches Kampfhandlungen. Bei der Gneisenau-Kaserne war einige Stunden Gewehrfeuer zu vernehmen, in die Oberhäuserstraße wurde hineingeschossen, über den Zeilberg, wo die Amerikaner ebenfalls einbrachen, ist ein Panzer mit einer Panzerfaust beschädigt worden. Ein alter Ansbacher berichtet, wie sie in die Dombachstraße eingesickert sind. Sie postierten dort in einigen Häusern ihre Scharfschützen, die aus dem Fenster auf alles schossen, was sich bewegte. Ein Rekrut und ein Leutnant wurden getroffen. Der Leutnant trug eine Art Tagesreport mit sich, in dem es hieß: „Truppe ist übermüdet, abgekämpft und ausgehungert; sie ist nicht mehr vorwärtszubringen. Noch in den Mittagsstunden soll in der Jüdtstraße eine Frau dem Artilleriebeschuß zum Opfer gefallen sein.

Vor allem auf und um den Urlas und in der Gegend Hennenbach, Wengenstadt bis hinüber nach Wiedersbach wurde den Angriffen verbissener Widerstand geleistet. Im Besonderen waren es die Kämpfer der 2. Gebirgsdivision und die blutjungen Männer unter Kampfgruppenkommandant Major Nilclas. Dagegen wurden die US-Sturmeinheiten mit den Männern der „Besatzung Ansbach" leicht fertig.

Sie kamen größtenteils in Gefangenschaft, während Teile des Gebirgsjägerregiments 137 und das Alpenjäger-Regiment 1 versprengt wurden. Zum Großteil nur mit Infanteriewaffen ausgerüstet, konnte man es mit Artillerie und Panzerkanonen der Amerikaner kaum aufnehmen. Das XIII. SS-Armeekorps befahl schließlich den Rückzug nach Süden in Richtung des später noch schwer umkämpften Merkendorf. Dies war mit ziemlicher Sicherheit Ansbachs Rettung; die völlige Zerstörung blieb der Stadt in letzter Minute erspart. Nur vereinzelte kleine Gruppen, bewaffnet mit „Zimmerstutzen", einigen Maschinengewehren und Panzerfäusten blieben in der Stadt zurück. So gut sie eben mit der spärlichen Ausrüstung konnten, leisteten sie gegen die langsam überall einfallenden Amerikaner Widerstand.

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Josef

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Kriegsende in Franken 1945
« Antwort #27 am: Do, 15. Februar 2007, 17:18 »
Fürth wurde von der amerikanischen 42. Division mit 15.000 Mann angegeriffen.

Kampfkommandant der deutschen Truppen war Major Flierl, der eigentlich im Lazarett unter Obhut des Oberstabsarztes Dr. Gastreich liegen sollte, aber sich zur Durchführung der Verteidigung frei machte. Ihm zur Seite stand Major Sponholtz.

Flierl konnte über eine Artillerieersatzabteilung, zwei Bataillone des Infanterieersatzregiments 113, ein Bataillon Panzerjäger, das Bodenpersonal des Nachtjägergeschwaders Horst Wessel aus Unterschlauersbach (deren Maschinen nicht starten konnten, da der Flugplatz zerstört war), das Messerschmidtlehrgeschwader Fürth, eine Nachrichtenkompanie, eine Kompanie Volkssturm sowie einige Pioniere verfügen. Insgesamt etwas weniger als 2.000 Mann von höchst zweifelhaftem Einsatzwert.

Auch in Fürth war die Hauptstütze der Verteidigung der Flak-Ring, der um den Raum Nürnberg-Fürth gezogen war. Um den idealen Beobachtungsposten der alten Veste für den Feind zu zerstören, erbat Major Siebert vom Abschnitt West, (Kommandant der Flakstellungen) von Major Flierl Sprengstoff zur Sprengung des Turms der alten Veste. Flierl mußte jedoch feststellen, daß er selbst kein Gramm mehr besaß. Der gesamte Sprengstoff war verbraucht worden, um die Brücken in Fürth zur Sprengung vorzubereiten. Dann war er jedoch auf mysteriöse Weise verschwunden. In der Folge hatte Fürth - und vor allem die Flakbatterien - unter dem von der alten Veste geleiteten Artilleriefeuer der Amerikaner sehr zu leiden.

Major Flierl bestätigte, daß die "Flak in Höfen fast bis zur Selbstaufopferung" gekämpft habe, das Panzerjägerbataillon, das im Bereich Gaswerk Fürth in Reserve gehalten wurde, dagegen spurlos verschwunden - wohl auseinandergelaufen - sei.

Während überall in Fürth die Soldaten versuchten, mit dem Leben davonzukommen, wurde Cadolzburg von einer SS-Einheit so hart näckig verteidigt, daß es ihr zu verdanken ist, daß die Cadolzburger Burg in Flammen aufging.

Auch in Fürth beteiligte sich die Polizei nach Möglichkeit nicht an den Kämpfen. Als Major Flierl erfuhr, daß in den Beständen der Polizei noch 600 Karabiner vorrätig seien, versuchte er, den Kommandeur der Polizei, Major Bock von Wülfingen, zur Herausgabe derselben zu bewegen. Dieser konnte das jedoch bis zuletzt verhindern.

Am 18. April wurde die Lage in Fürth unhaltbar und Major Flierl beschloß, seine Truppen sich absetzen zu lassen.

Am Morgen des 19. um 2 Uhr früh löste der Kommandant seinen Gefechtsstand auf und marschierte allein Richtung Nürnberg davon. Da vom Fürther Widerstand die Haupttelefonleitung zerstört worden war, konnte er die kämpfenden Abteilungen in Fürth nicht davon informieren. Nur Major Sponholtz erhielt mündlich den Befehl, die letzten Reste der Truppe zu sammeln und nach Nürnberg auszubrechen.

Sponholtz marschierte mit allen erreichbaren Männern - gerade noch dreihundert - nach St. Leonhard. Dort erreichte ihn der Befehl, in die Innenstadt von Nürnberg zu Oberst Wolf vorzustoßen. Mit 60 Freiwilligen kam er unter der Führung eines 12-jährigen Buben bis zum Plärrer. Nach der Überquerung der Straße am Spittlertor mit vier Mann blieb das Gros der Gruppe inklusive dem Buben verschwunden. Nachdem Sponholtz noch im Spittlertorturm nach dem Weg gefragt hatte, meldete er sich mit den verbleibenden vier Mann im Palmenhofbunker als "Verstärkung aus Fürth". Oberst Wolf war sehr erstaunt.

Nachdem Flierl und Sponholtz Fürth verlassen hatten, übernahm es der Oberstabsarzt Doktor Gastreich, die Truppen zu informieren, daß der Kampf einzustellen sei. Mittags übergab OB Häupler die Stadt den Amerikanern, nachdem er bereits in Gewahrsam der Amerikaner war und Dr. Gastreich interveniert hatte. Dr. Häupler hatte noch starke Bedenken gegen eine Kapitulation, da seine Familie in Oberbayern war und er Sippenhaft für sie befürchtete, wenn er Fürth übergeben würde.

Während der Übergabeverhandlungen hißte Herr Gleixner bereits eine vorbereitete weiße Fahne am Rathaus.


Kurze Zeit darauf wurde Häupler von den Amerikanern verhaftet, da er die bekannten Nazis Sandreuther und SicherheitsDienst-Chef Link noch am 19.4. wieder in ihre Ämter eingesetzt hatte. In der Haft unternahm er einen Selbstmordversuch mit Veronal, starb dann aber später an Lungenentzündung.

Quelle- Die Befreiung (E.Ule)

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Josef

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Kriegsende in Franken 1945
« Antwort #28 am: Do, 01. März 2007, 22:20 »
3.und 45.US-Infanteriedivision (11.-14.April 1945)

Am 10. April stand das amerikanische XV. Korps in der Rhön in Bereitschaft für den geplanten Vorstoß nach Südosten. Die 106. Cavalry Group, eine gepanzerte Aufklärungseinheit, fühlte in Richtung Bamberg und Coburg vor. Am folgenden Tag um 15 Uhr erreichte das Korps der Armeebefehl zum beschleunigten Vormarsch in Richtung Nürnberg. Die 3. Division rückte auf dem linken Flügel vor. Um das Tempo zu beschleunigen, wurden nachts Scheinwerfer eingesetzt. Aufklärungsflugzeuge erkundeten die Vormarschstraßen, Kampfbomber sicherten sie. Tiefflieger gaben ihre Informationen über Straßen, Brücken, Standpunkte und Bewegungen der gegnerischen Truppen per Funk an das Korps; sie leiteten auch Artilleriefeuer auf lohnende Ziele. Die deutsche Gegenwehr war außerordentlich gering. „The enemy forces were completely disorganized and occasional small arms fire presented the only opposition to the regiment, und an anderer Stelle: „The German retreat was so hasry that it was becoming more difficult each day for the Division to maintain contact with the enemy.

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Kriegsende in Franken 1945
« Antwort #29 am: Do, 01. März 2007, 22:32 »
Am 12. April erhielten die beiden Infanteriedivisionen den Befehl, die Stadt Bamberg einzunehmen, während die 106. Cavalry Group in Richtung der Autobahn Bayreuth-Nürnberg aufklären sollte.

Dem Kampfkommandanten von Bamberg standen nur die geringen Reste der dort stationierten Ausbildungs- und Ersatzeinheiten, die bereits mehrfach auf „Fronttaugliche durchgekämmt" waren, und Volkssturm zur Verfügung.
Eine wirkungsvolle Verteidigung war also ebenso sinnlos wie unmöglich. Es verdient hier festgehalten zu werden, daß die Führung des LXXXII. Armeekorps keine Kampftruppen in die Stadt schickte und somit wesentlich zur Schonung Bambergs beitrug. Der Chef des Generalstabs, Oberst i. G. Graf von Ingelheim, versicherte, daß immer versucht wurde, den Kampf so zu führen, daß deutsche Städte und Dörfer verschont blieben, selbst wenn hierbei ein militärischer Nachteil in Kauf genommen werden mußte. Die Kampfführung des Korps in Franken bestätigt seine Aussage.

Wie in allen Orten Frankens, so wuchs auch in Bamberg mit dem Näherrücken der Front die Besorgnis der Bevölkerung. Sollte die Stadt vielleicht das Schicksal Würzburgs oder Aschaffenburgs teilen und in erbitterten Straßenkämpfen in Schutt und Asche sinken? Bisher hatte doch ein gütiges Geschick die tausendjährige Kaiserstadt weitgehend von Kriegsschäden verschont. Sollte nun so kurz vor Kriegsende das Kleinod der mittelalterlichen und barocken Kunst, die Lazarettstadt mit einigen tausend Verwundeten, durch eine sinnlose Verteidigung zerstört werden? Ein Aufruf, unterzeichnet von Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Wächtler und dem Kommandeur im Wehrkreis XIII, General der Infanterie Weisenberger, schien die letzten Zweifel über das Schicksal der Stadt zu beseitigen: „Anglo-amerikanische Panzerspitzen sind in Teile unseres Wehrkreises XIII vorgedrungen. Nicht nur für Offiziere und Soldaten, sondern für die gesamte Bevölkerung kommen nun Stunden der Bewährung. Wir wollen den Feind nicht aufhalten, sondern ihn werfen und vernichten! Jeder kämpft bis zum letzten Atemzug. Jetzt ist jeder Hof eine Burg, jede Fabrik eine Festung, jedes Haus ein Bollwerk. Wir wollen uns nicht schämen müssen vor unseren Kindern.

Doch die hohlen Phrasen hatten längst ihre Wirkung verloren. Mutige Männer, der Chefarzt des Krankenhauses Dr. Lobenhoffer, der Leiter des Industrie- und Handelsgremiums Dr. Sturm und der Erzbischof wandten sich an den Kommandeur des Schutzbereiches Bamberg, Oberst Körner, der dann auch als Kampfkommandant eingesetzt wurde, und baten ihn dringend, Bamberg zur „offenen Stadt" zu erklären oder zumindest nicht zu verteidigen. Aber weder die beschwörenden Worte des Erzbischofs noch alle aufgeführten Vernunftgründe hatten Erfolg. Oberst Körner mußte ablehnen! Er war auch vor dem Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht vom 12. April 1945 über die „Verteidigung von Städten" als Kampfkommandant zur Verteidigung der Stadt „bis zum letzten" verpflichtet. Hätte er eine andere Absicht zu erkennen gegeben, so wäre er ein Fall für das Standgericht gewesen, und irgendein Fanatiker wäre sein Nachfolger geworden. Damit wäre wohl niemandem gedient gewesen."

Geistliche beider Kirchen suchten die Schonung der Stadt auch auf andere Weise zu erreichen. Sie wandten sich an den Höheren SS- und Polizeiführer Dr. Benno Martin in Nürnberg und baten ihn um Unterstützung. In der Nacht vom 2. auf 3. April 1945 trafen sich der Weihbischof Dr. Landgraf und
Oberbürgermeister Dr. Kempfler von Bayreuth mit Martin und einem SS-Standartenführer im Pfarrhaus des Dekans Weirather in Hollfeld. Von Martin war bekannt, daß er trotz seines hohen Rangs in der SS-Hierarchie kein Fanatiker war. Er hatte mehrfach Maßnahmen der Partei und ihrer Verbände abgemildert und auch von der Sippenhaft bedrohten Angehörigen der Familie Stauffenberg Unterstützung gewährt. Er schien der geeignete Mann zu sein, das Schicksal des bedrohten Bamberg zum Guten zu wenden. Man bat ihn, die Verteidigung der „Jura-Linie" und damit Kämpfe um Bamberg und Hollfeld, angeblich Hauptstützpunkte in dieser Linie, zu verhindern. Ein zweites, kaum geringeres Anliegen der Männer war es, zu verhindern, daß, wie geplant, die Munitionsfabrik Breitengüßbach gesprengt würde. Dies hätte für die ganze Umgebung eine Katastrophe zur Folge gehabt. Bereitwillig versprach Martin, alles in seiner Macht Stehende trotz der damit verbundenen Gefahren zu tun. Ob es aus menschlichem Mitgefühl heraus geschah, oder ob der Gedanke, daß ein solcher Einsatz seine SS-Zugehörigkeit und manchen dunklen Punkt in seiner Vergangenheit später in milderem Licht erscheinen lassen würde, ihn zu seiner Mitarbeit bewegte, bleibt dahingestellt. Was seine Aktivitäten in diesem Zusammenhang betrifft, sind wir übrigens auf seine eigenen Aussagen angewiesen: Von militärischer Seite wurde ihm die Schonung der Stadt nicht zugesichert, was nicht weiter verwunderlich ist, denn bei den Kommandeuren der Wehrmacht genoß der Höhere SS- und Polizeiführer ohnehin kein besonderes Ansehen, und es mußte Mißtrauen erregen, wenn der höchste SS-Führer im Wehrkreis für die Nichtverteidigung der Stadt plädierte. Gauleiter Wächtler konnte weder für noch gegen die Verteidigung etwas tun, denn er verfügte über keinerlei Machtmittel. Ebensowenig konnte die Kommandostelle des Reichsführers-SS und Chefs der Polizei in Salzburg etwas tun oder die Feldkommandostelle des Reichsführers-SS, an die Martin sich gewandt haben will. Zuständig war ausschließlich der Kommandeur des LXXXII. A.K., das sich dann durch den Raum Bamberg zurückzog. Oberstleutnant i. G. Graf von Ingelheim berichtete: „In Bamberg selbst befindet sich ein Kampfkommandant mit festen Weisungen des OKW ... Das Gen.Kdo. entschließt sich, die Stadt Bamberg, soweit es die Lage zuläßt, weitgehend aus den Kampfhandlungen herauszuhalten und sie nicht zu verteidigen. Es werden daher auch keine Kräfte des Korps in die Stadt geführt."

 


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